Frankreich, Notre-Dame des Londres: Immer schneller, immer weiter [Flugblatt]

In Notre Dame des Landres, in der Nähe der französischen Stadt Nantes findet seit einiger Zeit ein Kampf gegen den dortigen Bau eines neuen Flughafens statt. Vergangenen 27. Juli kam es zu einer Demonstration und Besetzung auf dem Flughafengelände, wobei es zu Verwüstungen von Teilen der Einrichtung und zu Konfrontationen mit der Polizei kam. Während der letzten Monate sind wiederholt Baumaschinen und Büros von Firmen angegriffen worden, die in diesem Projekt kollaborieren.

Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Französischen eines Flyers gegen dieses Flughafenprojekt, der sich inhaltlich an ein Flugblatt anlehnt, das im März 1998 während der Anfänge des Kampfes gegen des Projekt eines Hochgeschwindigkeitszuges im Val Susa, Italien geschrieben wurde. Er ist also eine schöne Verbindung zwischen Kämpfen, die sich an verschiedenen Ecken der Welt gegen dieselbe Entfremdung und Unterdrückung durch den Fortschritt des Kapitalismus wenden.

Immer schneller, immer weiter

In diesem Ecken der Welt will man uns den Bau eines neuen Flughafens aufdrängen. Einen grossen, einen schönen, ganz ökologisch und neue Stellen schaffend, den Arbeitsmarkt belebend, ein Stolz des « grossen Westen ». Ein Flughafen! Ja, aber um was zu tun? Die Freude des Reisens, als ein Abenteuer und eine Entdeckung, ist eine Sache. Die Notwendigkeit, sich so schnell wie möglich fortzubewegen, ist eine andere. Flugzeuge, TGV und Autobahnen sind nichts anderes als eine Antwort auf diese falsche Notwendigkeit: Jene, den grössten Raum in kürzester Zeit zu durchqueren.

Von welchem Raum und von welcher Zeit sprechen wir? Zack zack von Nantes nach Berlin von Berlin nach Nantes, festgekrallt an seine 24 Stunden, wird jeder am Ankunftsort das selbe Cola, das selbe Sandwich und die selbe Langeweile vorfinden, wie am Abfahrtsort. Mit dem Flugzeug ist es möglich, die selbe Langeweile, das selbe Sandwich und das selbe Cola in 5 Stunden zu erreichen, anstatt in zwölf, anstatt in hundert. Wohlbemerkt also! Dies ist der Fortschritt, der uns vor Bewunderung den Mund offen lassen soll? Man präsentiert uns den Zeitgewinn als ein menschliches Bedürfnis, das jeder befrieden können müsse, doch wieso und für wen Zeit gewinnen? Ist die Zeit ein Besitz, den man gewinnt oder verliert, und der Raum eine neutrale Weite, die es zu bezwingen gilt?

Es geht hier nicht nur um Arten, sich fortzubewegen, sondern um den eigentlichen Rhythmus unserer Leben: eine Anhäufung von aneinandergeklebten Momenten, ein schnelles und zwangsbedingtes Rennen. Denn man hat keine Zeit, man muss arbeiten, produzieren, immer schneller, damit die kapitalistische Maschine läuft und läuft. Und welcher Platz bleibt den Gedanken, den Wünschen oder Handlungen, die keine Waren sind, die nicht kalkulierbar sind?

Dies ist also unser Leben? So scheint es wohl. Paradoxerweise scheint es so, dass, als jeder Augenblick dem anderen gleich wurde, als jeder Ort identisch wurde, die Tatsache der möglichst schnellen Fortbewegung zur Errungenschaft wurde. Schliesslich war man nie so verloren wie mit dem GPS: man weiss, wohin man geht, doch man weiss nie, wo man sich befindet. Das selbe mit dem Flugzeug oder der Metro: man steigt an einem Ende ein, man steigt am anderen wieder aus, und zwischen den beiden, nichts! Eine Art Teleportation.

Man wird Gebüsche plattmachen, um in Notre Dame des Landres zu betonnieren. Man wird die Wälder niederreissen, man wird die Gärten verwüsten. Man wird Leben vertreiben, fortbewegen – als ob ein Boden einem anderen gleichwert wäre. Man wird Schadensersatz erbringen – als ob die Verwurzlung an einem Ort in Geld zu bemessen wäre. Das stimmt, aber es gibt noch mehr. Die Hochgeschwindigkeits-Fortbewegungsmittel sind nicht nur ein Angriff gegen das Leben einiger Wälder, sondern ein Angriff gegen die Bedeutung des Lebens selbst.

Was uns betrifft, wir werden sie diesen Flughafen nicht in aller Ruhe bauen lassen. Nicht weil das Abbrechen von diesem oder jenem schädlichen Projekt die Dinge grundlegend ändert, sondern in der Hoffnung, dass dies dazu beiträgt, die kapitalistische Maschinerie und die Welt, die sich daraus ergibt, zu bekämpfen.


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