gefunden auf indymedia
Der 20 Oktober in Syntagma
Wir waren gestern am Syntagmaplatz in Athen. Wir nahmen am Angriff gegen die Schergen der PAME (Gewerkschaft die der griechischen KP nahe steht) und der KKE (griechische kommunistische Partei) teil. Wir sind keine Griechen, nur ein Haufen von Anarchisten, die hier in Athen leben. Daher ist dies eine wichtige Information, die zu erwähnen ist. Dies ist nur eine individuelle Stellungnahme, die unter keinen Umständen representativ für die anarchistische Bewegung von Athen ist. Die Anarchisten in Athen werden die gestrigen Ereignisse selber bewerten. Trotzdem wird es als wichtig empfunden, dies niederzuschreiben, weil wir eben keine Griechen sind und eine andere Ansicht auf die gestrigen Ereignisse haben. Eine die sicherlich voller Lücken sein wird, die ungewollt auch Fehleinschätzungen hat und trotzdem ein wichtiger Ausdruck ist, da die Ereignisse in erster Person erlebt wurden.
Ja, wir waren dort und wollten eine gewaltsame Auseinandersetzung mit den Bullen und mit den Kommunisten.[1] Wir wollten uns mit ihnen schlagen und taten es auch.
Warum den? Dass werden sich viele im deutschprachigem Raum fragen. Diese Frage stammt aus einer historischen Analyse der Geschichte, einem Verständnis der Linken und ihrer Rolle als Verwaltende Kraft des Kapitalismus und der herrschenden Zustände, daher auch aus einem Verständnis ihrer gegenwärtige Rolle. Der Zusammenstoss mit der KKE ist daher nicht Lokal zu verstehen, sondern als ein historischer Zusammenstoss [2].
Das historische Vermächtnis der Linken ist nach wie vor die Verwaltung des kapitalistischen Elends und nicht die Zerstörung von diesem. Wir als Anarchisten sehen es als wichtig, dies aufzuzeigen und daher im Alltag auch zu bekämpfen.
Nach den Krawallen auf dem Syntagmaplatz am Mittwoch dem 19 Oktober fanden wir nicht nur wieder einmal den Zusammenstoss verschiedener Kräfte, die die Geschichte der Welt in verschiedene Richtung reissen. Dies war nur der materielle Ausdruck einer alltäglichen Wut und Verzweiflung. Wesentlich wichtiger war die klare Positionierung von denen, die die Geschichte als einen Berg von Leichen, Ausbeutung, Tot und Elend verstehen und diesen Lauf nicht beenden wollen.
Der Streik, der 48 Stunden lang dauerte, richtete sich gegen die Abstimmung im Parlament, in dem eine weitere Sparmassnahme entschlossen werden musste um Griechenland vor der Krise zu retten.
Der Streik wurde von verschiedenen politischen Organisationen angekündigt bzw. unterstützt. Nachdem am Mittwoch eine Gruppe von Menschen die kommunistischen Sicherheitskräfte [3] vom Platz vertrieb, wurde die Polizei angegriffen, die das Parlament schützte.
Die KKE in ihrer Logik als die einzige politische Kraft, die die Proteste steuerte, obwohl nicht selber organisierte, konnte ihre Legitimation als Avantgarde nicht in Frage stellen lassen. Die KKE sieht sich selbst als die in Griechenland einzige gesegnete Partei, die die Interessen der Arbeiter und des Volkes am besten vertreten kann. Normalerweisse gehen sie nie auf Bündnisse ein, machen ihre Demonstrationen alleine… Daher, als sie sich selbst segneten, die Arbeiter und das Volk auf dem Syntagmaplatz zu schützen, besetzten sie einfach nur die Zutritte vor dem Parlament. Niemand durfte dorthin, ausser die eigenen Mitglieder, oder jene, die mit den Interessen der KKE und der PAME übereinstimmen. Es war die Auswirkung ihrer politischen Macht auf alle und alles.
Das Zentralkommitee der KP erklärte dann selber, am selben Tag, dem 20 Oktober, dass es gegen die Angriffe, die gegen die Einheit der Arbeiter ausgerichtet waren, stand gehalten habe. Es hatte diese populäre Bewegung vor Faschisten, Provokateuren und der Polizei [4] geschützt.
Die leninistische Logik der Einheit/Synthese lässt Dissidenz nicht zu, jede Dissidenz wird sorgfältig bekämpft. Wiedereinmal siegt die Ideologie übers Individuum. Erklärt kann dies als die kosequente Logik der ultimativen Verfechter einer eigenen Ideologie werden, weil diese keine Fehler machen. Mit dieser kaltblütigen Einstellung gehen sie mit jedem um. Unsolidarität, Gefühlslosigkeit und absolute Härte gegenüber all jenen anderen. Daher steht der Auschluss und die geistige wie die körperliche Repression an der Tagesordnung. Wieder einmal die Enstehung perfekter Aktivisten.
Die KKE und die Linke zu verstehen, lässt uns keinen Ausweg als einen direkten Zusammenstoss mit ihnen. Nicht aufgrund ihrer Essenz als Partei, sondern als eine tragende Säule der Gesellschaft.
Für all jene, die an diesem Tag dort waren und danach die Berichte der KKE und der Medien hörten, liefen zwei komplett verschiedene Filme im Kopf ab. Wir griffen nicht Demonstranten an, sondern die KKE und die PAME. Wir wollten rauf zum Parlament, wie all jene anderen auf dem Syntagmaplatz und sie verwehrten uns den Zutritt.
Daher ist der Aufruf der KKE und die PAME die Verlogenheit für sich selbst. Ihre Entscheidung soll nicht als Provokation verstanden werden. Es ist nur die logische Konsequenz einer sich immer wiederholenden Geschichte des Klassenkampfes.
Wir fragen uns nicht, wieso die Mitglieder der KKE und der PAME die Rolle der Polizei einnahmen. Wir fragen uns auch nicht, warum die Bullen sich nicht darum kümmerten, dass sie es überhaupt notwendig hatten, ihre Helme aufzusetzen. Sie wussten nähmlich ganz genau, wer am Donnerstag ihre Verbündeten waren. Wir wussten es auch.
Was am Mittwoch und am Donnerstag in Athen ablief, ist nichts weiteres als ein Einschnitt im Verhältnis zwischen uns und der Linken.
Dies sollte auch als eine allgemeine Frage an alle deutschsprachigen Anarchisten verstanden werden. Denn über die Linke zu jammern bringt niemanden weiter. Genauso wenig wie Hoffnung, dass diese sich radikalisieren könnte. Es wäre genauso wie der Glaube, Kapitalismus könnte menschlicher werden.
Wichtiger wäre als Anarchisten die Frage, wer wir sind, was wir wollen und wie wir dies erreichen wollen.
Gerade im deutschsprachigen Raum ist diese Frage wichtig, weil sich viele Anarchisten als einen Teil der Linken verstehen und daher auf ihre eigene Subjektivität verzichten.
Unser Leben verstehen wir als eine Spannung, die in der Zerstörung jeder Autorität und Unterdrückung vollendet. Der Ausdruck dieser mag sehr oft nicht der richtige sein, wir haben aber niemals einen Anspruch darauf gehabt, auf alles eine Antwort zu haben.
Zu gut kennen wir die Ausreden, dass nicht alle Linken gleich sind, viel zu gut kennen wir die Flucht vor der eigenen Verantwortung vor der Gegenwart in der BRD, Schweiz und Österreich. Zu oft haben wir schon auf Indymedia lesen müssen, dass es sich nicht um Anarchisten in Griechenland handeln würde, sondern um Autonome, Antiautoritäre. Die allgemeine Verwandlung von anarchistischem Handeln in eine Linke Praxis ist schon bekannt und gehört aufgezeigt und verurteilt. Der Grund warum sich hier Anarchisten als solche bennenen, ist kein Zufall. Es geht nicht darum, dass, wie sehr oft, mit der Sprache in einem postmodernen Sinne jongliert wird. Hinter jedem Begriff versteckt sich die Geschichte von Kämpfen und deren individuelle Entwicklung. Diese von ihrem Inhalt zu entleeren und sie von ihrer Subjektivität zu trennen, ist respektlos und leider allgegenwärtig, wenn es um griechische Anarchisten geht. Aber nicht nur…
Die deutschsprachigen Länder können nicht mit Griechenland verglichen werden, was aber nicht übersehen werden kann, ist die Rolle der Linken in jedem dieser Länder.
Es ist eine Fehleinschätzung nach Schuldigen zu suchen. Denn dies ist der leichteste Ausweg jeder Analyse. Wir entziehen uns nicht unserer Verantwortungen.
Wir waren dort, ein komplett verrückter Haufen von Spinnern denen teilweise komplett die Fresse polliert wurde. Es war weder eine heldenhafte noch ruhmreiche Aktion, und trotzdem bereuen wir nix.
Nur in der Auseinandersetzung mit unseren Widersprüchen kommen wir weiter. Der Weg zum Kommunismus erlangen wir nur durch den direkten Konflikt mit allen falschen Kritikern der herrschenden Zustände.
Die nicht mehr so verdeckten Freunde von Durruti aus Athen.
„Dann geschah es, dass ich alles Leiden, alle Vergangenheit, alle Schrecken und Qualen, die sich in meinem Körper eingegraben hatten, in den Wind schleuderte, als ob sie anderen Epochen angehört hätten, ich überliess mich unbeschwert den geträumten Abenteuern und sah schon im Fieber der Vorstellung eine andere Welt, verschieden von der, in der ich lebte und die ich doch wünschte, eine Welt, verschieden von der, in der die Menschen gelebt haben, und wir waren viele, die sie erträumten.“ (Von einem „Unkontrollierten der Eisenkolonne“)
PS: wir entschuldigen uns nicht zu sehr, dass wir der deutschen Rechtschreibung nicht sehr geläufig sind… [Anmerkung des Weiterverbreitenden: Die Sprache wurde von mir etwas überarbeitet.]