Zürich: Ausschreitungen, Plünderungen, Barrikaden, Angriffe auf Bank-, Gerichts- und Polizeilokale, etc.

Ein kurzer Bericht aus persönlicher Sicht zum wilden Strassenfest vom vergangenen Samstag:

Mindestens 2’000 Menschen und verschiedene Wägen mit Musik begannen Samstag Nachts gegen ca. 23:30 das besetzte Binz-Areal in Zürich zu verlassen, um durch die Stadt zu ziehen, anlässlich der Räumungsdrohung gegen eben dieses Binz-Areals. Die Stimmung war festlich und ausgelassen, und man spürte, wie sich das belebende Gefühl verbreitete, dass man dabei ist, sich die Strassen zu nehmen, und die Freiheit, alles mögliche zu tun. So liessen sich auch gleich von Beginn an diverse Personen links und rechts mit Spraydosen aus, während kaum eine Stelle unbeschrieben blieb und nicht mit Tags und Sprüchen übersät wurde: „Wir sind zu jung, um zu warten – Es lebe die Anarchie!“, „Kein Eigentum für niemand“, „Aufwertung heisst Verdrängung“, „Für eine Welt ohne Känste“, „PJZ angreifen!“, „Bullen raus aus unseren Leben!“,… etc. Viele Sprayereien richteten sich gegen die Aufwertung, gegen den Bau des neuen PJZ oder widmeten sich der räumungsbedrohten Binz. Diese Sprayereien begleiteten während der ganzen ca. 1 1/2 Stunden den Umzug. Dieser begab sich also Richtung Manesseplatz, und von dort Richtung Schmiede Wiedikon, wo bei einem Autohändler auch schon die ersten Scheiben zu Bruch gingen. Bei der Quartierwache Wiedikon angekommen, wurde dderen Fassede verschmiert („Bullen angreifen!“) und Scheiben zertrümmert, ebenso wie die Scheiben und Bankomaten der nebenan gelegenen ZKB-Filiale. Die Bullen, die bislang dem Umzug mit einigen Autos vorangefahren sind, begannen in diesem Moment zum ersten Mal zu Schroten und mit Tränengas zu schiessen, und dann auch den Wasserwerfer einzusetzen. Es wurde mit einigen geworfenen Gegenständen geantwortet, bevor man Richtung Schmiede Wiedikon zurückdrängte, wo die Strasse Richtung Bahnhof Wiedikon einschlagen wurde. Die kleine Band auf einem Wagen noch immer Grindcore spielend, aus den anderen Wägen noch immer treibender Techno ertönend. Auf dem Weg Richtung Bahnhof Wiedikon verliert eine UBS Bank fast alle ihre Scheiben. Bei einem erneuten Vorrücken der Bullerei wurden erste Barrikaden aus brennenden Kontainern errichtet, während etwas Gas und Steine flogen. Der Umzug begab sich über die Ankerstrasse Richtung Langstrasse. Dabei wurden bei der Polizeiberatungsstelle sowie bei dem Mercedesverkäufer die Scheiben eingeschlagen.
Beim Coop an der Ecke Langstr./Badenerstr. angekommen, wurden die Eingangsscheiben eingeschlagen, so dass sich zahlreiche Leute Zugang verschufen und den Laden zu plündern begannen. Bald flogen Schocko-Osterhasen durch die Luft, und man bediente sich mit Alkohol, Zigareten, oder einer kleinen Verpflegung für zwischendurch. Neben dem geplünderten Coop kann man lesen: „Alles für alle!“, „Kein Eigentum!“ und „Es Lebe der Pöbel!“.
Etwas weiter vorne wurden bei einer Filiale der ZKB die Fenster mit Hämmern demontiert, sowie die Geldautomaten unbrauchbar gemacht. Das ganze unterschrieben mit: „Für eine Welt ohne Geld!“
Auf Höhe des Helvetiaplatzes angekommen, stellten sich die Bullen in der Langstrasse auf, so dass ein Teil der Leute nach links in die Sauffacherstrasse abbog. Die Bullen setzten erneut den Wasserwerfer ein und es gelang ihnen, die Menge etwas zu zerstreuen. Die zerstreuten Grüppchen errichteten mit Baustellenmaterial und Kontainern verschiedene Barrikaden in den Strassen des Quartiers, bevor sich der Umzug mehr oder weniger wieder zusammenfand, um sich durch die Feldstrasse Richtung Badenerstrasse zu begeben. Ein dortiges Gebäude, welches das Amt für Strafvollzug beherbergt, wurde massiv verunstaltet, indem etliche Scheiben eigenschlagen und Sprayereien angebracht wurden („PJZ Niemals!“, „Keine Richter, keine Bullen!“, „Freiheit für alle Gefangenen!“). Der Umzug begab sich wieder Richtung Bahnhof Wiedikon, wo die ganze Kreuzung mit verschiedenen Barrikaden blockiert wurde. Die Bullen versuchen noch einmal vorzurücken, es kommt zu kurzen Konfrohttp://www.20min.ch/diashow/67463/67463-McV3HR35CZnfn338v8hgLg.jpgntationen, die Leute zerstreuen sich zum Teil, und gehen auf unterschiedlichen Wegen weiter.
Insgesamt wurden mehrere Male herannahende Bullenautos von kleinen Gruppen unter Steinwürfen verfolgt und vertrieben.
Zahlreiche Ticketautomaten und Anzeigetafeln des ZVV wurden unterwegs ebenfalls ausser Betrieb gestelhttp://files.newsnetz.ch/bildlegende/94552/1178516_pic_970x641.jpglt.
Ausserdem seien mehrere Autos in Brand gesteckt worden.

Jedenfalls fand man sich dann irgendwo, einige Strassen weiter, wieder mehr oder weniger zusammen, und begab sich wieder Richtung Manesseplatz. Dort wurde eine UBS-Bank entglast und weitere Barrikaden errichtet. Die nahe Coop-Filiale wurde gewaltsam geöffnet und von einigen geplündert.
Der Umzug begab sich zurück in das Binz-Areal, wobei etwa 5 Linien aus Barrikaden hinter sich gelassen wurden.
In der Binz wurde bis zum nächsten Morgen weitergefeiert.

Wie gesagt, dies ist ein persönlicher Bericht, und gewiss entgehen ihm viele Sachen, oder lässt er vieles ausser Acht…

Video

Medien
Tagesanzeiger:

Demo mit Coop-Plünderung und grossen Schäden: «Mitgegangen, mitgehangen»

3.3.2013: In der Nacht ist ein grosser Saubannerzug durch Zürich marschiert. Dabei kam es zu Ausschreitungen und massiven Sachbeschädigungen. Polizeivorsteher Leupi kritisiert die Binz-Besetzer scharf.

Bei Ausschreitungen in Zürich ist in der Nacht auf Sonntag ein Sachschaden von mehreren Hunderttausend Franken entstanden. Gestern vor Mitternacht zogen weit über Tausend Demonstranten vom besetzten Binzareal her in den Kreis 4, wo sie planlos randalierten. Am Tag nach dem Saubannerzug meldete sich Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) zu Wort: «Ich verurteile die Aktion von gestern Nacht in aller Schärfe. Dieser Gewalt- und Zerstörungszug durch Wiedikon und den Kreis 4 kann nur als kriminell bezeichnet werden», schreibt er in einer Stellungnahme.

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Zürich: 2 verbrannte SBB Autos

gefunden auf indymedia.ch:

4.3.2013: „Vor ein paar Tagen sah ich an der Hohlstrasse auf Höhe der Europabrücke 2 Vans der SBB stehen, deren Vorderbereich schwarz verkohlt war. Offenbar wurden die in diesen Tagen von jemandem in Brand gesteckt.“

[Wir erinnern daran, dass sich die SBB bei Ausschaffungen und Gefangenentransporten beteiligt, sowie das Gelände für das neue Polizei- und Justizzentrum in Zürich verkaufte.]
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Ägypten: Wie das Meer

Ägypten: Wie das Meer

Die soziale Revolution ist wie das Meer. Ihre Wellen folgen eine auf die andere, prallen an den Hindernissen auf, die sich zeigen, und zerschlagen sie oder weichen vor ihnen zurück. Mit der ganzen Gewalt eines unzähmbaren Aufschwungs zerstören sie Schlag auf Schlag die Überbleibsel der Macht, der Ausbeutung und der Unterdrückung. Eine erste Welle, riesig und unerwartet, hat die Diktatur von Mubarak mit sich fortgespült. Eine zweite sorgte dafür, dass sich die Armee zurückzog, die im Begriff war, die Macht zu übernehmen. Eine dritte ist heute dabei, sich gegen die neue Ordnung zu erheben, welche die Islamisten aufzuerlegen versuchen.

Der wahre revolutionäre Strudel gehorcht keiner Partei, keinem Chef, keiner Macht. Im Gegenteil, sie sind seine unversöhnlichen Feinde. Sie werden weggefegt werden, je mehr sich dieser vertieft. Zwischen der sozialen Revolution, die jedes Verhältnis umstürzen wird, das auf der Ausbeutung und der Herrschaft basiert, und den Betrügern, den Chefs, den Meistern, den Parteien, den Kapitalisten, den Autoritären aller Schattierungen, kann es nur einen Kampf bis zum Ässersten geben. Denn die Freiheit und das Ende der Ausbeutung setzen die Zerstörung von jeglicher Macht und des Kapitalismus voraus.

Es nicht im Geringsten überraschend, dass die anstrebenden Mächtigen versuchen, auf der revolutionären Welle zu surfen, die gegenwärtig das Land des Nils erfasst; es ist nicht überraschend, wenn neue Führer versuchen, sich durchzusetzen, indem sie täuschen und betrügen, unter Beihilfe der Medien und Regierungen von hier, die von der „Opposition“ sprechen; es ist nicht überraschend, dass sich der wahre revolutionäre Aufschwung durch kein Parteiprogramm, kein Referendum, keine Fahne äussert, und von keiner Hochburg der Macht auf der Welt erkannt wird. Sicher, diejenigen, die heute in Ägypten gegen die gegenwärtige Macht kämpfen, bilden keinen homogenen Block, ebensowenig, wie sie alle nach einer wahren sozialen Revolution streben. Die laufenden Kämpfe werden von tausenden Widersprüchen durchdrungen: zwischen den Gegnern, die eine verfassungsgebende Versammlung ohne den vorwiegenden Einfluss der Islamisten fordern, und denjenigen, die in der parlamentarischen Demokratie kein Heil sehen, zwischen jenen, die für Lohnerhöhungen und akzeptablere Arbeitsbedingungen kämpfen, und denjenigen, die alle Bosse vertreiben wollen, zwischen jenen, die kämpfen, aber ohne die Vorurteile, die herrschende Moral, die jahrtausendealten Unterdrückungstraditionen zu hinterfragen, und denjenigen, die, in ein und demselben Kampf, ebensosehr gegen die staatliche Macht kämpfen, wie gegen die erdrückende Last des Patriarchats, zwischen jenen, welche die Nationalflagge schwenken, und denjenigen, die ihre Kämpfe mit dem Kampf der Ausgebeuteten überall sonst auf der Welt verbinden… Doch es ist zweifellos das, worin sich die Stärke der Revolution befindet, die in Ägypten im Gange ist: Über alle Widersprüche hinaus, ist sie im Schoss der Ausgebeuteten und Unterdrückten entstanden. Hier ist es, wo die wahre Schlacht geliefert wird.

Das, was in Ägypten passiert, wird überall auf der Welt, wo Menschen am kämpfen sind, ein Echo haben. Wenn sich die Islamisten aller Tendenzen während Jahren vor Millionen von Leuten auf dem Planeten als soziale Kämpfer präsentieren konnten, wird ihre Maske vielleicht heute in Ägypten fallen, so, wie sie bereits in anderen Regionen fällt (denken wir an den Süden von Tunesien). Die soziale Revolution in Ägypten wird vielleicht das Grab der Islamisten und der religiösen Reaktion sein, die sich hinter einer angeblichen sozialen Emanzipation verhüllt.

Auf der Grundlage der internationalen revolutionären Solidarität befindet sich die eigene Wiedererkennung in den Kämpfen, die anderswo geliefert werden. Ein Zuschauer der aufständischen Aufwallung in Ägypten zu bleiben, kann nur zu ihrer Isolierung und ihrer Erstickung beitragen. Um den wahren revolutionären Aufschwung dort untern zu unterstützen und zu verstärken, denjenigen, der danach strebt, jeglicher Ausbeutung und jeglicher Macht ein Ende zu setzen, müssen wir agieren. Uns in das Getümmel werfen, bewaffnet mit der Idee der Freiheit, der wirklichen Freiheit.

Wir halten es also für angebracht, einen Aufruf zu lancieren, zum Angriff überzugehen, die laufende revolutionäre Welle in Ägypten dort, wo wir uns befinden, mit unseren eigenen Ideen, mit unseren eigenen Mitteln zu unterstützen. Wenn in Alexandria, in Kairo, in Malhalla,… tausende Personen sich in die Schlacht für eine neue Welt werfen, dann lasst uns dafür sorgen, dass jeder Repräsentant des Ägyptischen Staates und Kapitals überall auf der Welt den Konflikt vor seine Tür getragen findet. Dass jeder Staatsmann, Kapitalist und Diener der Ordnung der ganzen Welt in seinem Nacken den Hauch der sozialen Revolution verspürt.

Knüpfen wir durch die Aktion Verbindungen zwischen den Aufstandsherden überall auf der Welt!
Für die Zerstörung von jeglicher Macht!

[11/01/2013]
Publiziert auf Französisch in Hors Service, nr. 32, anarchistische Zeitung aus Belgien
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Flugblatt: Nein sagen bringt nichts. Greifen wir an!

Folgendes Flugblatt wurde am vergangenen Samstag bei den Protesten gegen die Stadtaufwertung verteilt. Das PDF kann hier heruntergeladen werden.

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Nein sagen bringt nichts.
Greifen wir an!

 

Auch wir sind gegen die Prozesse, die aus dieser Stadt einen immer unbewohnbareren Ort machen. Gegen die polizeiliche Belagerung der Quartiere, die Überwachungseinrichtungen und die gefängnisähnliche Architektur. Gegen die „Aufwertungsprojekte“, die im Dienste der Wirtschaft und der Reichen, und auf dem Rücken der Armen durchgesetzt werden. Von der Weststrasse über die Europaallee bis zum Bau des neuen PJZ. Nur denken wir, dass „Nein“ sagen alleine nichts bringt, wenn es nicht auch mit einer aktiven und direkten Intervention verbunden ist. Aber was verstehen wir darunter?

Machen wir uns keine Illusionen. Mit den Protesten, die „Dissens bekunden“ und „Druck ausüben“ wollen, wurde noch nie eine wirkliche Veränderung erreicht. Das, was erreicht wird, sind höchstens einige Zugeständnisse, die sich diejenigen, die sich als Bosse unserer Leben und Umwelt aufspielen, erbarmen, uns zu geben. Um uns wieder ruhig zu stellen. Diese Zugeständnisse werden nur gegeben, insofern sie mit ihren Interessen vereinbar sind, das heisst, im Grunde nichts fundamentales verändern. Ansonsten lautet ihre Antwort schlicht und einfach: Repression.
Wenn wir gegen die Prozesse intervenieren wollen, die diese Stadt, in der wir leben, immer mehr nach dem einzigen Abbild des Kapitals und seiner Interessen gestalten (gewinnbringend, reibungslos, sauber, kontrolliert, funktional, tod…), dann sollten wir, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, diese Intervention nicht an irgendwelche Politiker delegieren, indem wir uns selbst auf die Rolle beschränken, „Druck auszuüben“. Dann müssen wir diese Intervention in unsere eigenen Hände nehmen. Genauso, wie wir unser ganzes Leben und die Welt, die man uns entreissen will, wieder in unsere eigenen Hände nehmen wollen. Und wie verhindert sich der Rausschmiss einer ganzen Strassenallee? Der Abriss unseres Wohnortes? Der Bau von neuen Gebäudekomplexen wie das PJZ oder die Europaallee, die, gegen uns gerichtet, eine grössere Kontrolle oder eine gewinnbringendere Bevölkerungsschicht in die Quartiere einführen wollen? Wenn wir auf nichts als unsere eigenen Hände vertrauen wollen?
Wir denken: durch die Verweigerung, die Sabotage und den direkten Angriff gegen die Interessen, die dafür verantwortlich sind! Indem wir den Schleier der Verantwortungslosigkeit herunterreissen, und bei denjenigen intervenieren, die diese Projekte der Vertreibung, der Ausbeutung und der Einsperrung realisieren und Profit daraus schlagen. Von den Bau- und Abrissfirmen, über die Architekten, bis zu den Politikern und Verwaltern. Sie sind es, die diese Stadtentwicklungsprozesse realisieren, bei ihnen ist es, wo sie gestört und verhindert werden können.

Auch hier dürfen wir uns keine Illusionen machen. Auch diese Mittel können die Projekte des Machtkolosses oft nicht effektiv verhindern (auch wenn wir denken, dass, im Gegensatz zu den Mitteln der Politik, viel eher die tatsächliche Möglichkeit dazu besteht), dafür aber findet eine wirkliche Veränderung statt. Diese Veränderung ist nicht ein realisiertes oder verhindertes Projekt, sondern sind die Beziehungen, die wir in einem solchen Kampf entwickeln. Die Beziehungen unter uns, durch Selbstorganisation, Solidarität und Komplizenschaft. Die Beziehungen zu uns selbst, durch die Wahrnehmung unserer Kraft als Individuen. Die Beziehungen zur Welt, durch die Ununterworfenheit und die Umwälzung der passiven Rollen, die uns aufgezwungen werden. Und diese Art von Beziehungen stehen im Gegensatz zum ganzen Funktionieren dieser Welt. Und nur in ihnen lässt sich eine Stärke entwickeln, der es schliesslich gelingen kann, die Welt, die uns aufgezwungen wird, wirklich umzustürzen. Das, was sich also wirklich verändert, wenn wir die Intervention gegen diese Projekte der Stadtentwicklung, sowie gegen alles, was uns unterdrückt, selber in die Hand nehmen, indem wir uns auf den Angriff stützen, ist, nicht mehr das Gefühl zu haben, als blosse umherschiebbare Spielsteine in einer aufgezwungenen Welt zu leben – und unserer Freiheit in der Revolte zu erproben.

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Zürich: Proteste gegen Quartieraufwertung

Gefunden auf indymedia.ch:Die Demonstranten zündeten einen Abfallcontainer an: Polizisten und Linksautonome an der Neufrankengasse. (28. Oktober 2012)

Ein kleiner Bericht zu den Protesten gegen die Stadtaufwertung vom vergangenen Samstag Abend:

„Gegen 20:30 versammelten sich etwa 150 Personen auf dem Vorplatz des Güterbahnhofs, dort, wo das neue Polizei und Justizzentrum gebaut werden soll. Relativ bald stellte sich die Polizei auf der nahen Brücke auf, um den Zugang ins Langstrassenquartier zu blockieren. Die Menge versuchte erst trotzdem, sich über die Brücke in Bewegung zu setzen, während einige Gegenstände auf die Beamten flogen, wurde aber von Gummischrott und Tränengas zurückgedrängt. Man begab sich auf die Hohlstrasse, wo an verschiedenen Wänden Sprayereien angebracht wurden (u.a.: „PJZ niemals – Sabotage, direkte Aktion!“). Auf der Hohlstrasse wurde eine Barrikade errichtet, die in Brand gesteckt wurde. Die Menge begann sich durch das Quartier zu begeben, und versuchte, über andere Brücken den Kreis 4 zu erreichen, was schliesslich auch gelang. Dabei kam es an einer Stelle zu einem kurzen Einsatz des Wasserwerfers, während bei anderen Gelegenheiten Polizeiwannen mit Steinen beworfen wurden, wobei einige Scheiben ihrer Autos zu Bruch gingen. Auch einge Baumaschinen verloren unterwegs ihre Scheiben. Schliesslich erreichte man die Bäckeranlage, wobei unterwegs mehrmals der Weg mit Kontainern und Behelfsmaterial versperrt wurde. Bei der Bäckeranlage löste sich der Haufen grösstenteils auf.
Im späteren Verlauf des Abens hielten sich weiterhin viele Leute in dem Langstrassenquartier auf, und an der Neufrankengasse fand ein Konzert auf offener Strasse statt. Dort wurden an verschiedenen Wänden Sprayereien angebracht, sowie die Schaufensterscheibe eines Kunstladens verschmiert (die Künstler sind stets die Speerspitze der Aufwertung und Verdrängung). Am späteren Abend kam es aufgrund einiger brennender Kontainer erneut zu einem kurzen Gummischrotteinsatz der Bullen.

Am nächsten Morgen lässt sich ausserdem feststellen, das auf dem Parkplatz vor dem Güterbahnhof bei etwa 10 Autos der SBB alle Reifen plattgestochen wurden. Die SBB verkaufte das Areal beim Güterbahnhof für das PJZ, sowie auch das Areal der Europaallee. Sie beteiligt sich an Gefangenentransporten und Ausschaffungen. Ausserdem wurde in Richtung Gleise eine grosse Sprayerei angebracht, an die ich mich aber nicht mehr erinnere.“

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Orbe (VD): Sechsfacher Gefängnisausbruch

Am vergangenen Wochenende, am Sonntag 21. Oktober, etwas nach Mitternacht, gelang es 6 Gefangenen der Haftsanstalt in Orbe, mit kleinen Löffeln und abgerundeten Messern die Türschlösser ihrer Zellen zu öffnen. Nachdem sie die Kameras verdekt haben, gingen sie durch den Gang zu einer Türe, die sie aufbrachen. Anschliessend haben sie die Fenster des Büros eingeschlagen, die ohne Gitter waren, um auf den Hof zu gelangen, wo Bewegungsmelder den Alarm auslösten. Die Polizei intervenierte schnell mit 23 Patroillen und einem Armeehelikopter. 4 der sechs Ausbrecher konnten leider wieder aufgeschnappt werden. 2 sind noch immer an der frischen Luft.

Quelle

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Genf: Russische Kirche verwüstet

Am Montag 15. Oktober zeigte sich die russische Kirche in Genf mit Blutroter Fassade. Mehrere Farbbeutel wurden offenbar früh Morgens auf ihre Fassade geworfen und Sprayereien auf dem Boden hinterlassen: „Revolutionäre Solidarität“, „Tod euren folternden Schranken“ [„grève vos barrières tortionnaires“], „Mordende Macht“, „Der soziale Frieden ist verdorben“.

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FERMENTO: Programm Oktober-November

Folgend das neue Programm für Oktober-November in der anarchistischen Bibliothek FERMENTO, an der Rosengartenstr. 10 in Zürich. Das Programm findet sich hier als PDF. Es enthält ausserdem eine Rezension des Buches von Zo d’Axa „Leben ohne zu warten“, und einen Artikel über Severino Di Giovanni, übersetzt aus der italienischsprachigen Zeitung „L’adunata dei Refrattari“ von 1931.

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– Abendessen (Gegen Spende)
Mi, 24. Oktober, Ab 20:00

– The Battle Of Algiers
Film; Aufstandsversuch in Algerien Mitte 50er gegen die französische
Kolonialmacht [Untertitel: Englisch]

Mi, 31. Oktober, Ab 20:00

– Diskussion über den Einladungstext und die Beiträge zum internationalen anarchistischen Treffen (Einladung und Beiträge sind im Fermento auffindbar)
Sa, 3. November, Ab 19:00

Bibliothek geschlossen!
Sa, 10. November,

– Diskussion ausgehend vom vergangenen anarchistischen Treffen
Sa, 17. November, Ab 19:00

– Abendessen (Gegen Spende)
Mi, 21. November, Ab 20:00

– Severino Di Giovanni
Präsentation über das Leben und die Ideen des Anarchisten; anschliessende Diskussion (ein Artikel dazu befindet sich auf der Rückseite)
Sa, 28. November, Ab 20:00

 

 Leben ohne zu warten

Zo d‘Axa

 

« Die autoritäre Gesellschaft ist uns verhasst, wir bereiten das Experiment einer freiheitlichen Gesellschaft vor.
Obwohl wir nicht wissen, was diese Gesellschaft uns bringen wird, wünschen wir uns diesen Versuch – diese Veränderung.
Anstatt in dieser veralteten Welt stecken zu bleiben, in der die Luft zu dick zum Atmen ist und die Ruinen einstürzen, als wollten sie im aufgewirbelten Staub alles verhüllen, beeilen wir uns, auch den Rest einzureissen. »

Zo d‘Axa

 

Dieses Buch, das 1895 in Frankreich zum ersten Mal publiziert wurde, kann als einfacher Augenzeugenbericht einer Epoche oder auch als kurzer autobiographischer Roman gelesen werden. Mit etwas mehr Bedacht jedoch, lassen sich darin einige Perlen, einige Ideen erkennen, die dazumals wie heute eher selten scheinen. In einer Zeit, in welcher der Anarchismus oft idealistische, manchmal fast schon religiös anmutende Charakterzüge annahm, hebt sich Zo d‘Axa, der Autor und Akteur dieser Geschichte, als Ketzer der anarchistischen Bewegung hervor, der sich hartnäckig weigert, sich auf den „Glauben“ an irgendeine abgeschlossene Theorie, an irgendeine rettende Zukunft zu stützen, um seine Revolte nur für die Gegenwart, für das Unmittelbare, für die « stolze Freude des sozialen Kampfes » zu leben. So schrieb er in der von ihm gegründeten Pariser Wochenzeitschrift „l‘Endehors“ [„der Ausserhalb-Stehende“]: « Weder einer Partei noch einer Gruppe zugehörig. Ausserhalb. Gehen wir – als Individuen, ohne den rettenden und blind machenden Glauben. Unser Ekel vor der Gesellschaft bringt keine unabänderlichen Überzeugungen hervor. Wir kämpfen aus Freude am Kampf und ohne den Traum einer besseren Zukunft zu träumen. Was geht uns das Morgen an, das erst in einigen Jahrhunderten sein wird? Was gehen uns die Grossneffen an! AUSSERHALB aller Gesetze, aller Regeln und aller Theorien – sogar der anarchistischen –, vom jetzigen Augenblick an, sofort, wollen wir uns unseren Gefühlen des Mitleids und des Zorns, unserer Wut und unseren Instinkten hingeben – mit dem Stolz, wir selbst zu sein »

Umgeben von einer anarchistischen Bewegung, die sich manchmal selbst in einem dichten Netz aus Dogmen, Vorschriften und Normen verwickelte, kommt Zo d‘Axa schliesslich zum Punkt, zu sagen: « Ich bin kein Anarchist ». Wie um zu sagen: wenn dies Anarchisten sind, dann kann ich es nicht sein. Eine Schlussfolgerung, zu der auch heute manche Leute gelangen können, in Anbetracht gewisser Ausdrücke des Anarchismus, die sich in Ideologien einsperren und sich kaum von der Tätigkeit von „Politikern“ unterscheiden. Aber sollte die Haltung eines Zo d‘Axas nicht gerade das Fundament des Anarchismus sein? Jene Haltung, die jede fixe Idee, jede abgeschlossene Theorie, jeden ideologischen Glauben hartnäckig zurückweist, um die eigenen Ideen und Praktiken in einer stetigen Spannung mit dem alltäglichen Leben, mit dem eigenen alltäglich geführten Kampf zu entwickeln und zu vertiefen?

Schon immer hat ein grosser Teil der anarchistischen Bewegung die Anarchie als Heilmittel für alle Übel der Menschheit hingestellt, als ein rettendes Reich voller Liebe, Glück und Gleichheit. Um es zu schaffen, die Massen davon zu überzeugen, ihnen zu folgen, sahen sich viele Anarchisten verleitet, die Revolution als ein erlösendes Licht darzustellen, das über der Welt aufgeht, als ein Jubel von Glückseligkeit. Zo d‘Axa hielt solche Versprechungen für Scharlatanismus und Marktschreierei. Er empfand nicht das Verlangen nach einem übergeordneten Ideal, das es zu erreichen gilt. Er weigerte sich, den Ausgebeuteten ein Paradies zu versprechen, das den Referenzpunkt des Willens bildet, auf die Realität einzuwirken und das Leben zu verändern. Der Antrieb für seine Revolte war schlicht und einfach der Abscheu gegenüber dem, was ihn umgab. Jedes Alternativprojekt einer gesellschaftlichen Organisation, die sich auf antiautoritäre Prinzipien stützt, war ihm also völlig fremd, denn: man kann nicht versprechen, und noch weniger halten, was man nicht kennt. Daraus folgt, dass auch die Art und Weise, wie er sich ausdrückte, bereitwillig ohne jene sozio-ökonomischen Analysen auskam, die einer gewissen Art von revolutionärer Propaganda so lieb ist, die objektive Bestätigungen, realistische Vorschläge und effiziente Resultate nötig hat.

Eine Welt ohne Herrschaft, in all ihren Ausdrucksformen, ist unmöglich vorauszusehen. Jeder Versuch, sie vorauszuplanen, würde darauf hinauslaufen, ein Ritual zu vollführen, um sich die Angst vor dem Unbekannten auszutreiben. Wie ein Kind in der Dunkelheit, dass laut singt, um sich Mut zu machen. Viele, die diese Gesellschaft untergraben wollen, sind daran gewöhnt, komplexe theoretische Gesellschaftsentwürfe zu konstruieren, um die Panik zu überwinden, die sie ergreift, wenn sie an ein Leben ohne all die Sicherheiten denken, welche uns die niederträchtigen Gewohnheiten von heute zu liefern vermögen. Aber bis zu welchem Punkt sind diese vorgeplanten Projekte eines gesellschaftlichen Wiederaufbaus nur das Echo des Gesangs des verängstigten Kindes? Oder schlimmer noch, inwiefern sind diese plausiblen, besonnenen und rationalen Projekte schlichte Köder, um die Zustimmung der Leute zu erheischen?

 Entgegen diesem „politischen“ Anarchismus, der so vernünftig mit dem „gesunden Menschenverstand“ argumentiert, hält Zo d‘Axa « [seinen] Enthusiasmus für eine grosse Sehnsucht offen ». Eine Bekräftigung, die man auch aus den Seiten des Endehors immer wieder herauslesen kann: « Die Aktion ist Schwester des Traumes ».  Denn verfällt ein Agieren, das keine Träume zu realisieren hat, so irrational sie auch seien, nicht zwangsläufigen in den tristesten Aktivismus? Genauso wie ein Träumen, das als Konsequenz daraus nicht bedeutet, zu agieren, in den plattesten Ästhetismus verfällt.

Muss nicht gerade diese Spannung zum Irrationalen die Triebkraft für jedes revolutionäre Bestreben sein, das nicht in der gegenwärtigen Realität stecken bleiben will? « Es gab in meiner Natur schon immer eine grosse Schwäche: Die Liebe für das Fantastische, für die aussergewöhnlichen und unglaublichen Abenteuer, für die Unterfangen mit unbegrenzten Horizonten und deren Resultat niemand voraussehen kann. » Ein tiefer Abgrund trennt eine solche Haltung von der Haltung des anarchistischen Syndikalisten Luigi Fabbri, der, wie immer gegen die Akte der individuellen Revolte polemisierend, « diesen Rausch nach neuen Dingen, diesen Geist der Gewagtheit, diese Begierde nach dem Aussergewöhnlichen, welche die überempfindlichsten Gemüter in den anarchistischen Reihen angetreiben hat » verurteilte, da « dies jene Elemente sind, die am meisten dazu beitragen, die Idee zu diskreditieren. »

Aber waren es nicht schon immer diejenigen, die – wenn auch alleine vorangehend – das versuchten, was unmöglich schien, alle Dogmen missachteten und sich von jener „grossen Schwäche“ für das Fantastische treiben liessen; waren es nicht schon immer eben diese „Ketzer“, welche neue Wege eröffneten?

« Leben und dieses Leben im hochmütigen Vergnügen des gesellschaftlichen Kampfes ertasten.
Das ist mehr als eine Laune des Geistes: es ist eine Wesensart – und zwar sofort.
Lange genug hat man die Menschen vorangetrieben, indem man ihnen die Eroberung des Himmels ankündigte. Wir wollen noch nicht einmal darauf warten, bis die ganze Erde erobert ist. […]
Und wenn einige auf dem Weg stehenbleiben, wenn es Menschen gibt, die nichts wachrütteln kann, wenn es zu Sklaven geborene Menschen, unverbesserlich heruntergekommene Völker gibt, dann um so schlimmer für sie! Verstehen heisst, voranzugehen. Und die Freude besteht darin, zu handeln. Wir haben nicht genug Zeit, um auf der Stelle zu treten: das Leben ist kurz. Individuell wollen wir den Stürmen entgegenlaufen, die uns fordern. »

 

 Dieses Buch kann im Fermento ausgeliehen werden .

 

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Der nachfolgende Auszug stammt aus der italienischsprachigen Zeitung “L’Adunata dei Refrattari”, die 1931, nach der Hinrichtung von Di Giovanni, einen langen Artikel veröffentlich­te, der von seinem Leben und seinem Kampf erzählte. Wir publizieren hier die Übersetzung eines Teils von diesem Artikel, um uns in der Präsentation weniger auf die historischen Fakten, und mehr auf die Ideen konzentrieren zu können, die Di Giovanni in seinen Artikeln entwickelte.

 

Severino Di Giovanni

Severino di Giovanni ist am 17. März 1901 in Chieti geboren. Von seiner Jugend weiss man wenig. Ein Gefährte, der uns aus Buenos Aires schrieb, sagte uns, dass er von klein an intelligent, lebhaft und unduldsam gegenüber der Familienautorität war, und dass ihn die Eltern für einige Zeit in eine Anstalt in Ancona brachten. Wo seine angeborenen Rebellionstriebe natürlich systematisch kultiviert werden mussten, um die Gestalt einer bewussten Revolte gegen die soziale Tyrannei anzunehmen.

Noch als junger Mann heiratete er Teresa Santini, von der er vier Kinder hatte. 1922 emigrierte er nach Argentinien, wo er wenig später als Schriftsetzer angestellt wurde.

„Wer sich an ihn erinnert, zur Zeit, als er noch nicht auf der Flucht war – schrieb der oben erwähnte Gefährte –, weiss, mit wieviel Leidenschaft er sich der Propaganda der anarchistischen Ideen widmete und erinnert sich gut daran, dass, wenn sein Temperament ungestüm war, die Liebenswürdigkeit seines Charakters ihn für alle zu einem willkommenen Gefährten und teuren Freund machte.“

 Am Tag nach seiner Verhaftung schrieb eine sozialistische Zeitung von Buenos Aires über ihn: „Heute spricht man von einem grossen, vierschrötigen Severino Di Giovanni, der eine aussergewöhnliche physische Kraft besitzt, elegant gekleidet ist… Damals war er eher schmächtig, mit dem müden Gesicht eines jungen Mannes, dem es nicht immer gelang, genug Geld für das Essen zusammenzukriegen. Er kleidete sich ziemlich nachlässig, niedriger denn ein gewöhnlicher Arbeiter: Jacke und Hosen, die den langen Gebrauch gleich auf den ersten Blick verrieten, ein Unterhemd, um den Oberkörper zu bedecken, ein Foulard um den Hals, eine schief sitzende Mütze und die klassischen proletarischen Zapatillas an den Füssen. Wie Al Capone sah er gewiss nicht aus. Mit regelmässigen Gesichtszügen, Blond mit kastanienbraunem Ton und mit leicht rötlicher Hautfarbe, hatte er nur in den Augen, die meeresblau waren, ein intensives, fast schon fiebriges Licht… Wir sahen ihn zum ersten Mal an den antifaschistischen Kundgebungen. Natürlich war er gegen alle politischen Tendenzen des Antifaschismus. Für ihn waren die Sozialisten, die Demokraten und sogar die Kommunisten dem Faschismus gleich. An die Kundgebunden ging er, um anarchistische Zeitungen und Revues zu verteilen und zu verkaufen, und manchmal um sein Uneinverständnis mit den Rednern zu äussern… Und da seiner Meinung nach der organisierte Antifaschismus der verschiedenen Tendenzen die Massen irreführte, begann er eines Tages mit der Herausgabe einer kleinen anarchistischen Zeitung namens „Culmine“. Diese schrieb, setzte und druckte er in den freien Momenten selbst, während er dem Schlaf die Stunden raubte.“

 Das erste Mal, dass er mit der Polizei etwas zu tun hatte, war 1925 bei der Jubiläumsfeier der Missgestalt von Savoyen. Die ganze koloniale Arroganz war im Colon Theater versammelt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt regnete es von der Höhe einer Galerie einen Schwarm von Flugblättern auf das Publikum hinab, in denen die Theorie der Schändlichkeiten des dritten Köngis von Italiens abgehalten wurde. Die faschistischen Schläger stürzten sich auf die Störenfriede mit der Absicht, handgreiflich zu werden. Aber sie traffen auf Di Giovanni und steckten einiges von ihm ein, woraufhin sie sich stattdessen damit zufriedengeben, ihn der Polizei auszuhändigen, die sich, da er aus legitimer Selbstverteidigung handelte, darauf beschränkte, seinen Namen im „Handbuch der Orden Social“ einzutragen.

„Culmine“ setzte ihre Herausgabe unterdessen fort und, wenn sie als litterarisches Werk keine grossen Ansprüche hatte, so erinnern sich die Gefährten daran, dass die Ideen in ihren Zeilen mit einer Leidenschaft und einer absoluten Ehrlichkeit, und mit einem Mut verteidigt wurden, die alles andere als gewöhnlich waren. Die Agitation für Sacco und Vanzetti; mit der Bewegung von grossen Volksmengen, die auf die Plätze strömten, drängte sie die Frage der aufständischen Aktion auf, deren Notwendigkeit Severino Di Giovanni offen verfocht. Die Attentate auf einige amerikanische Einrichtungen in Buenos Aires erzürnten die politische Polizei der Hauptstadt, die  nun begann, die Anarchisten ohne Unterlass zu verfolgen, besonders diejenigen, die sich, mit weniger Rücksicht auf sich selbst, exponierten. Und Di Giovanni war einer der ersten, die Zielscheibe der Festnahmen und Verhaftungen der Polizei waren. Im Mai 1928, infolge des Dynamitattentats gegen das italienische Konsulat in Buenos Aires, von der Polizei verdächtigt – die selbst Agostino Cremonesi verhaftete, aufgrund der blossen Tatsache, einige Zeit lang Verwalter der „Culmine“ gewesen zu sein –, von den anarcho-syndikalistischen Redakteuren der „Protesta“ offen denunziert, musste er sich auf die Flucht begeben.

Ab diesem Moment beginnt sich sein Leben mit der Legende zu vermischen. Von der sogenannten Zivilgesellschaft verbannt, akzeptierte er als Ganzes sein Schicksal und stürzte sich kopfüber in den Kampf, ohne Pardon zu geben noch darum zu beten. Seine Familie ist Zielscheibe der systematischen Verfolgungen der Polizei und er sieht sich gezwungen, sich von ihr zu lösen. Er begegnet neuen Zuneigungsbeziehungen, über welche die hinterlistige Reportage des Haferfutterjournalismus später mit sadistischen Skandalgelüsten spekulieren wird: „Sie eilten zur Mutter seiner Kinder, Teresa Santini, in der Hoffnung, ihr Anschuldigungen und Offenbarungen entreissen zu können, die sich eignen würden, die Schandkampagne, die die Presse gegen ihn führte, noch mehr zu vergiften – schreibt unser Korrespondent –, aber vergebens. Die Ehefrau hat erklärt, dass Severino, solange er nicht gezwungen war, sie aufgrund der Verfolgungen durch die Polizei zu verlassen, immer ein guter Ehemann für sie und ein guter Vater für die Kinder war, denen er auch während der Flucht, dann und in dem Masse, wie es ihm die Umstände ermöglichten, unablässig etwas von dem zukommen liess, was zum Leben erforderlich ist.“

Wagemutig bis zum Unwahrscheinlichen – fährt unser Korrespondent fort –, hat Severino nie auf jene hören wollen, die ihm rieten, vorsichtiger zu sein, sich aus Buenos Aires zu entfernen, oder immerhin an die eigene Unversehrtheit zu denken. Er wusste, mit welcher Verbissenheit die Polizei nach ihm suchte; er wusste, dass alle Beamten ein Photo von ihm in der Tasche trugen, welches von der Autorität breit verteilt wurde, aber er sorgte sich nicht darum. Er vertraute auf sich selbst, auf die eigene Kraft, auf den eigenen Mut, der Verwegenheit war, und er hörte nur auf die Stimme des eigenen Bewusstseins, das ihm, im Übermut seiner unbändigen Leidenschaft, die unaufschiebbare Notwendigkeit der Revolte und des Kampfes wiederholte, wenn die anarchistische Idee sich jemals unter den Menschen behaupten soll.“

Und sein Leben dieser letzten drei Jahren ist, wie im Übrigen sein ganzes kämpferisches Leben, eine beständige Bekräftigung. Er konnte keine mündliche oder journalistische Propaganda mehr machen. Aber er konnte noch schreiben. Und er schrieb mit der halben Welt, während er Initiativen lancierte, Buchherausgaben vorschlug, einige selber unternahm, wie die Herausgabe der „sozialen Schriften“ von Elise Reclus, die bis zur zweiten Ausgabe gelang und mindestens sechs davon umfassen sollte…

Und er kämpfte, während er das Leben jeden Tag in den schwierigsten Unterfangen herausforderte, im brennenden Nest seiner Verfolger selbst; während er seinen Namen, seine Ehrlichkeit selbst den Verleumdungen aller Gerichte exponierte, die seinen grossartigen Wagemut beleidigten. Und drei Jahre lang triumphierte er mit seiner blossen Kühnheit und mit der ehrlichen Leidenschaft seines Glaubens über alle Hinterhalte der Polizei und über alle Dolchstosse, die ihm der subversive Sanfedismus unerbittlich in den Rücken versetzte.

Der Staatsstreich vom 6. September hatte alle Oppositionen versprengt oder unterworfen. Die Militärdiktatur des General Uriburu war besonders gegen die Arbeiterbewegung unerbittlich. Zeitungen – eine Tageszeitung inbegriffen –, gewerkschaftliche, politische und kulturelle Organisationen wurden in wenigen Stunden verbannt und beseitigt. Die in Massen verhafteten Militanten wurden  deportiert, wenn sie von fremder Herkunft waren, auf die Grenzinseln oder an Bord der Kriegsschiffe verbannt, wenn sie einheimisch waren. Andere retteten sich mit dem Exil.

Von der revolutionären Presse, die bis wenige Tage zuvor noch aufblühte wie in keinem anderen Land auf der Welt, bleiben nur noch winzige, unregelmässig und ungewiss erscheinende Blättchen, um davon zu zeugen, dass der Glaube, der sich nicht ergibt, noch immer lebendig war. Von den Hunderten und Tausenden kämpfenden Arbeitern blieben nichts als kleine, auf der Flucht lebende Kerne übrig, des Morgens ungewiss, aber mehr denn je entschlossen, den Strafen des Kriegsgesetzes zu trotzen, das vom neuen Regime eingeführt und aufrechterhalten wird.

Unter diesen Kernen befanden sich, wie immer, wo es von den Worten zur Aktion überzugehen galt, Severino Di Giovanni, Paulino Scarfó und ihre Freunde; mehr denn je aktiv, mehr denn je entschlossen.

„Bis wenige Tage bevor er fiel – schreibt unser Korrespondent – wiederholte mir Severino Di Giovanni, dass es gar nichts anderes zu tun gäbe. Von dem Moment an, da einem jede Freiheit geraubt, die Ausübung der elementarsten Rechte versperrt, die Propaganda unserer Ideen in allen Formen verboten wird, während unsere Gefährten einer nach dem anderen verhaftet und abgeschoben, oder ins Gefängnis oder in die öde Tatenlosigkeit der Insel geschickt werden, bleibt uns nur etwas zu tun: uns zu bewaffnen und uns zu entschliessen, mit Gewalt die Rechte und die Freiheit einzufordern, die man uns abstreitet, mit der Aufopferung unseres Lebens, wo es nötig ist, aufzuzeigen, dass nicht alle Menschen sich ergeben, dass die Sache der Freiheit noch immer Verfechter hat, und dass die Anarchisten dem Kampf, der sich mit so viel Härte aufdrängt, bis zur letzten Konsequenz entgegenzutreten wissen. Seine Logik war eine gute Logik, an die er sich sein Leben lang treu hält“.

 Die Figur von Severino Di Giovanni enthüllt eine Natur, die zweifellos aussergewöhnlich ist. Um es zu schaffen, weiterhin an vorderster Linie zu bleiben, Herz und Geist einer erstaunlichen Bewegung von äusserst verschiedenen Initiativen, mussten für fast vier Jahre neben der unbezwinglichen Leidenschaft des Glaubens, eine ungewöhnliche Intelligenz und Schlauheit zusammenlaufen, um ihn zu unterstützen. Aber die Fantasie der Müssiggänger und die Arglist der Feinde, die daran interessiert sind, ihre eigene Unfähigkeit, sich des Unauffindbaren zu bemächtigen, zu entschuldigen, haben es geschafft, eine Legende um seinen Namen zu kreieren, die aussergewöhnlicher ist, als die Realität menschlicherweise sein könnte, indem sie Severino Di Giovanni, der so viele Jahre lang ihren hartnäckigen Fahndungen entkam, als eine fantastische Persönlichkeit mit übermenschlichen Eigenschaften von Allgegenwart und Unfassbarkeit hinstellten, am Kopf einer  nicht weniger fantastischen Bande von unbekannten Störern der Ordnung und der friedlichen Verdauungen der guten Bourgeoise. Natürlich hatte die Polizei in den Akten ihres Archives nichts gegen ihn in der Hand. 1925 wurde er verhaftet; ein zweites Mal 1927 nach dem Attentat gegen die City Bank, bezüglich dessen er jegliche Verantwortung abstritt und wieder freigelassen werden musste. Nie wurde er weder vor Gericht gestellt noch verurteilt. Ihm werden ferner das Attentat von 1928 gegen das Italienische Konsulat zugeschrieben, mehr aufgrund öffentlicher Fingerzeige, als aufgrund glaubwürdiger Zeugenaussagen; und die Ermordung von Montagna aufgrund einer angeblichen Aussage des sterbenden Montagna. Aber für die grosse Öffentlichkeit, die sich von der Polizeireportage der unterwürfigen Presse nährt, ist Severino Di Giovanni zum Helden einer endlosen Reihe von Verbrechen geworden, unter welchen zum Zeitpunkt seiner Verhaftung folgende erwähnt werden: Das Attentat auf das Konsulat von Italien (1928); die Attentate gegen die City Bank, die Boston Bank, die Kathedrale und die Ford Agentur; der Angriff gegen die Banco Provinciale di San Martin, jener der via Leandro N. Alen und gegen die Autobusgesellschaft „La Central“; die Ermordnung von Emilio Lopez Arango (1929), von Agostino Cremonesi und von Giulio Montagna; der Angriff auf den Kassierer der „Obras Sanitarias“ (3/10/1930) und jener auf die Firma Braceras; der Angriff auf die Banca di Avellaneda; der Überfallversuch auf den Zellenwagen, um Alessandro Scarfò und Gomez Oliver zu befreien (1930), die sich jedoch nicht darin befanden; die Dynamitattentate gegen drei Eisenbahnzentren des vergangenen Januars; und dann Vertrieb von Falschgeld, klandestinen Publikationen, etc.

Natürlich wird all diese Schuld in den Polizeiromanen der grossen Presse nicht nur ihm und persönlich zugeschrieben; sondern der „Bande“, deren angeblicher, absoluter und unnachgiebiger Chef er war. Was die „Bande“ betrifft, so war sie eine Gruppe von Menschen, die von einer tiefen Leidenschaft für die anarchistischen Ideen und von einem unbezwinglichen Willen angetreiben waren, den eigenen Wagemut und das eigene Leben herauszufordern, um ihr Aufkommen zu begünstigen. Und was den absoluten und unnachgiebigen Chef betrifft, so „ist das eine reine Legende – schreibt unser Korrespondent –, Severino Di Giovanni vereinte mit der wachen Intelligenz und mit dem Überzeugungsvermögen einen grossen Wagemut und die ungestüme Haltung, die den selbstsicheren Temperamenten eigen ist. Aber, dass er der „Chef“ einer Gruppe von Menschen sei, die ihm blind unterworfen und gehorsam sind, daran würde keiner von jenen, die seine Gefährten gekannt haben, überhaupt erst denken. Sie waren Menschen mit einem eigenen, hoch entwickelten Charakter und Bewusstsein, und sie mochten sich der Vernunft ergeben, nie aber sich im Schatten eines Befehls beugen. Sie waren, wie er, Anarchisten, und wenn sie zusammen agierten, so taten sie das nur, weil ihre Temperamente ähnlich waren, weil sie gemeinsam in der Wahl der Mittel und in der Vorstellung der Ziele übereinstimmten. Ihre Beziehungen waren beherrscht vom gemeinsamen intensiven anarchistischen Bestreben, das keine Hierarchien irgendeiner Art zuliess.“

„L‘Adunata dei Refrattari“,
Samstag 28. März 1931

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«Die Schönheit selbst liegt in der Vielfältigkeit der Aktivität. Meiner Ansicht nach, lebt das Individuum, das den Kampf zum Ziel und zum Ideal hat, auf blühende Weise. Heute gründet es eine Zeitschrift, Morgen macht es ein Buch, dann einen Artikel. Für die Ausführung dieser Projekte braucht es Mittel, und es enteignet jene, die unterdrückend und zu Unrecht besitzen. Dies ist das Individuum auf Kriegsfuss. Ein illegaler Bandit gegen legale Banditen.»

Severino di Giovanni

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Das Unvorhergesehene

Das Unvorhergesehenehttp://www.finimondo.org/sites/default/files/ed28aaa736755c714904e6220403ff43fad0aeed_m.jpg

Manchmal denkt man, dass es wirklich unglücklich ist, dass die „Referenz“-Revolution der Anarchisten diejenige ist, die sich 1936 in Spanien ereignete. Eine Revolution, die als wütende, entschlossene und bewusste Reaktion auf einen Staatsstreich begann. Eine Revolution, die auf eine grosse spezifische anarchistische Organisation zählen konnte, die ihrerseits die grösste Gewerkschaft des Landes beeinflusste. Eine Revolution, die den Eintritt der Anarchisten in die Regierung und ihre Akzeptieren der Militarisierung im Namen der Dringlichkeit der Dinge, der taktischen Notwendigkeiten gesehen hat. Drei Unglücklichkeiten, enthalten in einer einzigen Erfahrung, die dadurch, dass sie so oft als historisches Modell zur Schau gestellt wurde, in die Köpfe zahlreicher Anarchisten die Idee eingehämmert hat, dass die soziale Revolution: a) eine ihr zugrundeliegende, allem übergeordnete ideale Motivation braucht; b) eine quantitativ bedeutende Unterstützung der Bevölkerung braucht; c) einen gelenkigen und flinken Opportunismus braucht, der bereit ist, sich jedem Prinzip zu entledigen, das als zu sperrig betrachtet wird. Es ist wirklich unglücklich: dort, wo diese drei Elemente nicht vorhanden sind, oder wenn man auch nur eines von ihnen zurückweist, bleibt folglich für viele nur die Resignation oder der als privates Duell verstandene Kampf. Und dennoch…

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Zürich: Zwei Autos in Brand gesteckt

Polizeinews.ch: „Kurz vor 07.00 Uhr gingen Meldungen bei der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich ein, wonach an der Urdorfer- und wenige Minuten später an der Schäflibachstrasse je ein Personenwagen in Brand stehe. Die sofort ausgerückte Feuerwehr Dietikon konnte die beiden Brände schnell löschen. Trotzdem wurden zwei weitere Fahrzeuge durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen. An beiden Orten wurden Personen gesehen, die nach den Brandausbrüchen flüchteten. Vier Personen wurden verhaftet und nach der polizeilichen Befragung wieder auf freien Fuss gesetzt. Ein Zusammenhang mit den Brandstiftungen konnte nicht hergestellt werden.“

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Bern – Polizeipatrouille angegriffen

In Bern haben uns einige Individuen wieder einmal gezeigt, dass die Autoritäten nie unantastbar sind. Samstag Nachts um 00:25 warfen bei der Schützenmatte in Bern mindestens zwei Personen einige mit Farbe gefüllte Flaschen gegen ein vorbeifahrendes Patrouillefahrzeug der Kantospolizei. Am Fahrzeug entstand Sachschaden, eine der Seitenscheiben zerbrach. Die Angreiffer blieben unbekannt.

Quelle

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Res communis oder res nullius?

[Ein Text aus Italien]

Res communis oder res nullius?

Es ist bereits zu einem wiederkehrenden, unvermeidlichen, fast schon obsessiven Refrain geworden. In jedem Diskurs dringt es durch, in allen Debatten nimmt es Platz, überall wird es beigemischt. Wo immer es eine Situation von Kampf, ein Schimmer von Dissens, ein Funke von Konflikt gibt, könnt ihr sicher sein, dass irgendjemand damit anfangen wird, euch vom Gemeingut zu erzählen. Zu Beginn diente die Wiederausgrabung dieses Begriffs – der, wie wir bereits sehen konnten, von katholischer Herkunft ist – nur dazu, „natürliche“ Elemente wie das Wasser zu bezeichnen. Dann, kaum hatte jemand bemerkt, wie gut dieser Refrain funktioniert, wie gut er fähig ist, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und in der Hit-Parade der politischen Zustimmung aufzusteigen, hat sich sehr schnell alles in „Gemeingut“ verwandelt. Und etwas überall verbreiteten sich Bürgerkomitees und -wahllisten zu seiner Verteidigung.

Es ist der Bürgerprotest [ital.: Cittadinismo] in seiner Quintessenz, das heisst, die Rekuperation der subversiven Spannungen zu reformistischen Zwecken. Das, was uns umgibt, wird nicht mehr als die vergiftete, und daher zurückzuweisende Frucht eines schändlichen sozialen Systems wahrgenommen und präsentiert, das als solches zerstört werden muss. Heutzutage wird es vielmehr wahrgenommen und präsentiert, als handle es sich um einen Reichtum, der allen gehört und daher zu akzeptieren ist, der von einigen wenigen in Gefahr gebracht wird und darum beschützt werden muss. So ist man, mit kleinen Schritten, fast schon ohne es zu merken, durch den Kampf für das „Gemeingut“ von der Beschützung dessen, was uns von der Natur grosszügig geschenkt wird, zur Beschützung dessen übergegangen, was uns hassenswert vom Staat aufgezwungen wird. Weiterlesen

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Turin: über die Situation der beiden Kameraden, die für den Beinschuss von Adinolfi angeklagt sind

Am 14. September hat eine repressive Operation, die von der Staatsanwaltschaft von Genua infolge des Beinschusses gegen den Verwalter von Ansaldo Nukleare, Roberto Adinolfi, die ROS und die Dinos in mehrere Wohnungen stürmen lassen und zwei anarchistische Kameraden von Turin verhaftet, Alfredo und Nicola; Gegen Anna wird ermittelt, sie wird aber nicht eingesperrt. Die Medien sprechen von laufenden Hausdurchsuchungen in der Region von Cuneo, Pistoia und Bordighera.

Anscheinend befinden sich unter den Materialien der Untersuchung ein Film einer Videoüberwachungskamera, die die beiden eingesperrten aufnahm, als sie sich mehrere male zum Bahnhof von Genua begaben. Um die Photogramme aus einer Videoüberwachungskamera einer Bar zu erhalten, haben die Bullen anscheinend ein Programm für biometrische Kontrolle zur Gesichtserkennung auf die gewissen Aufnahmestunden von öffentlichen und privaten Kameras angewendet. Weiterlesen

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Italien – [Plakat] Hörst du?

[Aktualisiert: Der letzte Abschnitt des Plakates wurde vergessen und jetzt hinzugefügt]
[Der Originaltext dieses Plakates das vor kurzem in Italien erschien, findet sich hier]

Hörst du?

Es gibt keine Flucht aus der Realität. Diese totale Realität, die sich für endgültig hält, und die versucht, jeden Unterschied und jede  Abweichung gegenüber der einheitlichen Richtung, die von der politischen und ökonomischen Macht aufgezwungen wird, zu verhindern. Diese Realität, die jeden Winkel des Lebens mit Kontrollstellen und Überwachungskameras, Alarmsirenen und Sicherheitslimiten heimgesucht hat.

Aber diese elende Welt, aus der wir nicht ausbrechen können, ist dabei, vor unseren Augen zu zerfallen. Und wenn sich die Luft mit Spannungen füllt, dann reicht ein kleiner Funke, um eine Explosion auszulösen. Dies ist, wieso der Staat heute gezwungen ist, einen jeden niederzuschlagen, der ihn angreift, in einigen Fällen sogar jene, die es mit Mühe wagen, ihm für seine schlechte Verwaltung Vorwürfe zu machen. Denn jeder Protest, und sei er noch so banal, ist ein Zündholz, das sich entflammt. Und keine Regierung, keine Partei ist imstande, den Wind zu kontrollieren.

Die Antwort des Staates wurde am 13. Juni mit der Operation Ardire gegeben, ein weiteres Mal, und anschliessend mit neuen Untersuchungen: dutzende Anarchisten verhaftet, unter Ermittlung, durchsucht. Eine Mahnung für alle, denn die Köpfe müssen gesenkt, die Münder müssen geknebelt, die Augen müssen verschlossen werden. Aber es ist eine Warnung, der wir nie Achtung schenken werden. Unter den Gefangenen dieser Welt ziehen wir Kraft aus der Nicht-Teilnahme, aus der Desertation, aus der Enthaltung gegenüber allen Verpflichtungen, zu denen wir aufgerufen werden, aus dem permanenten Konflikt mit den Institutionen. Und wir werden weiterhin verfechten, dass man, wenn man dieser Realität nicht entfliehen kann, sie jedoch in ihren unzähligen Ausdrucksweisen angreifen kann. Alleine oder in Begleitung, am Trage oder in der Nacht, mit Taten oder mit Worten.
Hörst du? Der Wind wird lauter…

„In Wirklichkeit muss man sich nicht unbedingt als Anarchist fühlen, um von all den bevorstehenden Zerstörungen verführt zu sein. All jene, welche die Gesellschaft im tiefen Innern ihres Wesens geisselt, verlangt es instinktiv danach, durchdringende Revanchen zu nehmen. Tausend Institutionen der alten Welt sind mit einem verhängnisvollen Zeichen markiert“.
Wir brauchen nicht auf weit entfernte, bessere Tage zu warten, wir kennen einen sicheren Weg, die Freude schon heute zu ergreifen:
LEIDENSCHAFTLICH ZERSTÖREN!

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Italien – [Plakat] Mit den Füssen gut auf die Wolken abgestützt

[Ein Plakat das am 1. September 2012 im September gekleistert wurde. Es wurde verfasst, bevor die jüngste repressive Operation, „Thor“ in Ravenna ausgetragen wurde. Eine Kopie des italienischen Textes findet sich hier das Plakat als PDF hier]

Mit den Füssen gut auf die Wolken abgestützt

Wenn der Sturm tobt, schauen einige mit Mut und Leidenschaft nach vorne, unterstützt von der Kraft ihrer eigenen Ideen. Vor ihnen zeichnet sich eine Welt ohne Ausgebeutete noch Ausbeuter, ohne physische noch moralische Käfige ab, und diese Freiheit, die wünschen sie sich nicht nur für sich, sondern auch für all jene, die sich, mit geöffneten Augen und mit den Füssen auf dem Boden, über die alltägliche Sklaverei bewusst sind, die sie umschliesst. Dies sind die Anarchisten, oft verunglimpft und eingesperrt; sie wünschen sich hier und jetzt die Utopie eines Lebens, dass es verdient, gelebt zu werden.

Dies ist die Gefährlichkeit, die sie auszeichnet, wegen der sie vom Staat verfolgt und des Terrorismus beschuldigt werden. Als Ununterworfene sind sie nicht bereit, sich selbst zu vernichten, sich und ihren Geist, für den Konsum von Waren oder das Leben einer virtuellen Realität vor dem Computer. Sie beharren darauf, zu kommunizieren, zu schreiben und sich zu erzählen, gegen das zu revoltieren, was sie für intolerabel halten: eine Umweltverwüstung, eine Todesfabrik, die entfremdende Arbeit, ein Gefängnis.

In diesen vergangenen Monaten kam es zu unzähligen repressiven Operationen des Staates gegen Anarchisten und Rebellen. Die jüngsten wurden im Schatten des allzu berühmten Artikels 270bis durchgeführt: „Vereinigung mit dem Zweck, die demokratische Ordnung zu untergraben“. Ein Artikel, der es ermöglicht, die Unerwünschten der Macht für einige Zeit wegzuschliessen. Ein Artikel, der in drei verschiedenen richterlichen Operationen eingesetzt wurde: die Operation „Ardire“, die Operation „Mangiafuoco“ und bis zur letzten gegen die Gefährten von Trentino. Es gibt momentan zwölf Eingesperrte, dutzende Gefährten, gegen die Ermittelt wird und bei denen Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden. Dem muss man die Repression  gegen gewisse No-TAV anfügen, die gegen die Verwüstung des Val Susa kämpfen und die definitive Verurteilung einiger Gefährten zu sehr schweren Strafen für die Ereignisse in Genua 2001. Ein Versuch des Staates, jene zu dezimieren, die in das Feuer der Rebellion blasen. Ein Exempel gegen all jene, die den Kopf heben wollen. Eine Kräftedemonstration der Herrschaft, die sich immer im Krieg befindet, die alle jene wie Feinde behandelt, die sich ihren Ausbeutungs- und Akkumulationsplänen entgegenstellen.

Was bleibt also zu tun? Es bleibt der Wille, dieses tödliche und ungerechte Bestehende zu bekämpfen. Es bleibt die Entschlossenheit von jenen, die kämpfen, um die Kette der Normalität zu durchbrechen, die das Leben von allen und jedem erstickt. Es bleiben die Ideen, die Sprengkapseln, die es gegen den Totalitarismus des einheitlichen Denkens zu zünden gilt. Es bleiben die Kämpfe, die es immer weiter zu führen gilt, jeder mit den Mitteln, die ihm am besten entsprechen. Es bleibt die Solidarität mit den Gefährten und allen Rebellen.

Freiheit für alle.

Anarchisten

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Basel – 3 Ausbruch aus dem Gefängnis Waaghof

http://www.20min.ch/diashow/54684/54684-9WSIUJVyqPT7orO1psJ1mQ.jpgAm 19. August sind in dem Basler Waaghof drei Häftlinge ausgebrochen, indem sie durch die Decke ein Loch zu einer angrenzenden Wohnung schlugen, und sich durch dieses davonmachten. „Nachdem sie zwei Mauern durchbrochen hatten, landeten die Männer in einem Leitungsschacht, danach trennte sie nur noch eine dünne Gipsdecke von Sutters Wohnung. […] Die Männer wuschen sich in seiner Wohnung, zogen sich um und liessen 400 Franken sowie einen Blazer mitgehen.“ „Genau den gleichen Weg führte bereits 2003 zwei Insassen in die Freiheit.“

Die drei befinden sich noch immer an der frischen Luft!

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Solothurn – Brand in Zelle

Wie aus einem Polizeibericht hervorgeht, wurde ein 44-jähriger Türke nach einigen Monaten Ermittlungen nun angezeigt, am 31. Mai 2012 im Untersuchungsgefängnis Solothurn in seiner Zelle ein Brand entfacht zu haben. Solche Meldungen von individuellen Revolten in den schweizer Gefängnissen dringen meisten kaum nach draussen, dennoch scheinen sie sich, gemeinsam mit den Ausbrüchen, in letzter Zeit zu häufen.

Quelle

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[Provisorische Broschüre]: „Stein für Stein – Kämpfen gegen das Gefängnis und seine Welt (Belgien 2006-2011)“)

ansichtsbildAnlässlich der in der anarchistischen Bibliothek FERMENTO stattfindenden Vorführung eines Kurzfilmes und der Vorstellung eines Buches über den in Belgien geführten Kampf gegen das Gefängnis und seine Welt, wurde folgende Broschüre fertiggestellt. Sie kann hier heruntergeladen werden.

Text der Rückseite:

„Fünf Jahre Unruhen in den belgischen Gefängnissen. Fünf Jahre Revolten, Meutereien und Ausbrüche. Fünf Jahre Agitation, Aktionen und Angriffe gegen das Gefängnis und seine Welt. Fünf Jahre Schmerzen, Isolierung, Strafen, Prügel und auch Tote. Fünf Jahre Worte, die auf die Freiheit hindeuten und die notwendige Zerstörung von allem, was ihr im Weg steht, als Konsequenz aufstellen. Fünf Jahre ohne geradlinige Flugbahn, ohne andere Logik, ohne anderen Rhythmus als die Pulsierungen des Lebens selbst und des Kampfes für die Freiheit, zu dem es anregt. Dies wird also zwangsläufig nur ein Versuch sein, die lebendige Kraft zu teilen, diese aus Fleisch und Knochen gebildete Kraft. Sie, die so viele Gefangene von drinnen wie draussen, so viele Gefährten, so viele Unbekannte und Anonyme ermutigt hat, gegen die Gefängnisbestie anzukämpfen.“

Folgend der Inhalt der Broschüre: Weiterlesen

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[Bern] – Ein Illegaler versucht sich im Gefängnis umzubringen

„In einer Zelle der Wache Waisenhaus in Bern ist am Freitag ein Mann bewusstlos aufgefunden worden. Er hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. Der Mann war am Freitag, 17. August 2012, kurz nach 0100 Uhr von der Kantonspolizei Bern in der Stadt Bern angehalten und kontrolliert worden. Dabei stellte sich heraus, dass der Mann aus Nigeria sich rechtswidrig in der Schweiz aufhält. Er wurde in Folge auf die Wache gebracht und für weitere Massnahmen in Polizeihaft genommen. Als der Mann am Freitagmittag verpflegt werden sollte, reagierte er nicht. Schliesslich fanden ihn Polizisten bewusstlos in der Zelle vor. Er hatte versucht, sich mit einem Bettlaken das Leben zu nehmen.“

Quelle

 

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[Basel] – Drei Ausbrüche aus dem Untersuchungsgefängnis Waaghof

20. Aug., Polizeinews.ch: „Im Laufe des Sonntagnachmittags konnten drei Insassen des Untersuchungsgefängnisses Waaghof flüchten. Es handelt sich dabei um zwei Serben und einen Slowenen im Alter zwischen 33 und 37 Jahren, die alle seit einigen Monaten wegen Raub- beziehungsweise Drogendelikten in Untersuchungshaft sitzen. Die drei Männern drangen in der Zeit zwischen Sonntagmittag und etwa 17.30 Uhr von der Gemeinschaftswaschküche über einen Schacht zur Wand zu einem Nachbarhaus vor, brachen diese durch und gelangten von dort in die Innere Margarathenstrasse.“

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