Dieser Text wurde aus der französischen Zeitschrift “Non Fides“ (Nr. IV, Mai 2009) entnommen und übersetzt.
Wir
erklären uns Solidarisch mit dem Angriff auf das Büro des Roten Kreuz
in Zürich in der Nacht auf den 9.9, wobei mehrere Scheiben
eingeschlagen und „GEGEN DIE AUSSCHAFFUNGSMASCHINERIE UND IHRE
HANDLANGER!“ auf das Trotoir geschrieben wurde.
Weitere Beteiligte an Einsperrung und Ausschaffung sind ua.:
ORS, IOM, Migrationsämter, Securitas, SBB, alle Internierungsanstalten, Bullen und der Staat.
Auf zur Sabotage!
Den Flyer als PDF gibts hier.
Als wir noch klein waren, hat man uns immer
gelehrt, dass das Rote Kreuz und seine Schwesterorganisationen zu jenen
Institutionen gehören, die ein grosses Herz haben. Auch wenn sie im
Grunde nichts am Funktionieren dieser durch Ausbeutung, Krieg, Elend
und Unterdrückung beherrschten Welt verändern, so versuchen sie
zumindest die Verletzten zu pflegen und ihre Schmerzen zu lindern, wie
sie in ihrer zutiefst religiösen Sprache sagen.
Doch eine neutrale Hilfeleistung kann es nicht geben, und im Falle des Roten Kreuzes ist dies unschwer zu erkennen…
Während
jedes Jahr millionen von Menschen vor Hunger, Katastrophen, Krieg und
Unterdrückung fliehen, in der Hoffnung irgendwoanders ein besseres
Leben aufbauen zu können, warten hier in Europa Rassismus, Razzien,
grenzenlose Ausbeutung und, letzten Endes, Internierungszentren und
Ausschaffungen auf sie. Wenn Flüchtlinge in Europa ankommen, werden
sie oft erstmal in sogenannte “offene Asylzentren“ gepfercht (mehrere
dutzend dieser Zentren werden ausschliesslich vom Roten Kreuz
verwaltet). Diese sind genau wie die Internierungszentren, mit
Stacheldraht umzäunt und auch hier kommen jeden Abend die Wächter, um
die Türen abzuschliessen. Man lehrt hier die Asylsuchenden den
Gesetzen des Kapitalismus und seiner Demokratie zu gehorchen (z.B.
werden die vom Roten Kreuz eingesammelten Kleider an die “Bewohner“
verkauft, welche mit sanfter Hand gezwungen werden entweder im Zentrum,
oder für die lokale Gemeinde praktisch unbezahlte Arbeit zu verrichten
– sie sollen an das Schicksal der Ausbeutung gewöhnt werden, das auch
hier auf sie wartet). Diese Zentren haben ausserdem den Zweck die
Asylsuchenden im Griff zu halten und sie Abhängig zu machen, damit sie
sich nicht in ein selbstständiges Leben ausserhalb des abgeschlossenen
Bereiches wagen. Unter dem Vorwand von humanitärer Fürsorge
organisiert der Staat also eine permanente Kontrolle über all diese
Unerwünschten. Wird das Asylgesuch abgelehnt, kommt die Polizei in
diese neutralen und offenen Zentren, um die zurückgewiesenen
Flüchtlinge zu verhaften und in das Elend oder den Tod auszuschaffen.
Das Rote Kreuz kann schlussendlich nie eine neutrale Hilfeleistung
anbieten, seine Aktivitäten sind ein integraler Bestandteil der Politik
zur Verwaltung und Kontrolle der Migration.
Das Rote Kreuz
unterhält ausserdem enge Verbindungen zur Internationalen Organisation
für Migration (IOM), eine Institution, die versucht die
Migrationsströme den Bedürfnissen des Kapitalismus und der sozialen
Kontrolle anzupassen. Dieselbe Institution bedient sich der Hilfe
verschiedenster humanitärer Organistionen und NGOs, um ihre Erpressung
mit “RückkehrpraÅNmien“ durchzuführen. Den Flüchtlingen wird,
nachdem sie von diesem System jeglicher Perspektive beraubt wurden,
eine ärmliche Entschädigung angeboten, falls sie freiwillig in ihr
Herkunftsland zurückkehren. Es ist ganz simpel: Zuerst raubt man ihnen
jegliche Zunkunft, dann schliesst man sie in “Auffangzentren“ ein und
macht klar, dass sie auch hier nur die Armut erwarten wird, und
schliesslich erpresst man sie mit einigen hundert Euros, damit sie die
Gründe vergessen, wegen denen sie geflüchtet sind… In anderen
europäischen Ländern, wie in Italien und Spanien, ist das
Internationale Rote Kreuz direkter Verwalter jener Ausschaffungsknäste,
in welche die Flüchtlinge nach dem Gerichtsverfahren eingesperrt
werden. Internierungszentren mit ihren Wächtern, ihren
Isolationszellen, ihrer Prügel, ihren Missständen und schlicht dem
Entziehen der Freiheit. Hier zeigt sich das Rote Kreuz erneut ganz klar
als das, was es wirklich ist:
Der humanitäre Flügel der Herrschaft.
In
Belgien sind es die Sanitäter des Roten Kreuzes, die nach den
Aufständen in den Zentren die Verwundeten versorgen und mit
Beruhigungsmitteln vollstopfen, ohne die geringste Kritik von sich
hören zu lassen. In Roissy (Paris), verwaltet das Rote Kreuz zusammen
mit der Polizei die Wartezone für die Sans-Papiers, die am Flughafen
ankommen. Ausserdem dienen sie zur Rückendeckung bei Methoden der
Grenzpolizei (Handschellen, Schläge, Knebel, Drogen) bei gewaltsamen
Ausschaffungen per Flugzeug.
Während einer riesigen Razzia am
17. August 2006 wurden 508 Afrikaner und Osteuropäer aus einem Haus in
Cachan (Frankreich) vertrieben, das sie seit 2003 besetzt hielten.
Jeder Bus der Präfektur der die Geräumten wegtransportierte, um sie in
immer ferneren Vororten wieder auszusetzen, wurde ausserhalb von blau
Uniformierten eskortiert und innerhalb von zwei Mitgliedern des Roten
Kreuzes begleitet.
Vom September 1999 bis 2002 trugen diese
Handlanger des Staates die Verantwortung über die Verwaltung des
Hangars bei Sangatte in der Nähe von Calais. Dort isolierten sie ca.
1800 Flüchtlinge in Zusammenarbeit mir der CRS (mobile
Bereitschaftspolizei von Frankreich), die das unerwünschte Lager
solange überwachte, bis der Staat mit dem Bau eines
Internierungszentrum gleich nebenan fertig war. Vom November 2002 an
fichierten sie schliesslich alle Flüchtlinge, um die Zerschlagung des
Lagers und die darauf folgende Menschenjagd vorzubereiten.
All dies, das bedeutet seine Seite zu wählen.
Doch
es gibt nicht nur die Sans-Papiers, die an den Ufern von Spanien
stranden oder jene, die erschöpft in irgendwelchen europäischen
Flughäfen den Fuss auf die Erde setzen. Es gibt auch die millionen von
Flüchtlingen im Mittleren Osten und in Afrika, die von Kriegen, Elend
oder ökologischen Katastrophen umhergetrieben werden, um schliesslich
in riesigen Konzentrationslagern zu landen (im engeren Sinne des
Wortes: Administratives Einschliessen einer Kategorie von Menschen an
einem abgegrenzten und kontrollierbaren Ort aus rassischen und
kontrolltechnischen Gründen oder zum Zweck der Ausbeutung). Diese
Lager wurden oft vom Roten Kreuz verwaltet, und zwar nicht bloss mit
seinen Sanitätern, sondern auch mit seinen Sicherheitsbeamten. Folglich
stärkt das Rote Kreuz schlicht die gegenwärtige Ordnung, die sich aus
Unterdrückern und Unterdrückten zusammensetzt – und während sie
letztere verpflegen, versuchen sie auch ihre Revolte zu ersticken, die
Revolte, die als einziges wirklich etwas verändern kann.
Als
die Armeen der Demokratie in Ex-Jugoslavien, in Afghanistan und im Irak
einmarschierten, scharten sie die humanitäre Armee des Roten Kreuz
hinter sich. Unter dem Vorwand vor der Politik einer ethnischen
Säuberung schützen zu wollen, übernahm das Rote Kreuz die Verwaltung
einer Reihe von Konzentrations- und Gefangenenlagern in Ex-Jugoslavien.
Tatsächlich versuchten sie jedoch die europäische Politik zur Kontrolle
der Migrationsströme in die militärischen Manöver der UNO einzuführen.
Jeder weiss, dass es unmöglich ist in Zeiten des Krieges neutral zu
bleiben (und nicht wenige kritische Angestellte des Roten Kreuz haben
ihre Arbeit niedergelegt, weil sie diese abscheuliche Neutralität nicht
länger ertragen konnten). Neutral bleiben bedeutet das Lager des
Stärkeren zu wählen – auch wenn man die Schwächeren verpflegt.
Heutzutage werden Kriege “humanitär“ geführt, doch welcher
vernünftige Mensch könnte jemals glauben, dass irgendetwas humanitäres
in den Bombardierungen, den schmerzzerrissenen Körpern, den Verletzten
und den Vergewaltigungen liegt? Während es eine Neutralität vortäuscht,
verstärkt das Rote Kreuz schlicht die bestehenden Machtverhältnisse. Im
Irak, in Afghanistan, sowie anderswo.
Die scheinbar endlose
Geschichte von Ausbeutung und Unterdrückung hatte schon immer einen
Trupp von Kollaborateuren nötig, die sich freiwillig hinter einem „das
wusste ich nicht“ verstecken. Die Demokratische Verwaltung des
Kapitalismus und der Unterdrückung hat alles Interesse daran, das was
in der Zeit der Vernichtungslager der Nazis einmal “die graue Zone der
Kollaboration“ genannt wurde, so weit wie möglich auszudehnen. Sich zu
weigern mit einem System zu kollaborieren, das systematische
Deportationen organisiert, um die ökonomischen Profite und die Macht
von einigen Menschen zu schützen, bedeutet die Möglichkeit einer
wirklichen Kritik zu öffnen; einer Kritik, die sich gegen diese Welt
richtet, in der wir gezwungen sind zu leben. Es bedeutet die humanitäre
Hülle abzukratzen, die dieses tödliche System der Deportation, der
Einkerkerung und der Ausbeutung verhüllen will!