Eine Uebersetzung von Billy aus dem Gefängnis in Thun als Beitrag zur Initiative vom Hungerstreik von 10. – 30. September 2010
Ein paar kurze, persönliche Ueberlegungen als Beitrag zur Initiative.
Es wird wohl der Ton der Wärter auf Deutsch sein oder ich weiss nicht warum, aber in meinem Kopf habe ich immer den Satz „Arbeit macht frei“; und ich denke, dass diese „schon etwas veraltete“ Aussage letztendlich das Leitmotiv dieser Gesellschaft geworden ist. Den Zwang zur Arbeit, der Produktion und Profits. Dies scheint alles der Massstab zu sein in den akutellen Verhältnissen, den „Wert“ des Einzelnen und seinem eventuellen Recht zu existieren. Was ist ein Baum im Vergleich zu einer Hochspannungsleitung? Was sind die Afrikaner im Vergleich zu Orangen, die es das ganze Jahr in den Supermärkten gibt? Was sind eine Kuh, ein Huhn oder ein Pferd im Vergleich zur Milch beim Frühstück, zu den Chicken Nuggets am Mittag oder einem Steak (aus lokaler Produktion, versteht sich wohl!) zum Abendessen?
Du hast die Berechtigung auf Rechte in dem Moment, wo du einen Job hast; nützlich für die Wirtschaft bist. Vielleicht. Du bist frei, wenn du arbeitest! Ein Dach über dem Kopf zu haben, etwas zum Essen und all die Ablenkungen, die du dir dadurch erlauben kannst indem du immer wieder konsumierst.
Wenn du jedoch dieser Logik nicht anpasst oder gar verweigerst, wehe dem, und wir wissen schon, was dann passiert: Du wirst zu einem Problem, kriminalisiert oder mit Medikamenten vollgestopft. Eben wenn du dich der Akkumulation, der Kontrolle und der kapitalistischen Herrschaft in den Weg stellst.
Noch immer plündern sie im Namen des Profits und ihrer Herrschaft die Kontinente, die Meere und Ozeane. Mit dem Ziel der Versklavung des Bestehenden, legen Sie sich ins Zeug zum auch das “Nicht-Existierende” und kaum “Wahrnehmbare” zu versklaven. Mittels Bio- und Nanotechnologie wollen sie bis ins Innerste alles Lebendingen vordringen.Dazu kommt die Manipulation von Materien und allem Lebendigem um sie “produktiver und funktioneller” in ihren Funktionen für die Wirtschaft zu gestalten.
Dort wo ihre Kriege, Kolonialismus, ihre Diktaturen oder die demokratischen PolitikerInnen (die Ordnung und Ruhe garantieren, im Namen der Wirtschaft) noch nicht angekommen sind, dort verbreiten sich die Multinationalen und ihre Forschungsexperten. Ihre fantastische, umweltfreundliche und alles “erhaltbare”, digitalisierte und “barmherzige” Welt zugunsten der reichen Länder. Gibt es doch in den “armen” Ländern noch genug menschliche und natürliche Ressourcen zu plündern.
Es ist dieses System, die Entwicklung, welche ihre tödlichen Wege nimmt, ihre Angriffe gegen das Leben. Unser Wunsch nach Freiheit, nach Selbstbestimmung kann unmöglich mit dem koexistieren, noch mit der Autorität und den Institutionen, welche dieses System verteidigen und aufrecht erhalten. Es ist vielmehr den Wunsch nach Befreiung von dieser zerstörerischen Entwicklung. Der Kapitalismus, die Regierungen und die Wirtschaft können zugunsten ihres Wachstums auf etwas zurückgreifen: Auf die Unterdrückung.
Obwohl die Bundesbehörden uns in den letzten fünf Monaten Kontrollen und Einschränkungen auf unsere Korrespondenzen auferlegten sowie in den immer zu kurzen gewährten Besuche, geht es mir nicht darum etwas von den Behördern zu fordern. Sowieso könnten sie mir nichts zu meinem Vorteil anbieten, ausser ihrer Idee von Freiheit der vielen “Wenn” und “Aber”, ihrer strengen Überwachung, ihrer Drohungen und Erpressungen.
Die Freiheit, für welche wir kämpfen, welche sie wohl kaum verstehen. Denn diese Freiheit toleriert keine ihrer Grenzen, ihre Knäste und ihre dreckigen Geschäfte. Sie akzeptiert weder ihre Ausbeutung noch die Vernichtung der Frauen und Männer, der Tiere und der Erde, für ihren Profit und Habgier.
Wenn unser Hass und unsere Wut aufwacht, die Sinne, der Hunger, der Körper, das Unbändige in uns bin ich beruhigt, dass WIR nicht nur von der Maschine beherrscht sind; und uns nicht per Knopfdruck ein- und ausschalten lassen gegenüber den Katastrophen, welche sie auf diesem Planeten anrichten. Wir verkörpern unseren Hass gegen dieses Herrschaftssystem der Vernichtung. Dem gegenüber steht unser lebendiger und aktiver Zusammenhalt für diejenigen die Drinnen und Draussen, am Tag und in der Nacht kämpfen.
Freiheit für uns alle, Freiheit für Mumia, Freiheit für Marco, Freiheit für Alfredo, Freiheit für alle Gefangenen und Unterstützung der Kampagne für die Langzeitgefangenen!
Danke für die Briefe, Postkarten, den Stimmen, den Initiativen unter der Sonne und den Sternen, welche die Herzlichkeit der Solidarität übermitteln.
Ciao Costa! Ciao Silvia!
Mit einer starken Umarmung
Thun, 21 settembre 2010,
Billy