Vom Ernten toter Elefanten – Die falsche Opposition der Animal Liberation (Seite 2)

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Mach es einfach: Die AktivistIn

Ich glaube fest daran, dass wir alles daran setzen müssen, das Leiden und Sterben so schnell und so effeizient wie möglich zu beenden. Wenn wir alle soviel tun wie wir können, WIRD das 21. Jahrhundert die Befreiung der Tiere bringen. – Anonym [9]

Die angeblich revolutionäre Aktivität der AktivistIn ist stumpfe und sterile Routine – die kostante Wiederholung einiger weniger Handlungen ohne jedes Potential zur Veränderung. – Andrew X. “Give up Activism”

AktivistInnen spielen eine besondere Rolle in unserer Gesellschaft. Ebenso wie KünstlerInnen die SpezialistInnen für Kultur sind, sind sie die SpezialistInnen für sozialen Wandel. Diese Spezialisierung separiert eine Gruppe von Leuten vom Rest der Gesellschaft. Dieser Zustand ist nicht zufällig, denn es liegt in der Natur der Spezialisierung exklusiv zu sein. Die AktivistIn verwaltet und repräsentiert soziale Kämpfe, verengt sie auf Teilbereiche und rekrutiert Mitglieder für ihr Anliegen. Aus revolutionärer Perspektive, in der es darum geht die gegenwärtigen sozialen Verhältnisse umzuwälzen statt sie zu reproduzieren ist das problematisch.

Animal Liberation reproduziert die Rolle der AktivistIn, indem sie sich über und außerhalb des Bereiches der Kämpfe stellt, die für die Ausgebeuteten Relevanz haben und sie mit einbeziehen. Der Animal Liberation Aktivismus verschreibt sich besonderen Anliegen und schließt diejenigen aus, die sich nicht an seine moralischen Codes und den entsprechenden Lifestyle halten [10]. Gleichermaßen glorifiziert er die Selbstaufopferung, eine Idee, die jeglicher Befreiung diametral gegenüber steht [11]. AktivistInnen sehen in Opfer und Leiden eine Art Fähigkeit, die den meisten Leuten abgeht. Die AktivistIn muss die Gesellschaft für andere verändern, für den angenommenen Vorteil anderer. Die Massen müssen erzogen, die Wichtigkeit einer Sache oder eines Themas muss ihnen aufgezeigt werden. Animal Liberation würde jeden Menschen zu einer VeganerIn machen, dessen ungeachtet ob dies tatsächlich irgendwem dabei hilft, die Bedingungen seines oder ihres Lebens selbst zu bestimmen. Die ArbeiterInnen, die versuchen ihre Familien zu unterstützen werden eine vegetarischen Diät nur in geringem Maße für anregend halten, solange diese nichts an der ökonomischen Schlinge ändert, die ihr Leben einschnürt. Keine vegane Diät macht die Unzufriedenheit genießbarer.

Dies ist nicht der einzige Grund, warum viele Leute Animal Liberation nicht besonders ernst nehmen. Die Subkultur der Animal Liberation AktivistInnen begrenzt den Austausch und die Beziehungen mit Nicht-AktivistInnen und verstellt ein Verständnis der Kämpfe anderer. Subkulturen, seien sie aktivistisch oder nicht, schaffen Trennungen und Hindernisse zwischen den Ausgebeuteten. Sie verlangen von anderen das Befolgen ihrer Codes des Denkens, des Verhaltens, der Mode, und entfremden sich letztlich selbst von der Möglichkeit sich auf andere einzulassen, Affinity** und Solidarität zu anderen aufzubauen. Wer möchte ständig gesagt bekommen was zu tun ist, wie zu denken, was anzuziehen? Eine AktivistInnen Gruppe kann sich von dieser Welt isolieren, aber sie sollten nicht erwarten, dass irgendwer sonst ihre selbst auferlegte Isolation teilen möchte.

Einige AktivistInnen mögen diese Isolation als weiteres selbstloses Opfer im Dienste des guten Sache sehen. Opfer müssen gebracht werden für jemand anderes, irgendein Tier, irgendeine Abstraktion, irgendein Thema oder irgendeine Sache. Dabei handelt mensch nicht in eigenem Interesse sondern im Interesse von jemand oder etwas anderem. Für die Befreiung von Tieren kannst Du ganz schön auf die Fresse kriegen oder in den Knast gehen. Die AktivistIn wird sagen, dass dies notwendige Opfer für eine gerechte Sache sind und dass Dein persönliches Leid dazu führen wird, dass andere weniger leiden müssen. Hier representiert sich der Mythos der MärtyrerIn in Aktion. Leid wird nicht dadurch gemildert, dass ich mehr Leid für mich selbst verursache. Das moderne Leben wird schon jetzt durch Opfer aufrecht erhalten – auf Arbeit, in der Schule, unter dem Kapitalismus. Das soll nicht heißen, dass wir Risiken vermeiden und passiv werden sollen, wenn wir etwas sehen das uns krank macht. Wir sollten vielmehr zur Tat schreiten und aktiv werden weil wir es wollen und nicht weil wir das Gefühl haben, dass wir es müssen. Dann ist das Risiko, das wir eingehen das Risiko das es mit sich bringt unser Leben zu leben, nicht sich für eine Idee zu opfern [12]. Schließlich ist Jesus ja schon für unsere Sünden gestorben. Wir sollten nicht in den Fußstapfen dieses Toren wandeln und ebenfalls dafür sterben.

Was die tatsächliche Praxis betrifft, suchen die Animal Liberation AktivistInnen eher danach erfolgreiche Reformkampagnen zu starten als einen weitreichenden Angriff auf das System als Ganzes. Sie sind begeistert davon, ihre selbst verkündeten Erfolge zu feiern. Eine Pelzfarm schließt. Ein Versuchslabor ist aus dem Geschäft. Aber später kehrt die Pelzfarm zurück, an einem anderen Ort mit einem neuen Besitzer, sobald die Modeindustrie Pelze wieder erfolgreich vermarkten kann [13]. Die Produktion beginnt wieder wie immer. Und die Kosmetikindustrie muss weiter Chemikalien in die Augen von Kanninchen reiben und Ratten Pharmazeutika spritzen, um potenzielle Klagen zu verhindern. Also eröffnet ein neues Versuchslabor irgendwo im Ausland oder ein bestehendes weitet seinen Betrieb aus, was schließlich dazu führt, dass mehr Tiere brutal behandelt und getötet werden. Die “Strasse zum Erfolg”, die von vielen Animal Liberation AktivistInnen gefeiert wird, besteht in einer Reihe unbedeutender Zugeständnisse, vom System sparsam verteilt [14]. Der Kapitalismus ist flexibel genug sich zu reformieren, solange er in seiner Gesamtfunktion nicht beeinträchtigt wird. Solange werden Tiere immer weiter zur Ware gemacht und ausgebeutet. Lasst uns nun einen genaueren Blick auf die Dynamik und Praxis von Animal Liberation werfen.

Verloren im Nebel des Krieges: Ein Blick auf Animal Liberation

“Radikale” TierbefreierInnen

Es gibt viele Kampagnen von AktivistInnen, die sich damit brüsten radikal und basisdemokratisch (grassroots) zu sein. Radikalismus selbst ist ein Begriff, der dazu dient einige Methoden von anderen unterscheiden. Er ist ambivalent und positioniert den oder die Radikale keinesfalls in einer klaren Perspektive, die mehr besagen würde, als dass er oder sie extreme Taktiken anwendet. Es gibt viele, die von der Faszination des Radikalismus angezogen werden, weil er sich selbst als Alternative zu den reformistischen Tendenzen anderer Gruppen darstellt. Diese Darstellung ist ein Irrtum. Animal Liberation steht ganz auf Seiten der Reform, auch wenn manche sie aufgrund ihrer verwendeten Taktiken als radikal darstellen. PETA und SHAC sind sich in den meisten Punkten einig. Sie verwenden nur unterschiedliche Taktiken und Strategien, um die gleichen Ziele zu erreichen [15]. Aber “radikale” Taktiken sollten nicht mit radikalen Zielen verwechselt werden. Sozialer Wandel wird nicht bloß mit eingeworfenen Scheiben und Demos vor der Haustür erreicht. Um radikal aus dem Existierenden aufzubrechen bedarf es der Dekonstruktion des “Radikalismus” und nicht die Verwechslung von Taktik mit Philosophie.

Animal Kommandos

Die Animal Liberation Front (ALF) hat über die Jahre für ihre Kommandoaktionen der Tierbefreiung, der Sabotage und der Brandanschläge viel Unterstützung erhalten. Diese ALF Zellen setzen sich aus kleinen, dezentralen Gruppen vegetarischer oder veganer Leute zusammen, die entlang gewisser Richtlinien Aktionen durchführen. So kann eine Aktion bespielsweise als der ALF zugehörig bezeichnet werden, wenn damit entweder Tiere befreit oder Eigentum der tierverwertenden Industrie zerstört wird, ohne dass irgendein Leben in Mitleidenschaft gezogen wird. Ihr kurzfristiges Ziel ist es, soviele Tiere wie möglich zu retten, ihr langfristiges Ziel ist “das Leid der Tiere zu beenden”, indem die tierverwertende Industrie aus dem Markt gedrängt wird [16]. Damit steht die ALF ganz klar für das gleiche ideologische und quantifizierende Denken wie der Rest der Animal Liberation.

Die Faszination für die ALF ist zum Teil ihrem Kommando-Image geschuldet, im Schutz der Nacht Gesetze zu brechen. Die gängigen Bilder verleihen der ALF eine engelsgleiche Qualität. Sie retten die Unschuld vor dem Bösen, ganz so wie in den langweiligen Märchen, mit denen wir als Kinder zwangsernährt wurden. Aus dem Blickwinkel der Animal Liberation ist die Direkte Aktion zwar praktisch zum Befreien von Tieren, bleibt aber rein taktisch, wird nicht als Ethik der Interaktion mit der Welt jenseits von Repräsentation und Vermittlung verstanden. Das Brechen des Gesetzes wird dabei auf ähnliche Weise rationalisiert wie Gandhi es rationalisierte und für legitim erklärte das Gesetz zu brechen. Diese Perspektive hält moralisch an der Gewaltfreiheit fest und wird einzig in der Absicht durchgeführt, Gesetze anzufechten, die einen Aspekt der sozialen Herrschaft schützen, während sie die restlichen unberührt lassen. Für gewöhnlich vergleicht die ALF und ihre AnhängerInnen die ALF mit der Underground Railroad, dem Netzwerk von Leuten, die SklavInnen bei ihrer Flucht aus dem Süden der USA halfen, bevor die Sklaverei dort offiziell abgeschafft wurde. Dieser Vergleich dient vor allem sich selbst und verstärkt den HeldInnenkult – führt zu mehr größenwahnsinnigen Illusionen.

Das Justice Department (JD) und die Animal Rights Militia (ARM) stehen für eine militantere, gewaltbereitere Haltung. Auch wenn diese Gruppen weit weniger in Erscheinung treten als die ALF, lohnt es sich doch ihre Entwicklung innerhalb der Animal Liberation zur Kenntnis zu nehmen. ARM ist bekannt dafür Jäger in England zusammenzuschlagen, das JD ist dafür bekannt Rasierklingen and Pelzfarmer zu verschicken und Versuchslabore zu bedrohen. Anstatt wie die ALF die Gewaltfreiheit zu verherrlichen, glorifizieren diese Gruppen die entgegengesetzte taktische Form: die Gewalt. Hier entwickelt sich eine taktische Ideologie, die noch immer in ihrem eigenen Tunnelblick gefangen bleibt. Sie positionieren sich gegenüber der Gewaltfreiheit, die als gescheiterte Methode gesehen wird, die nicht schnell genug “Erfolge bringt”, womit sie den sozialen Wandel selbst quantifizieren. Sie sehen sich selbst as diejenigen, die die Sache “einen Schritt weiter” bringen. Dies ist die gleiche Argumentation, wie die von Black Liberation Army und dem Wheather Underground, die in einigen spektakulären Akten kulminierte und nichts dazu beitrug, die Ausbeutung von irgendwem zu verringern und stattdessen politische Gewalt glorifizierte. Ihr Herangehen demonstriert die Frustration und Ohnmacht “radikaler” Aktion, die von alltäglicher revolutionärer Praxis getrennt ist. Statt einen qualitativen Bruch mit einer Gesellschaft zu vollziehen, die auf Rollen und ExpertInnen basiert, stützen diese Gruppen das instrumentelle Verhältnis von Individuen, die sich einer Sache geweiht haben, und nicht die tatsächliche Umwälzung des Lebens für alle Beteiligten.

Engel der Gnade: Verliebt in HeldInnen, Märthyrer und Militante

Denen, die ihr Leben im Kampf gegen den Mißbrauch der Tiere verloren haben und denen, die sich selbst das Leben genommen haben, wenn der Horror nicht länger zu ertragen war; denen, die ihre Freiheit gaben… Danke. – Robin Webb, Britischer ALF Pressesprecher

Viele TierbefreierInnen lieben das Märthyrertum der ALF. Sie werden als selbstlos und mutig verehrt, werden Opfer, weil sie sich zu sehr kümmern und leiden unter ihrem Mitgefühl nahezu wie Mutter Teresa und Jesus. Eine Verkörperung dessen stellt Ingrid Newkirks Buch Free the Animals dar, das die Geschichte einer Gruppe von Leuten erzählt, die das Gesetz brechen und Gefängnis riskieren, um Tiere aus Versuchslaboren zu retten. Dieses Buch ist seit den 80er Jahren bei Animal Liberation AktivistInnen weit verbreitet. Seine Attraktivität liegt im Portrait von Leuten, die irgendwie besser sind als der Rest von uns – edler, mutiger, mitleidender. Wie Figuren aus einem einfachen Märchenbuch, so riskieren ALF KriegerInnen alles, um Tiere vor dem Bösen zu retten. Animal Liberation genießt ihre HeldInnen auf die gleiche Weise wie die Medien es tun, festigt damit soziale Beziehungen nach dem Schema AnführerIn-und-Gefolgsleute.

Dennoch vermeiden viele die illegale direkte Aktion aufgrund der Konsequenzen des Gesetzesbruchs. Das Risiko der persönlichen Auswirkungen verstärkt dann den Mythos des Opfers, das der oder die KriegerIn bringt. Das Gesetz zu brechen wird zur Aufgabe für Übermenschen, nicht für den Rest von uns. ALF Mitglieder scheinen mit besonderen Fähigkeiten auf die Welt gekommen zu sein, einer Furchtlosigkeit, die wir nicht besitzen. Wie anzubetende Götzen sitzen sie auf einem Sockel. Sie sind die HeldInnen der Animal Liberation. Unterhalb stehen die Leute, die nur applaudieren können wie es Leute tun, die ein Kunstobjekt betrachten, das nur jemand produzieren konnte, von dem angenommen wird, dass er außerordentlich talentiert sei.

Die soziale Umwälzung braucht keine MärthyrerInnen, HeldInnen oder Militante. Revolutionäre Aktion muss eine bewußte Anstrengung beinhalten, die Rollen zu zerrütten, die unseren Ausschluss und unsere Ohnmacht definieren. Je schneller wir Heldenverehrung und Märthyrertum ins Feuer werfen, umso früher können wir für unsere eigene Freiheit kämpfen. Die Revolution beginnt mit jedem und jeder von uns. Wir sind die VollstreckerInnen des Schicksals. Wir müssen über unsere eigene Zukunft entscheiden, damit niemand sonst es tun kann.

Du kannst über die Freiheit keine Gesetze erlassen

Du müsstest verrückt sein vom Staat Schutz zu erwarten… Und ich bin keine Idiotin. – Andrea Dorea, N´drea

Animal Liberation glaubt, dass Tieren gesetzlicher Schutz und Rechte gegeben werden sollten. Das Verbot von Hahnenkämpfen, einer wirklich unbedeutenden Institution im großen Programm des Missbrauchs von Tieren, wird begrüßt, weil es als Hilfe für die Tiere gesehen wird, und weil es die Anzahl der angeblichen Erfolge erhöht. Andererseits kritisieren sie Gesetze, die tierverwertende Konzerne schützen. Sie stützen damit zuallererst die Logik des Staates, die Gründe für die Existenz der Gesetze in Allgemeinen, und ignorieren, dass das Rechtssystem die Gesellschaft reguliert, sie effizient und ordentlich macht, sie kontrolliert. Gesetze bestätigen die soziale Kontrolle, ächten die Unregierbaren und beschützen die Mächtigen. Gesetze und ihre HüterInnen hoffen uns davon abzuhalten die industrielle Landwirtschaft mit unseren eigenen Händen in Stücke zu reißen.

Der Staat schützt die tierverwertende Industrie und andere kapitalistische Unternehmen; er ist das Rückgrat und die brutale Kraft des kapitalistischen Systems. Das Gesetz kriminalisiert all jene, die sich gegen das ruhige Funktionieren des Kapitalismus stellen. Gesetzbücher bewahren die sozialen Beziehungen im Kapitalismus; das Konzept vom Eigentum wird durch sie geheiligt. Jeder Ruf nach zusätzlichen Gesetzen stärkt die Macht des Rechtssystems und seiner Mythologie von Gerechtigkeit und Fairness. Der Glaube ans Gesetz ist der Glaube an die kapitalistische Ausbeutung, wie sie von Bullen, BürokratInnen, RichterInnen und GesetzgeberInnen gewaltsam durchgesetzt wird. Sie haben kein Interesse daran, die soziale Ordnung zu verändern, deren Vorteile sie einheimsen. Ein Gesetz zu erlassen gegen Grausamkeit an Tieren hier, gegen Tiere im Zirkus dort, ändert daran sehr wenig – außer, dass es als Erfolg bilanziert werden kann. Die Fabriken fahren damit fort, tagtäglich mehr Tiere in der Produktion zu vernutzen. Das Elend geht weiter und der rechtliche Apparat des Staates gewährleistet, dass es so bleibt.

Wenn wir die Tiere aus dem entwürdigenden Produktionssystem befreien wollen, müssen wir alle angeblichen Mittel der Abhilfe zurückweisen, die von den staatlichen Mechanismen der Wahl und Gesetzgebung zur Verfügung gestellt werden. Das Rechtsystem hilft nur, wenn die Mächtigen Probleme haben. Das Gesetz wendet sich gegen alle, die sich gegen die soziale Ordnung wenden. Wenigstens soviel ist der ALF klar. Wir tun besser daran, das gesamte System entfremdeter politischer Macht zu zerstören, als nach weiteren altbackenen Krümeln und leeren Zugeständnissen zu fragen. Wenn wir gegen den Kapitalismus opponieren, für das, was er den Tieren antut, so sollten wir ebenfalls gänzlich gegen die Staaten opponieren, die sicherstellen, dass dieses System damit weitermacht, die Welt unter ihrer Logik zu versklaven.

Direkte Aktion, nicht Ideologie

Animal Liberation hat ihr größtes Potential als direkter Akt, nicht als Ideologie. Die Befreiung von Tieren verletzt deren Status als Eigentum. Sabotage und Zerstörung von Anlagen der tierverwertenden Industrien kann sich gegen die Kommodifizierung von Tieren richten. Wie auch immer, solange diese Aktionen mit dem ultimativen Ziel der Animal Liberation gemacht werden, bleiben sie auf eine Perspektive beschränkt, die sich nur für Tiere interessiert. Zum Beispiel konzentrieren sich viele Bekennerschreiben zu Überfällen auf Tierversuchslabore einzig auf die Schinderei von Tieren, üblicherweise in moralischen und ideologischen Begriffen, während sie all die anderen ausbeuterischen und ekelhaften Aspekte eines Forschungslabors in einer Universität oder einem Pharmakonzerns ignorieren. Statt Grenzen des Verständnisses sozialer Herrschaft niederzureißen, werden sie von solchen Aktionen errichtet. Sie fördern eingeschränkte Perspektiven, welche die Gründe, die dazu führen, Tiere in Waren zu verwandeln nicht berücksichtigen. So wird das Potential dieser Aktionen durch die Beschränkung auf ein einzelnes Thema verkrüppelt, statt ein Akt der Solidarität mit anderen sozialen Kämpfen zu sein. Es gibt nichts desto trotz bemerkenswerte Ausnahmen von Leuten, die Tiere befreien und tierverwertende Unternehmen sabotieren, ohne ihre Aktionen in den Zusammenhang der Animal Liberation zu stellen. Sie sollten nicht unerwähnt bleiben, da sie deshalb positiv sind, weil sie ihre Aktionen nicht sebst dahingehend abgrenzen, nur in einem Herrschaftsaspekt relevant zu sein, sondern sie als Angriffe auf eine Form unter vielen verstehen. Wenn wir überall Herrschaft und Unterdrückung erkennen, dürfen wir uns nicht selbst begrenzen; wir müssen sie überall angreifen, wo wir sie finden.

Gegen Aktivismus, hin zum aktiven Aufstand

Was wir sind und was wir wollen beginnt mit einem nein. Aus ihm kommt der einzige Grund am morgen aufzustehen. Aus ihm kommt der einzige Grund bewaffnet zum Angriff auf eine Ordnung überzugehen, die uns erstickt. – Anonym, “At Daggers Drawn”

Das Gefängnis, das diese Gesellschaft ist, muss zerstört werden, wollen wir über Freiheit sprechen. Die industielle Landwirtschaft ist nur ein Ort, an dem sich ihr Elend zeigt. Dieses System der Ausbeutung profitiert von Schweiß und Blut der Tiere und Menschen. Es ist unser gemeinsamer Feind. Wir werden nichts ändern, wenn wir die Regierenden fragen, ob sie das Elend erträglicher macht oder uns freundlicher ausbeutet, wir werden nichts bekommen, außer bessere Löhne und größere Käfige. Wir müssen über unser Leben und unsere Beziehungen in der Welt zu unseren eigenen Bedingungen entscheiden. Um das zu tun, haben wir eine schwierige Aufgabe vor uns. Lassen wir uns nicht mit falschen Versprechungen, moralischen Codes und ideologischen Verblendungen abspeisen. Lasst uns stark werden durch scharf geschliffene Ideen und selbstbestimmte Aktionen.

Einige würden sagen, dass etwas getan werden muss. Die Welt wird schlimmer und wir müssen handeln. Sie würden uns sagen, dass wir Dinge tun müssen, die uns das Gefühl vermitteln, dass wir etwas verändern können. Warum, dann, nicht für die Befreiung der Tiere arbeiten? Wenn unsere Aktionen Ausdruck unserer Wünsche sind, liegt die Hoffnung nicht in der Anzahl konvertierter VeganerInnen oder befreiter Hennen. Revolution bedeutet zu allererst und vor allen Dingen eine Veränderung dessen, wie wir in der Welt zueinander in Beziehung treten – qualitative soziale Veränderung, nicht quantifizierte aktivistische Siege. Wir müssen auf die Appelle an die Herrschenden spucken und uns sebst auf direkte Art für das einsetzen, was wir wollen. Revolution muss eine tägliche Praxis sein, wenn wir irgendein tatsächliches Potential haben wollen.

Etwas muss getan werden. Aber wir brauchen Feuer im gleichen Maße wie wir Ideen brauchen. Um tatsächlich in irgend einer Art soziale Veränderung herbeizuführen, müssen die sozialen Beziehungen über das Festhalten an Ideologien mit ihren falschen Oppositionen hinausgehen, über geschichtete Entscheidungsfindungen und fromme Bekanntmachungen hinaus. Wir wollen etwas davon radikal verschiedenes, eine Welt in der wir frei sein können, so zu leben wie wir wollen. Dies ist nur möglich, wenn wir außerhalb der Rolle der AktivistIn oder der KonsumentIn handeln, ohne politische Parteien mit ihren hohlen Verlautbarungen, ohne nicht-kommerzielle Organisationen mit ihren Kampagnen zu Einzelthemen. Wir müssen BerfreierInnen unserer selbst sein, nicht Sklaven einer Sache, getrieben von religiösem Eifer und ideologischer Blindheit.

Diese Kritik an der Animal Liberation kann gleichermaßen auf alle falschen Oppositionen und Missionen übertragen werden – und davon gibt es viele. Wir suchen nicht nach KonvertitInnen, die unsere Sichtweise übernehmen. Wir rufen niemanden dazu auf die Ausbeutung der Tiere zu vernachlässigen oder einfach damit zu beginnen, Fleisch zu essen. Vielmehr wollen wir zu mehr kritischem Denken und analytischen Diskussionen anregen was unsere eigene tägliche Praxis angeht ebenso, wie was die Theorie und Praxis sozialer Bewegungen betrifft.

Um uns selbst davon zu befreien in der Scheiße zu wühlen und Scheiße zu fressen, müssen wir zu aktiven TeilnehmerInnen in einem Aufstand gegen Ideologie, Moralismus, Kapitalismus, und den Würgegriff des Staates werden. In einem Wort müssen wir alles zerstören was uns beherrscht, denn die Welt wird immer mehr zu einem gigantischen Drecksgefängnis. Das Elend der industriellen Landwirtschaft und der Versuchslabors ist überall. So sind denn auch unsere Ziele überall. Wir werden die Beziehungen zerstören müssen, die diese Gesellschaft reproduzieren und ihr erlauben zu existieren und mit einem Ungehorsam beginnen, der weder zivil noch verblendet ist.

Wie ein toter Guerilla es einmal sagte: Mach kaputt was Dich kaputt macht. Die Welt wird sich entwirren, wenn wir unseren Wünschen freien Lauf lassen. Für uns ist die destruktive Rebellion gegen diese beschissene Gesellschaft die einzige Sache, die irgendein Versprechen auf Befreiung beinhaltet. Wir wollen keine größeren Käfige. Wir wollen sie alle komplett zerstören.

Es sind nicht nur die Tiere, die davon abhängig sind, dass wir sie aus dieser Welt befreien. Wir selbst sind es schließlich, die den Wind der Freiheit in unseren Gesichtern spüren müssen.

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* Utilitarismus – Im 18. Jahrhundert aufkommende sozialphilosophische Anpassung der Sichtweise von Gesellschaft an kapitalistische Prinzipien von Nützlichkeit. Auf den ersten Blick scheint die von UtilitaristInnen behauptete gesellschaftliche Zielrichtung “Maximierung des gesellschaftlichen Glücks” außerhalb des Marktes zu liegen – was sie im Gezerre der gesellschaftlichen Verhältnisse umso tauglicher dafür machte, recht unauffällig in umgekehrter Richtung zu wirken und persönliche wie kollektive Vorstellungen von Glück zu ökonomisieren, d.h. auf die Idee erwirtschaftbarer Erträge zu reduzieren. In der Gründungscharta der USA wird der “pursuit of happiness” vornehmlich als Recht auf Streben nach materiellem Wohlstand verstanden – eine Formulierung nebenbei, die im Englischen einen klar militärischen Sound hat.
** Affinity – Die Bezugsgruppe autonom/anarchistischer Kreise kommt der affinity group ziemlich nahe. Eine direkte Übersetzung ohne die Gruppe gestaltet sich schon schwieriger: Zumindest potentiell ist affinity kollektiver als die Neigung, politischer als die Zuneigung und auf alle Fälle persönlicher und vielschichtiger als der Bezug. Vielleicht kann das Bild der physikalischen Affinität vereint mit den affektiven Qualitäten der Wahlverwandtschaft eine Ahnung davon geben…
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[1] Für Infos über die Animal Liberation Front ALF: www.animalliberationfront.com. Für Infos zur radikalen Animal Liberation Bewegung: www.nocompromise.org. Für Nachrichten über illegale direkte Aktionen für Tiere: www.directaction.info. Wie üblich quillt das Netz über mit Informationen, vermutlich mehr als ihr je zu irgend einem Thema lesen wollt.
[2] Dieses Zitat stammt von Albert Einstein. Gruppen wie Vegan Outreach und PETA verwenden dieses und andere berühmte Zitate nicht nur, weil wir diesen verehrten Leuten trauen sollen, sondern um zu beweisen, dass auch sie an Animal Rights glauben und wir es daher auch tun sollten.
[3] Der weltweite Konsum von Öl beträgt pro Tag 12, 42 Milliarden Liter. Jeden Tag werden mehr als 143 Milliarden Liter Öl übers Meer transportiert. Nicht alles Öl, das ins Meer läuft stammt von Tankern. Einges davon kommt aus Tanklagern, Pipelines, Förderpumpen, der Reinigung der Tanks von Tankern und anderen Schiffen. In diese Rechnung nicht mit einbezogen sind die Millionen Liter Öl die KonsumentInnen in die Umwelt kippen, einer weiteren Konsequenz des Kapitalismus, der die Kosten für die Natur nicht in die Preise einberechnet [www.environmental-research.com/publications/pdf/spill_statistics/paper4.pdf]
[4] 1989 lief die Exxon Valdez im Prince William Sound, Alaska auf Grund. Nahezu 50 Millionen Liter Öl liefen ins Meer. Das Unglück war der Größe nach nur Nummer 34, war aber das größte in US-Gewässern. Massive Umweltschäden führten z.B. zum Tod von etwa 35.000 Seevögeln, 2800 Seeottern, 300 Seehunden, 250 Weißkopfseeadlern, 22 Orkas und Milliarden von Lachsen und Heringseiern, was auch die Fischerei stark in Mitleidenschaft zog.
[5] Das industrielle Prudukt-Distributions-System ist deshalb wie es ist, weil mit einem Produkt umso mehr Gewinne erzielt werden könen, je größer sein Markt ist. Diese Tatsache demonstriert das Wachstum der Profite durch die Ausdehnung der Märkte von KonsumentInnen im Kapitalismus.
[6] Die Tatsache, dass die Wahrnehmung von Wahrheit und Moral nicht absolut, sondern relativ sind, sich in den sie für wahr haltenden Personen und Gruppen unterscheiden wird von der Theorie des Relativismus beschrieben. Was in einer Kultur falsch ist, muss es in einer anderen nicht sein. Dies wird von vielen Kulturen überall auf der Welt klar demonstriert. Einige Kulturen waren vegetarisch und einige sind es noch immer. Andere, wie die Inuit, ernähren sich ausschließlich von Fleisch. Die meisten dieser Ernährungsgewohnheiten entwickeltn sich aus Umweltbedingungen und der Verfügbarkeit von Ressourcen und wurden zu einer Tradition.
[7] Ihr findet mehr über Kritisches Denken und das Essay von Chernyi unter…
[8] Dies lassen die MenschenfeindInnen freilich üblicherweise nicht für sich selbst gelten. Meist sehen sie sich selbst als irgendwie besser und fürsorglicher als die allermeisten anderen. Fortschreitende Misanthrophie führt zu [repulsive] Formen der Arroganz.
[9] Von der ALF Webseite, aus dem Artikel “Fortschritt der Tierrechtsbewegung”
[10] Es ist in Kreisen von TierbefreierInnen nicht selten zu hören, dass über den “Ausverkauf” des Veganismus getratscht wird, sobald einzelne irgendwelche Tierprodukte der ein oder anderen Art essen. Diese Art der Unterhaltung spiegelt nur die Banalität so vieler Unterhaltungen heute, in denen uns die Entfremdung nahelegt vorzuziehen, uns nicht mit der Realität unserer Entfremdung zu befassen.
[11] Dies soll nicht heißen, dass diejenigen, die für die soziale Umwälzung kämpfen nicht von den Mächtigen verwundet oder getötet würden. Vielmehr hat es einfach nichts befreiendes an sich Strafen als Ausdruck sozialer Kämpfe zu verherrlichen. Märtyrertum ist so scheiße langweilig und unkreativ. Wenn du tot bist, bist du tot. Alle Möglichkeiten und Träume deines Lebens verschwinden dann.
[12] Es ist wert einen Moment darüber nachzudenken, wie viele Leute sich vom Aktivismus verabschiedet haben, nachdem sie sich wie Opferschafe fühlten. Leute, die ihre Mitangeklagten vor Gericht verraten haben, mögen gemerkt haben, dass lange Haftstrafen nicht das Opfer sind, das sie bereit sind zu bringen. Freilich sind Leute die andere reinreißen nichts desto trotz widerliche Arschlöcher. Aber um so was in der Zukunft zu vermeiden kann es nützlich sein zu versuchen zu verstehen, warum sie zu solchen Entscheidungen gekommen sind.
[13] Dies wird deutlich wenn wir uns die Trends in der jaährlichen Pelztierproduktion in den USA und in Übersee anschauen. Fluktuationen auf dem Pelzmarkt sind zeitweise von Animal Liberation Aktivitäten beeinflusst, einen Rückgang der Pelzindustrie als solche haben sie noch nicht bewirkt. Wenn etwas verkauft werden kann, wird es vermarktet und produziert. Selbst wenn die Pelzindustrie zerstört werden würde, würde eine andere miserable Ausbeutung ihren Platz einnehmen.
[14] Der Begriff “Strasse zu Erfolg, Road to Victory” kommt aus der britischen Animal Liberation Bewegung, aber das dahinterstehende Konzept trifft genauso auf die nordamerikanische Perspektive zu. Die Idee, dass die ein oder andere erfolgreiche Kampagne in einem irgendwie großartigen Erfolg kulminiert ist, traurigerweise, eine Illusion – vermutlich verbreitet, um sich die völlige Desillusionierung vom Leib zu halten.
[15] Die Stoppt die Grausamkeit der Jagd, Stopp Hunting Animal Crualty (SHAC) Kampagne ist ein perfektes Beispiel dafür. Sie nutzen verschiedene Formen der Einschüchterung und Bedrohung für das Ziel ein einziges Versuchslabor stillzulegen. PETA arbeitet für das gleiche Ziel, wendet aber Taktiken an, die ihre loyalen Mitglieder nicht abschrecken. Es ist nichts radikales daran, ein einzelnes Versuchslabor zu schließen, wenn ein anderes die Nachfrage einfach erfüllen wird und gleichermaßen damit fortfährt Tiere zu töten.
[16] Quelle: ALF Webseite
[17] Das “Biteback Magazin” (www.directaction.info) und andere sich für Tiere einsetzende, direkte Aktionen befürwortende Gruppen berichten häufig über solche Aktionen ohne sie von Aktionen zu unterscheiden, zu der sich die ALF bekannt. Sehr wahrscheinlich sehen sie jede Aktion, die in diesem Feld unternommen wird als Aktion, die auf Tierbefreiung zielt. Wir hingegen sehen direkte Aktionen für Tiere als positiv, wenn sie nicht mit den idiotischen Zielen der TierbefreierInnen einhergehen.
[18] Jemand anderes hat diesen feinen Punkt mal gemacht. Leider kann ich ihn oder sie nicht mehr dafür würdigen, denn ich hab vergessen wer es war. Doch bleibt es ein wichtiger Punkt. Praxis ist am stärksten, wenn sie von der Dynamik kritischer Ideen beflügelt wird. Gleichermaßen sind Ideen nur so stark wie ihre praktische Anwendung. Sonst wird Theorie nur zu einer weiteren hohlen intellektuellen Freizeitbeschäftigung.