Dieser Flyer wurde am Samstag dem 5. Februar 2011 am Rande einer Kundgebung von ca. 50 Personen vor dem BGZ in der Zürich verteilt, wo Steven seit bald 2 Monaten eingesperrt ist. Es wurde Feuerwerk gezündet, gerufen und laute Musik abgespielt.
Alltäglich gefangen oder gefangen im Alltag
Unser Freund Steven wurde am 15. Dezember 2010 verhaftet und befindet sich seither im BGZ in Untersuchungshaft. Gestützt auf eine äusserst fragwürdige Beweislage, wird ihm vorgeworfen, letzten Herbst auf der Hardbrückenbaustelle in Zürich ein Feuer gelegt zu haben.
Es geht uns jedoch hier nicht darum, über Schuld und Unschuld zu sprechen. Unsere Kritik geht weit über die Verfahrensführung der Staatsanwaltschaft hinaus. Wir wollen uns nicht auf die Seite jener stellen, die mit der juristischen oder moralischen Gerechtigkeit argumentieren. Dies sind Methoden und Werte, die tief in uns allen verankert sind, weil sie uns bereits durch die Erziehung eingeprägt wurden. Sie werden kaum in Frage gestellt, da sie Teil der Kultur der heutigen Gesellschaft sind.
Es geht uns darum, diese Vorstellung von Moral und Justiz zu durchbrechen, denn genau diese Werte sind es, die nicht nur die Häftlinge zur Gefangenschaft verurteilen, sondern auch alle, die sich ausserhalb der Mauern befinden. So wird das Gefängnis zu einem Thema, das uns alle betrifft, denn es reflektiert die Gesellschaft, die uns alle in unserem Alltag einschliesst. Sie definiert, wie wir in unserem Leben zu funktionieren haben. Sie legt uns Zwänge auf, die uns vom Leben entfremden und dem Drang nach Freiheit keinen Raum lassen. Allzu oft verwandelt sich die Sehnsucht nach Leben unter der Last der Pflichten in Unzufriedenheit und Depression.
Justiz und Moral werden von jenen bestimmt, die aus den Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen Profit ziehen. Sie bilden die Grundlage dieses Systems und sind ein Instrument der Mächtigen, um die Ausbeutung unserer Arbeitskraft zu gewährleisten, denn gleichzeitig dienen sie als Mittel zur Kontrolle. Kontrolle beschränkt sich nämlich nicht nur auf Überwachungseinrichtungen, sie beruht auch auf der Angst, den Anforderungen der Gesellschaft nicht gerecht zu werden, oder eines Tages ohne nichts dazustehen; auf der Angst vor Bestrafung, vor der Vorstellung eingesperrt und von Freunden und Familie getrennt zu werden.
Das Gesetzt bestraft einerseits Menschen, die sich dem System nicht fügen oder sich dagegen zur Wehr setzen. Anderseits bestraft es jene, die in der Orientierungslosigkeit in dieser entfremdeten Welt sich selbst oder anderen Schaden zufügen. So oder so rechtfertigt die Herrschaft Gefangenschaft und Kontrolle mit der “Kriminalität”, die ihr eigenes Produkt ist. Mit den zunehmend erschwerten Lebensbedingungen, der verschärften Gesetzgebung und Kontrolle, kommen immer breitere Bevölkerungsschichten den Toren der Gefängnisse näher.
Wir anerkennen Diebstahl und Betrug nicht als Straftatbestand, denn diese Ordnung bringt uns jeden Tag durch ihre Zwänge und Schwindel um ein freies Leben. Wir anerkennen auch die Zerstörung nicht als Straftatbestand, denn man errichtet um uns herum eine Welt, die uns immer fremder scheint, in der alles immer gefängnisähnlicher und lebloser wird. Wir anerkennen überhaupt keinen Straftatbestand, denn wir anerkennen die Gesetze nicht, die uns von den Reichen und Mächtigen aufgezwungen werden, um ihr Wohl und unsere Ausbeutung zu garantieren.
Wir wollen überhaupt keine rechtsetzende Instanz und überhaupt keine Gefängnisse, sondern ein Leben, das auf Solidarität und einer anti-autoritären Haltung aufbaut. Wir sind überzeugt, dass ein nicht-institutioneller und nicht-repressiver Umgang mit zwischenmenschlichen Problemen und Konflikten möglich ist.
Wir wissen aber auch, dass dies nach einer grundlegenden Umwälzung unseres Denkens und einer Revolte gegen diese Ordnung verlangt.
Bekämpfen wir die Angst und Entfremdung, die uns alle einsperrt.
Freiheit für Steven!
Freiheit für alle Gefangenen!