Gestern, am Samstag 19. Mai zog eine Gruppe von etwa 40 Personen durch das Langstrassenquartier, um „Solidarität mit der sozialen Auflehnung in Griechenland“ auszudrücken, wie auf einem getragenen Transparent lesbar war. Die Gruppe zog um ca. 14:30 von der Josefswiese aus los, durch die Josefstrasse, entlang der Langstrasse bis zum Kanzleiareal. Unterwegs wurden 2 verschiedene Flugblätter verteilt und Plakate gekleistert. „in Griechenland wie hier: Rebellieren wir!“, „Gute Regierung gab es noch nie, es lebe die Freiheit und die Anarchie“, „Freiheit ist der Same den man sät, kämpft man gegen jede Autorität“, „Der Weg der Freiheit endet nie, das bedeutet für uns Anarchie“, „Gegen die banken, gegen das Geld, für eine herrschaftsfreie Welt“, und ander Parolen wurden gerufen. Es dauerte kaum 5 Minuten und auf Höhe der Langstrassen unterführung zog der kleine Haufen schon einen Rattenschwanz von 5-7 Polizeivans und -autos vor und hinter sich her. Es kam zu einem kurzen Spurt durch die Langstrassenunterführung. Der beste Moment war wohl, als etwa 100 Meter vor dem parolen-schreienden Haufen, und wohl davon ermutigt, eine Frau vor einem Polizeiauto vorbeitanzte, kurz auf dessen Haube sprang und ihm dann einen Tritt versetzte, um zu zeigen, was sie von der Autorität der Bullen hält. Diese letzteren versuchten sich wiederholte Male halbpatzig in den Weg zu stellen, ergriffen jedoch nie konkrete Massnahmen. Auf dem Flohmarkt auf dem Kanzleiareal löste sich der Umzug auf, wo dann noch Flugblätter verteilt wurden.
Foldend die verteilten Flugblätter und das Plakat.
Das Flugblatt kann hier als PDF heruntergeladen werden.
Von der Geschichte des Widerstands in Griechenland…
Bereits in Zeiten des zweiten Weltkrieges formten sich in Griechenland starke Widerstandsgruppen, welche die italienisch-deutschen Besatzungsmächte zu verteiben mochten. Es folgte ein Bürgerkrieg in dem sich rechte und linke bewaffnete Truppen gegenüberstanden, was in einer von den Briten unterstützten, rechten, konstitutionellen Monarchie endete. Nach dem Putsch des Militärs 1967 regierte dieses in Form einer Diktatur, bis es 1973 unter anderem durch Revolten dazu gezwungen wurde, eine parlamentarische Demokratie zu errichten. Die rechten Strukturen blieben erhalten, die Proteste breiter Teile der Bevölkerung hielten ebenfalls an. 1981 kam die „soziale Partei“ PASOK an die Macht, was die Institutionalisierung eines grossen Teils der linken Bewegungen mit sich brachte. Trotzdem (oder deshalb?) kam es seitdem immer wieder zu Unruhen und Revolten verschiedenster Bevölkerungschichten in Griechenland. Grösstenteils wurden diese ausgelöst von Umstrukturierungen der Regierung oder von Morden seitens der Polizei. In jedem Fall blieb ein tiefes Misstrauen der Regierung gegenüber bestehen, was sich auch in der stark verbreiteten Selbstorganisierung (z.B. Stadteilversammlungen) und Widerstandsbereitschaft (durch Streiks, Strassenkämpfe und ähnliches) ausdrückt.
…zum Wiederstand heute
Am Samstag dem 6. Dezember 2008 wird in Athen der 15jährige
Alexandros Grigoropoulos (Alexis) auf offener Strasse von Bullen erschossen. Eine Stunde später beginnen die ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei, welche in den darauf folgenden Wochen zu grossen Stassenkämpfen in verschiedenen griechischen Städten anwachsen. Es werden Schulen, Universitäts- und Amtsgebäude besetzt und Banken, Polizeigebäude, Firmen, Ämter, Geschäfte, Autos, Kameras, …
kaputtgeschlagen, geplündert und angezündet. Offiziell waren die Riots nach drei Wochen vorbei, das Land kam aber seither nie mehr ganz zur Ruhe.
Die schon länger schwelende Staatsschuldenkrise, welche 2010 offen zum Vorschein kam, stachelte die Unruhen weiter an. Seither gab es mehrere (General-)Streiks, unzählige Strassenkämpfe, Besetzungen, grosse Versammlungen, Konfrontationen mit der Polizei und es wurden weiterhin Symbole der Macht angegriffen, geplündert oder zerstört.
Überall in Griechenland ist Widerstand zu spüren. Immer mehr Menschen haben genug davon passive Fernsehkonsumenten zu sein, sich der täglichen Lohnsklaverei zu beugen und die Verwaltung ihres Lebens an Leute ohne Gewissen zu übertragen.
Von Griechenland – die ganze Welt
Wer die Geschichte des Widerstandes in Griechenland liest, spürt die Energie die sich dort ansammelt, die Kraft zum Kampf. Und wer die Geschichte der Welt ansieht, sich der Unterdrückung und Ausbeutung aller Lebewesen und des Planeten selbst, bewusst wird, versteht, dass es diese Kraft zum Widerstand überall gibt, dass es nur darum geht, sie (in sich) zu wecken und gegen die Mächtigen und Herrschenden zu richten.
Die Ausbeutungsverhältnisse mögen hier in der Schweiz weniger offensichtlich sein als in Griechenland, die Herrschaftsstrukturen, die ihre Grundlage bilden, sind jedoch die Selben. Das Elend drückt sich weniger in materieller Not als in emotionaler Leere aus. Die Geschichte des Widerstandes scheint schwächer zu sein, dessen Kraft steckt jedoch in uns allen. Die Staatsgewalt, so sehr sie auch versuchen mag, sich in ein demokratisches Kostüm zu zwängen um den sozialen Frieden zu bewahren, wird auch hier immer wieder zu den offenen Formen der Gewalt zurückkehren. Denn den sozialen Frieden gibt es nur in der Vorstellung jener, die nicht verstehen können, dass die heutige Realität in ihren Strukturen immer den Zustand der Autorität, Überwachung, Kontrolle, Disziplin und der Vernichtung der Unliebsamen enthält.
Die ökonomische Ideologie versucht uns davon zu überzeugen, dass der heutige Zustand eine Notwendigkeit sei, das einzig Mögliche – so selbstverständlich wie Sonne und Mond. Aber es kann doch nicht sein, dass wir unsere ganze Energie dafür aufbringen, eines Tages ein schönes Haus zu haben, ein Auto, einen guten Job, einen hübschen Mann, um dann zu denken: Na gut, und jetzt? Wir Menschen sind doch mit so vielen Möglichkeiten ausgestattet, das es nur traurig wäre, all unsere Fähigkeiten darauf zu verwenden, zu konsumieren, reich und alt zu werden. Die einfache Tatsache leben zu wollen (und nicht bloss zu Überleben) beinhaltet bereits den Widerstand gegen das Bestehende. Denn wer nur schon unvergiftete Nahrung essen möchte, muss den Kapitalismus als Gesammtes bekämpfen. Und wer freie Beziehungen ausleben möchte, muss sich jeglicher Autorität gegenüberstellen. Wer die Freiheit will, kann nur die Freiheit aller wollen.
Von dieser Welt in eine ganz andere
Wenn wir uns einig sind, dass die momentanen Umstände unhaltbar sind, müssen wir unser Leben selbst in die Hand nehmen und aufhören unsere Hoffnungnen auf „kluge Anführerinnen“ oder „fähige Vertreterinnen“ zu übertragen. Wir müssen unsere Angst besiegen und die Wut überfliessen lassen, die nicht aufhören will, von Innen an unsere Stirn zu pochen. Wir müssen unsere Stimme gegen die andauernde Unterdrückung erheben, uns treffen, miteinander reden, zusammen entscheiden und handeln. Wir müssen uns spontan und unter eigenen, ungreifbaren Bedingungen organisieren, dann sind wir unkontrollierbar und können nicht aufgehalten werden. Wir müssen einen klaren Trennstrich ziehen, zwischen jenen, die die Macht füttern, sie aufrecht erhalten und verteidigen, und uns, denen, die sie bekämpfen. Wir müssen unsere Hände und Wünsche bewaffnen um das zu beseitigen, was uns daran hindert ein zauberhaftes Leben zu führen.
Es ist unwichtig, wer wir sind, wenn wir auf die Strasse gehen, es ist wichtig wer wir werden. Die Gründe, welche uns dort hin führen, mögen verschieden sein. Doch in dem Moment, indem wir zusammenkommen und gemeinsam handeln, wird etwas Neues geschaffen. Durch unsere Entscheidungen, durch die Begegnungen und die Momente des Angriffs, die Wut und den Widerspruch, die unerschöpfliche Leidenschaft, verwandelt sich die Stadt in ein Feld der Experimente, wo alles möglich wird:
Die Schaffung eines neuen Zusammenlebens, anstelle der Reproduktion des Herrkömmlichen;
die Zerstörung dieser Welt und die Schaffung anderer Werte.
Das ist die Schönheit des Aufstandes.
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Folgend der erste Text des Faltblattes, der auch auf dem gekleisterten Plakat ist. Der Zweite wurde in Zürich bereits nach der Revolte vom 12. Februar verteilt und auch der dritte, den einige Gefährten aus Italien verfassten, wurde zu diesem Zeitpunkt schon übersetzt. Dazu kommt eine Spalte mit Ereignissen und direkten Angriffen nach dem Februar.
Solidarität mit der sozialen Auflehnung in Griechenland!
Wenn wir von den wiederholten Revolten in Griechenland hören, erfüllt uns das mit Freude und Mut. Wenn wir hören, wie sich Menschen auflehnen, um sich zu befreien, um sich gegen die Autoritäten zu wehren, in denen sie die Ursache ihrer Armut und Unterdrückung erkennen, können wir mit dieser Auflehnung nur Solidarität empfinden. Und wir sind überzeugt, dass wir nicht die einzigen sind, denen es so geht. Viele jener, die sich von dieser Welt ebenfalls erdrückt fühlt, werden diese Empfindung teilen können. Aber was bedeutet diese Solidarität? Wenn wir die Revolte unserer griechischen Gefährten teilen, bedeutet dann Solidarität nicht, diese Revolte weiterzutragen, auch hierhin, wo wir leben?
Grosse Bergmassive und breite Flüsse, weite Ebenen und die verbrannte Erde von Ex-Jugoslavien trennen uns von Griechenland. Aber stehen die Revoltierenden dort unten wirklich einer so anderen Welt gegenüber? Die Bullen und Politiker, ob sie nun offensichtlich korrupt, oder heuchlerisch „korrekt“ auftreten, sind so oder so Autoritäten, die sich anmassen, über unsere Leben entscheiden zu können. Die Banker und Bosse, ob ihre skrupellose Ausschlachtung der ärmeren Schichten nun offen darliegt, oder noch unter dem Deckmantel einer „klassenübergreifenden Gemeinschaft“ funktioniert, sind so oder so Ausbeuter, die uns die Lebenskraft aus den Adern saugen. Ob es nun überwiegend das materielle Elend oder das emotionale Elend ist, was uns das Leben vermiest, es ist immer dieselbe Unterteilung in Privilegierte und Ausgeschlossene, Mächtige und Unterdrückte, die das Funktionieren dieser Welt bestimmt. Dort wie hier verunmöglichen uns die Institutionen dieser Gesellschaft ein Leben, das allen den gleichen Wohlstand und die gleiche freie Entfaltung gewähren könnte.
Wenn wir uns nicht einfach nur mit ein bisschen mehr Freiheit zufriedengeben, sondern die ganze Freiheit geniessen wollen, ohne Kompromisse, dann gibt es hier in der Schweiz nicht einen Grund weniger, sich aufzulehnen, wie dort unten in Griechenland. Dann gibt es nichts, was uns von den griechischen Gefährten trennt, und die falschen Unterscheidungen vonwegen „hier ist doch alles ganz anders“ verschwinden in einem gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Regierung – für die grenzenlose Freiheit…
Für die soziale Revolution!
Gegen jede Form von Regierung!
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folgend eine Chronologie von Ereignissen seit dem Februar:
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