Ein kurzer Bericht aus persönlicher Sicht zum wilden Strassenfest vom vergangenen Samstag:
Mindestens 2’000 Menschen und verschiedene Wägen mit Musik begannen Samstag Nachts gegen ca. 23:30 das besetzte Binz-Areal in Zürich zu verlassen, um durch die Stadt zu ziehen, anlässlich der Räumungsdrohung gegen eben dieses Binz-Areals. Die Stimmung war festlich und ausgelassen, und man spürte, wie sich das belebende Gefühl verbreitete, dass man dabei ist, sich die Strassen zu nehmen, und die Freiheit, alles mögliche zu tun. So liessen sich auch gleich von Beginn an diverse Personen links und rechts mit Spraydosen aus, während kaum eine Stelle unbeschrieben blieb und nicht mit Tags und Sprüchen übersät wurde: „Wir sind zu jung, um zu warten – Es lebe die Anarchie!“, „Kein Eigentum für niemand“, „Aufwertung heisst Verdrängung“, „Für eine Welt ohne Känste“, „PJZ angreifen!“, „Bullen raus aus unseren Leben!“,… etc. Viele Sprayereien richteten sich gegen die Aufwertung, gegen den Bau des neuen PJZ oder widmeten sich der räumungsbedrohten Binz. Diese Sprayereien begleiteten während der ganzen ca. 1 1/2 Stunden den Umzug. Dieser begab sich also Richtung Manesseplatz, und von dort Richtung Schmiede Wiedikon, wo bei einem Autohändler auch schon die ersten Scheiben zu Bruch gingen. Bei der Quartierwache Wiedikon angekommen, wurde dderen Fassede verschmiert („Bullen angreifen!“) und Scheiben zertrümmert, ebenso wie die Scheiben und Bankomaten der nebenan gelegenen ZKB-Filiale. Die Bullen, die bislang dem Umzug mit einigen Autos vorangefahren sind, begannen in diesem Moment zum ersten Mal zu Schroten und mit Tränengas zu schiessen, und dann auch den Wasserwerfer einzusetzen. Es wurde mit einigen geworfenen Gegenständen geantwortet, bevor man Richtung Schmiede Wiedikon zurückdrängte, wo die Strasse Richtung Bahnhof Wiedikon einschlagen wurde. Die kleine Band auf einem Wagen noch immer Grindcore spielend, aus den anderen Wägen noch immer treibender Techno ertönend. Auf dem Weg Richtung Bahnhof Wiedikon verliert eine UBS Bank fast alle ihre Scheiben. Bei einem erneuten Vorrücken der Bullerei wurden erste Barrikaden aus brennenden Kontainern errichtet, während etwas Gas und Steine flogen. Der Umzug begab sich über die Ankerstrasse Richtung Langstrasse. Dabei wurden bei der Polizeiberatungsstelle sowie bei dem Mercedesverkäufer die Scheiben eingeschlagen.
Beim Coop an der Ecke Langstr./Badenerstr. angekommen, wurden die Eingangsscheiben eingeschlagen, so dass sich zahlreiche Leute Zugang verschufen und den Laden zu plündern begannen. Bald flogen Schocko-Osterhasen durch die Luft, und man bediente sich mit Alkohol, Zigareten, oder einer kleinen Verpflegung für zwischendurch. Neben dem geplünderten Coop kann man lesen: „Alles für alle!“, „Kein Eigentum!“ und „Es Lebe der Pöbel!“.
Etwas weiter vorne wurden bei einer Filiale der ZKB die Fenster mit Hämmern demontiert, sowie die Geldautomaten unbrauchbar gemacht. Das ganze unterschrieben mit: „Für eine Welt ohne Geld!“
Auf Höhe des Helvetiaplatzes angekommen, stellten sich die Bullen in der Langstrasse auf, so dass ein Teil der Leute nach links in die Sauffacherstrasse abbog. Die Bullen setzten erneut den Wasserwerfer ein und es gelang ihnen, die Menge etwas zu zerstreuen. Die zerstreuten Grüppchen errichteten mit Baustellenmaterial und Kontainern verschiedene Barrikaden in den Strassen des Quartiers, bevor sich der Umzug mehr oder weniger wieder zusammenfand, um sich durch die Feldstrasse Richtung Badenerstrasse zu begeben. Ein dortiges Gebäude, welches das Amt für Strafvollzug beherbergt, wurde massiv verunstaltet, indem etliche Scheiben eigenschlagen und Sprayereien angebracht wurden („PJZ Niemals!“, „Keine Richter, keine Bullen!“, „Freiheit für alle Gefangenen!“). Der Umzug begab sich wieder Richtung Bahnhof Wiedikon, wo die ganze Kreuzung mit verschiedenen Barrikaden blockiert wurde. Die Bullen versuchen noch einmal vorzurücken, es kommt zu kurzen Konfrontationen, die Leute zerstreuen sich zum Teil, und gehen auf unterschiedlichen Wegen weiter.
Insgesamt wurden mehrere Male herannahende Bullenautos von kleinen Gruppen unter Steinwürfen verfolgt und vertrieben.
Zahlreiche Ticketautomaten und Anzeigetafeln des ZVV wurden unterwegs ebenfalls ausser Betrieb gestellt.
Ausserdem seien mehrere Autos in Brand gesteckt worden.
Jedenfalls fand man sich dann irgendwo, einige Strassen weiter, wieder mehr oder weniger zusammen, und begab sich wieder Richtung Manesseplatz. Dort wurde eine UBS-Bank entglast und weitere Barrikaden errichtet. Die nahe Coop-Filiale wurde gewaltsam geöffnet und von einigen geplündert.
Der Umzug begab sich zurück in das Binz-Areal, wobei etwa 5 Linien aus Barrikaden hinter sich gelassen wurden.
In der Binz wurde bis zum nächsten Morgen weitergefeiert.
Wie gesagt, dies ist ein persönlicher Bericht, und gewiss entgehen ihm viele Sachen, oder lässt er vieles ausser Acht…
Medien
Tagesanzeiger:
Demo mit Coop-Plünderung und grossen Schäden: «Mitgegangen, mitgehangen»
3.3.2013: In der Nacht ist ein grosser Saubannerzug durch Zürich marschiert. Dabei kam es zu Ausschreitungen und massiven Sachbeschädigungen. Polizeivorsteher Leupi kritisiert die Binz-Besetzer scharf.
Bei Ausschreitungen in Zürich ist in der Nacht auf Sonntag ein Sachschaden von mehreren Hunderttausend Franken entstanden. Gestern vor Mitternacht zogen weit über Tausend Demonstranten vom besetzten Binzareal her in den Kreis 4, wo sie planlos randalierten. Am Tag nach dem Saubannerzug meldete sich Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) zu Wort: «Ich verurteile die Aktion von gestern Nacht in aller Schärfe. Dieser Gewalt- und Zerstörungszug durch Wiedikon und den Kreis 4 kann nur als kriminell bezeichnet werden», schreibt er in einer Stellungnahme.
Offenbar sei die Gewaltanwendung von einer relativ kleinen Kerngruppe ausgegangen. «Bedenklich ist aber, dass die grosse Menge der Mitläufer sich nicht deutlich von der Gewaltanwendung distanziert hat.» Für Leupi ist klar, dass der Grundsatz gelte «Mitgegangen, mitgehangen». Der linke Polizeivorsteher kritisiert die verantwortlichen Binz-Aktivisten scharf: «Sie haben sich mit dieser nächtlichen, anonymen Gewalteskalation mehr als diskreditiert.» Konkrete Massnahmen nennt er jedoch keine. Er teilt mit, die Stadtpolizei werde alles daran setzen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Dutzende Gewaltbereite
Bei der Demonstration in der Nacht schlossen sich immer mehr Leute spontan dem Pulk an, der von Wagen mit lauter Musik und einer Liveband begleitet wurde. Zum grossen Teil handelte es sich zwar um friedliches Partyvolk. Doch unter den Teilnehmern befanden sich auch «Dutzende Vermummte, die gewaltbereit sind», wie ein Augenzeuge berichtete.
Die Vermummten warfen Bauabsperrungen auf die Strasse und zündeten Container an. Immer wieder knallten Feuerwerke. In der Nähe des Stauffachers im Kreis 4 kam es erstmals zu Ausschreitungen und Sachbeschädigungen: «Einige Demonstranten warfen Steine in Richtung der Polizisten», sagte ein weiterer Augenzeuge.
Die Polizei schien offenbar von der grossen Menschenansammlung überrascht. Sie konnte den Krawallmachern stundenlang kein wirksames Aufgebot entgegenstellen. Nach ersten Scharmützeln zogen die Demonstranten weiter in Richtung Langstrasse. Dort setzten sie Mülltonnen in Brand und sprayten Hauswände voll. Viele von ihnen stammen aus dem Umfeld der Binz-Besetzer – oder schlossen sich spontan den Gewaltbereiten an.
Sinnlose Gewalt
Der Umzug entwickelte sich immer mehr zu einem Saubannerzug. Krawallanten schlugen die Türe des Coop Pronto an der Ecke Badener-/Langstrasse ein. Insgesamt ein Dutzend Vermummter betrat daraufhin die Filiale, heraus trugen sie Alkohol und Zigaretten, einige warfen Schokohasen auf die Strasse.
Mit Tränengas, Gummischrot und einem Wasserwerfer verhinderte die Polizei, dass der Demonstrationszug mit weit über tausend Leuten weiter die Langstrasse hinab gelangte. Die Wagen mit Musik und einer Lichtshow wichen in eine Seitenstrasse Richtung Lochergut aus.
An jeder Ecke wurden Baustellen verwüstet, Wände versprayt und Feuer entfacht. Beim Bezirksgericht schlugen Unbekannte ein Fenster ein, ebenso bei einem Autohändler. Während die Feuerwehr auf der Badenerstrasse ein Feuer löschte, wurden wenige Meter weiter bereits neue Container angezündet. Verhaftet wurde niemand, wie es bei der Stadtpolizei auf Anfrage hiess. Bisher seien auch keine Meldungen über Verletzte eingegangen.
Zeichen gegen Binz-Räumung
Die Leute hatten sich vermutlich aufgrund eines Partyaufrufes unter Gleichgesinnten im besetzten Binzareal besammelt. Kurz nachdem sich der Demozug stadteinwärts in Bewegung gesetzt hatte, kam es zu ersten Sachbeschädigungen, wie die Stadtpolizei am Sonntag mitteilte. Unter anderem wurden die Regionalwache Wiedikon und diverse umliegende Gebäude durch Schmierereien und eingeschlagene Fensterscheiben massiv beschädigt.
Das ehemalige Fabrikgebäude auf dem Binzareal wird seit 2006 besetzt und als alternatives Wohn- und Kulturzentrum genutzt. Die Demonstranten hatten am späten Samstagabend zu einer unbewilligten Kundgebung aufgerufen. Sie wollten als Reaktion auf die angekündigte Räumung «ein Zeichen setzen», wie sie in einer Mitteilung schrieben.
Auch mehrere Einsatzfahrzeuge sind laut der Stapo massiv beschädigt und Geschäfte geplündert. Nach weiteren Einsätzen von Gummischrot und Reizstoff zog sich die immer noch mehrere Hundert Personen umfassende und «sehr aggressive Menschenmenge» gegen 2 Uhr ins Binzareal zurück. Bisher gingen bei der Stadtpolizei keine Meldungen über verletzte Personen ein.