Der 1. Mai und seine Geschichte

Der 1. Mai und seine Geschichte

Obschon uns die Absurdität der heutigen Verdrehungen gelegentlich selbst den Magen verdreht, will dieser kurze Beitrag nicht versuchen, diesen Tag mit neuer Bedeutung zu füllen. Schon aufgrund seines Traditionscharakters kommt ihm vor allem eine repräsentative Rolle zu. Losgelöst von einem spezifischen sozialen Kampf, ist das 1. Mai Fest heute ein Tag, an dem sich das ganze linke Spektrum zu einem tristen Tanz von Bannern und Fahnen versammelt. Ein Jahrmarkt von Meinungen – von staatstreuen Programmen bis zu revolutionären Parolen. Es ist die deutliche Zurschaustellung des Warencharakters der Ideologien…
Als Termin im Kalender des linken Politikers oder militanten Aktivisten, ist es eine weitere Ablenkung davon, dass Subversion ebenso alltäglich sein muss, wie die Strukturen der Herrschaft überall sind.

Trotzdem halten wir es für angemessen, kurz auf den Ursprung dieses Tages, und auch auf die Bedeutung der damit verbundenen Kämpfe zurückzukommen:

Am 1. Mai 1886, nach einer Arbeiterversammlung auf 1. Mai 1886, Chicago (USA)dem Heymarket in Chicago, begann ein mehrtägiger Generalstreik, zu dem die nordamerikanische Arbeiterbewegung seit Anfang Jahr aufrief.
Der Tag wurde in Anlehnung an die Massendemonstration vom 1. Mai 1856 in Australien gewählt, die damals ebenfalls den Achtstundentag forderte.
Zu dieser Zeit verbrachte der durchschnittliche Arbeiter 12-14 Stunden in der Fabrik und konnte sich davon gerade ein Abendessen leisten.
Am 3. Mai führte der Streik zu massiven Konfrontationen zwischen Demonstranten und der Polizei, wobei sechs Arbeiter getötet und einige weitere verletzt wurden. In der darauf folgenden Nacht versammelten sich mehrere tausend Streikende zu einer Protestkundgebung, welche die Polizei wiederum zu stürmen versuchte. Die Lage eskalierte am nächsten Tag, als ein Unbekannter eine Bombe aus der Menge warf, die einen Polizisten sofort tötete und viele Umstehende verletzte. Sechs weitere Polizisten starben an den Folgen. Die Polizei eröffnete das Feuer und während der anschliessenden Unruhen, die als Haymarket Affair in die Geschichte eingingen, wurden mehr als 200 Arbeiter verletzt und schätzungsweise 20 getötet.
Acht Anarchisten, die die Kundgebung organisiert haben sollen, wurden festgenommen und der Verschwörung angeklagt. Vier von ihnen wurden hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Suizid. Die drei noch lebenden wurden sechs Jahre später begnadigt.
Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationalen 1889 wurde in Gedenken an diese Ereignisse der 1. Mai als “Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen, an welchem in allen Ländern für die Einführung das Achtstundentags demostriert werden soll.

Das, was mittlerweile als Errungenschaft gefeiert wird, ist im Grunde nichts anderes, als eine Anpassung des Kapitals an neue Verhältnisse – wenn auch unter dem Druck einer Arbeiterbewegung. Anfangs des 20. Jahrhunderts musste die wachsende Automatisierung der Produktion zwar die Anhäufung von Kapital gewährleisten, sie führte jedoch auch zu immer grösserer Arbeitslosigkeit. In Anbetracht dessen, dass die grosse Weltwirtschaftskrise entstand, weil zu viel produziert, aber zu wenig konsumiert wurde, drängte sich auf, dass die Arbeitseinteilung geändert werden musste. Im selben Masse wie man die Arbeitsstunden zurückschraubte, dehnten sich die Stunden des Konsums aus. Im Grunde bestand der Tag also noch immer aus gleichviel toter Zeit. Doch somit konnte zugleich der hohen Arbeitslosigkeit, der Unausgeglichenheit zwischen Massenproduktion und -konsumtion, sowie der Wut der Arbeiter entgegengewirkt werden.
Für die Reduzierung der Arbeitszeit zu kämpfen, bedeutet, von einem revolutionären Standpunkt aus betrachtet, also nichts anderes, als dem Kapital beim Aufkommen von Widersprüchen zu einer Lösung zu verhelfen. So wie es im Grunde bei jeder Forderung der Fall ist.
Das heisst nicht, dass in diesen Arbeiterkämpfen keine essentiellen Erfahrungen mit Selbstorganisation, Sabotageakten oder Aufständen gemacht wurden. Dies waren jedoch stets Momente, die der Macht der Gewerkschaften entglitten. Ebensowenig soll das heissen, dass in Teilkämpfen nicht immer auch ein Potential besteht, zu einer revolutionären Infragestellung der Gesamtheit zu gelangen. Dies sind jedoch stets Momente, in denen es nicht darum geht zu fordern, sondern anzugreifen und sich zu nehmen…
[Entnommen aus dem Faltblatt „Gegen die Arbeit“. Erschien am 1. Mai 2010 in Zürich. Das ganze Faltblatt (überarbeitet im April 2011) in auf A3 druckbarem Format, kann hier heruntergeladen werden.]
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