06.05.2010 – Lausanne: Kleine Unruhen

Bei einer Kundgebung, die als Reaktion auf die vermehrten staatlichen Morde stattfand, ist es in Lausanne zu Auseinandersetzungen gekommen. Bullen wurden mit Gegenständen beworfen und die Scheibe einer Werbeagentur ging zu Bruch. Aus einem übersetzten Communiqué:


"Gestern fand in Lausanne eine Kundgebung
statt gegen die Morde und die steigende Repression des
"demokratischsten Landes der Welt
". Fassen wir den Kontext kurz
zusammen: am 11.März 2010 zündete der Gefangene Skander Vogt im Knast
von Bochuz (VD) seine Matratze an als Protest gegen die
Haftbedingungen, die Bullen liessen ihn in seiner Zelle verrecken
(siehe hier);
am 17.März 2010 wurde der Nigerianer Alex Uzuwulu in Zürich von den
Bullen ermordet wegen seinem Widerstand gegen eine Zwangsausschaffung
(siehe hier);
am 11.April 2010 wurde der junge Umüt auf grausame Weise von den
Waadtländer Bullen ermordet: auf der zwischen Lausanne und Genf
abgeriegelten Autobahn schossen die Bullen auf ihn als Antwort auf
einen Diebstahl eines Luxusautos, der "Dieb" (denn wir wissen wo sie
sind, die wahren Diebe!) wurde schlichtweg exekutiert, niemand im
geklauten Auto war b
ewaffnet (siehe hier). Zudem wurden unsere anarchistischen Genossen Silvia, Costa und Billy verhaftet (siehe hier)
und die revolutionären 1.Mai-Umzüge waren mehr oder weniger überall in
der Schweiz mit gewaltiger Repression konfrontiert. Gründe um wütend zu
sein gibt es also freilich genug!

Um Flexibilität zu zeigen, wurden zwei Zeiten
angekündigt, 18 Uhr und 19 Uhr, doch schliesslich waren schon ziemlich
viele Leute um 17.45 Uhr da. Der Place St-François war schliesslich gut
gefüllt, die genaue Anzahl ist schwierig einzuschätzen, dürfte sich
jedoch irgendwo zwischen 100 und 2’000’000 Menschen bewegen. Scheinbar
wollten die Bullen auf Nummer sicher gehen: sie begannen schon am
Nachmittag, die ganze Innenstadt zu blockieren, womit sie eine
furchtbare Blockadeeffizienz bewiesen, eine Effizienz, die wir selbst
wohl nie erreicht hätten! Am Anfang war alles z
iemlich ruhig, eine
nette Menschenmenge, die Punk und Hip-Hop hörte und diverse
alkoholische Getränke zu sich nahm. Verschiedene Transparente
veranschaulichten die Wut auf die Bullen und die Behörden und etliche
Flugblätter, die über die Situation informierten, wurden verteilt.
Gegen 20 Uhr entschied eine kleine Gruppe anscheinend eher jüngerer
Leute, ihre Wut auf konkrete Art und Weise zu zeigen: sie liefen das
kleine Gässchen neben dem Starbucks hinauf und griffen, unter den Rufen
"Bullen, Schweine, Mörder", diese mit schrecklichen Waffen – Büchsen
und Flaschen – an, wobei sie noch die Scheibe einer Werbeagentur
ze
rtrümmerten. Daraufhin begannen die "Beschützer der Demokratie", den
Platz zu umzingeln, bis die Demokratie auf einige Quadratmeter
reduziert war. Alle Ausgänge waren blockiert und nur Minderjährige,
Alte und Geschäftsmänner hatten ein Durchgangsrecht, nicht aber böse
aussehende Leute, genausowenig wie AusländerInnen. Nette kleine
Demokratielektion: als ob wir nicht wüssten, dass einige gleicher sind
als andere! Nach einigen Diskussionen wurden die Leute zum Preis einer
Durchsuchung durchgelassen.
Allerdings schien eine Handvoll junger
Leute der Falle gar nicht entkommen zu wollen. Schaut man die
Medienfotos an, sieht man sie lächelnd auf der Strasse sitzen,
umzingelt von einer Masse von Kastenwagen, Robocops und zwei
Wasserwerfern. Trotz dieses beindrucke
nden Dispositivs sahen sie
überhaupt nicht beeindr
uckt aus. Wahrscheinlich waren sie sich der
strategischen Sinnlosigkeit einer Konfrontation nicht weniger bewusst
als die "Alten", nur war es ihnen scheissegal. Die Medien beschwörten
natürlich sofort den "autonomen" Geist (oder gar den "autonomistischen"
für einige, di
e scheinbar die Subtilitäten politischer Theorien nicht
ganz verstanden haben), um die Mini-Riot zu erklären. Wie auch immer
man es nennen mag, die Feststellung drängt sich auf, dass die junge
Generation die Sündenbockrolle nicht mehr spielen mag, die ihr vom
Spektakel zugewiesen wird, um seine Verwüstungen vergessen zu machen.
Und einzig und allein die Angst vor der Wut des Volkes reichte gestern
den Bullen, um die ganze Innenstadt zu blockieren und eine sicher
ziemlich beträchtliche Anzahl an Überstunden zu schieben. Ein
Journalist des Courriers (siehe hier)
versucht in einem Leitartikel, diese Wut als Teil des Spektakels zu
präsentieren. Vielleicht sollte er Debord nochmal lesen: diese Wut hat
zum Ziel, der spektakulären Gesellschaft zu schaden, sie ist nicht im
geringsten übertrieben.

Es wurden 71 Personen kontrolliert, davon 15 minderjährig, 67 wurden wegen diversen Delikten angezeigt."

 

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