Verhaftungen in Paris: Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere!

Verhaftungen in Paris: Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere!

Gestern Nachmittag, am Dienstag 16. Februar wird gegen 15 Uhr erneut jemand bei sich zu Hause verhaftet. Gleich darauf wurde die Wohnung durchsucht und die Person folglich im "Quai des Orfèvres 36" [Amt der Französischen Staatssicherheit] zusammen mit den anderen Verhafteten des Vortages in Polizeigewahrsam genommen.
Am Abend soll noch eine weitere Person verhaftet worden sein, dies ist jedoch nicht bestätigt.
Mehrere Personen sind ohne irgendwelche Anklagen aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Eine, Hélène ist seit Montag Abend draussen, sie hat Aussagen gemacht (beschissen!). Eine Person wurde am Montag Abend entlassen. Zwei weitere, die am Montag Morgen verhaftet wurden, sind am Dienstag Abend freigelassen wurden, ebenfalls ohne Anklagen.
Wir haben auch gehört, dass mehrere Wohnungen der Eltern der Verhafteten vom Montag Morgan gleich darauf durchsucht wurden.
Während der Hausdurchsuchungen haben die Bullen Computer und Flyer beschlagnahmt und schienen nach bestimmten Kleidern zu suchen.
Die Fragen in Polizeigewahrsam bezogen sich vorallem auf die Solidaritätsaktionen, die seit zwei Monaten im Zusammenhang mit dem Prozess zur Brandstiftung am Internierungszentrum von Vincennes stattfanden: Umzüge, Besetzungen von Unternehmen die sich an der Ausschaffungsmaschinerie beteiligen (Air France, Carlson Wagonlits), Sabotagen an Bankomaten (unter anderem BNP Paribas, Crédit Lyonnais und La Poste, welche Sans-Papiers an die Bullen verraten)…
Angesichts der Weigerung von mehreren Verhafteten ihre DNA abzugeben, haben die Bullen versucht, diese von Zigarettenstummeln und Kleidern abzunehmen. Die Verweigerung der DNA scheint nicht als Anklagepunkt behandelt zu werden, zumindest nicht gegen jene, die freigelassen wurden.

Nun, um zusammenzufassen (was nicht vollständig sein kann): Montagmorgens wurden sechs Personen verhaftet und ebensoviele Wohnungen durchsucht; eine weitere Person wird Dienstags verhaftet. Von diesen sieben Verhafteten sind drei wieder freigelassen worden.

Den Medien zufolge sollen vier Personen diesen Mittwoch Morgen vor Gericht gebracht werden, um eventuell ein Ermittlingsverfahren für "Beschädigung und Zerstörung von Gütern in einer Gruppe" und "Zerstörung von Gütern durch explosive Substanzen und Brandstiftung" zu eröffnen. Das Gericht hat beantragt sie unter juridische Aufsicht zu stellen. Mehr Infos werden bald folgen.

Eine 80 Personen umfassende Versammlung in Solidarität mit den verhafteten Personen und mit den Akten, die ihnen vorgeworfen werden, fand Gersten um 17:30 beim Chateau Rouge statt. Aufgrund des grossen Bullendispositiv, das zum einkesseln bereit schien, sobald ein Flyer oder ein Transparent erscheinen würde, haben es die Leute bevorzugt, sich zu verstreuen, um sich einige Minuten später bei Strasbourg-Saint-Denis wieder zu versammeln. Anschliessend liefen alle, etwas weniger zahlreich, in einer wilden Demonstration und "Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere" und "Bullen, Schweine, Mörder" rufend in Richtung Chateau-d’eau und République, bevor sie sich wieder zerstreuten, als das Bullendispositiv uns wieder aufgefunden hatte und versuchte, sich uns in den Weg zu stellen. Es gab keine Verhaftungen.

Wir lassen nicht nach, hoffen wir, dass in den folgenden Tagen weitere Initiativen folgen werden, in Solidarität mit den verhafteten Personen und mit den Ideen, die wir in Worten und in Taten verteidigen.

Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere.
Zerstörung aller geschlossenen Zentren.

—————————————————-

Ein Text der in Bezug auf die Verhaftungen in Frankreich erschien:

FREIHEIT FÜR ALLE, MIT ODER OHNE PAPIERE

AM 12. NOVEMBER 1938 auferlegte die sehr republikanische und demokratische III. Republik per Dekret die administrative Einschliessung von "unerwünschten" Auslädern in "speziellen Zentren". Ein Jahr später, am 18. November, generalisiert dieser selbe Staat die Massnahmen zur Internierung aller "für die nationale Verteidigung und öffentliche Sicherheit gefährlichen Individuen" in "überwachten Tagungszentren". Mit oder ohne Papiere, Ausläder oder "Franzose", von der III. Republik bis Heute organisiert der Staat die Einschliessung aller Unerwünschten in Lager (Internierungszentren, Gefängnisse, Psychiatrien, Jugendgefängnisse), insofern sie nicht direkt durch die Kugeln der Bullen beseitigt, bei der Arbeit verunglückt oder durch chemische Zwangsjacken zerstört wurden.

AM DIENSTAG DEM 9. FEBRUAR 2010 forderte irgendein Henker und Anwalt seines Staates mehrere Jahre geschlossene Haft für 10 Sans-Papiers, die zur Brandstiftung am Lager für Ausländer in Vincennes im Juni 2008 angeschuldigt werden. Am Montag dem 15. Februar 2010 unternahm die "Brigade criminelle" Hausdruchsuchungen und die mindestens 48 Stunden lange Gefangennahme von mindestens 5 für Beschädigung von Bankomaten in Paris verdächtigte Kameraden, welche in den vorhergehenden Wochen auf der Strasse anonym mit Stickern "gegen die Ausschaffungsmaschinerie" bekennt wurde.

VERMEHRUNG DER ÜBERWACHUNGSKAMERAS an allen Strassenecken (mehr als 1000 neue sind in Paris vorgesehen), unablässiges Erbauen von Gefängnissen jeglicher Art, Ansteigen der Anzahl uniformierter Prügler in den Quartieren, endlose Kontrollen der Arbeitslosen durch die Behörden und anhaltende Zerdrückung jener, die schuften, um daraufhin entlassen zu werden, humanitäre Bombardierungen in Afghanistan: Der Staatsterrorismus hätte gerne, dass wir alle Unterworfene, Sklaven und Resignierte sind.

DENNOCH IST DIESES SCHEISS GEFÄNGNIS für Sans-Papiers in Vincennes vollständig abgebrannt und viele haben sich daran erfreut. Dennoch sind im vergangenen Dezember und Januar in zahlreichen Städten Banken angegrifen worden, und niemandem ist die alberne Idee gekommen, über ihr Schicksal zu weinen. Und wir haben auch die gewaltige Revolte vom November 2005 nicht vergessen, als hunderte von Komissariaten, Schulen, Firmen und Behörden in Brand gesteckt wurden. Wir haben auch die wilden Demonstrationen, die Sabotagen und die Strassenkämpfe während der "anti-CPE Bewegung" 2006 nach der Wahl von Sarkozy nicht vergessen. Wir haben auch die Geiselnahmen von Bossen, die Drohungen die Fabrik mit Gasflaschen in die Luft zu sprengen oder die Verwüstung der Unterpräfektur von Compiège durch die Arbeiter von Continantal nicht vergessen.

WEIL SIE UNS DAZU VERDAMMEN WOLLEN zu "arbeiten" (das heisst, versuchen zu überleben), um weiterhin die Bourgeoisie in allen Ecken de Welt zu bereichern oder dazu, bei den alltäglichen Verwaltern unseres Elends (um Sozialhilfe, Strafmilderung, eine Scheisswohnung) zu "betteln"…

DENN DIESER SOZIALE FRIEDEN, der unsere Kollaboration erfordert, ist ein ein Krieg, der im Namen des Geldes gegen uns geführt wird…

DENN DIE RAZZIEN gegen Sans-Papiers, deren Internierung und Ausschaffung sind auch eine verschärfte Kontrolle und Ausbeutung, die wir alle ins Gesicht kriegen…
…die Sabotagen von Bankomaten oder von Maschinen bei der Arbeit, das Schliessen von Eisenbahngleisen, die Fabrik- oder Strassenblockaden, das in Brand stecken von Gefängnissen oder Arbeitsplätzen, die Besetzung von Behörden oder Schulen, die Verwüstung von Läden oder Firmensitzen und all die anderen Aktionen ohne Mediation, die sich gegen den Staat und den Kapitalismus richten und ein jeder in dem Kampf erfindet, sind seit jeher und überall von den Rebellen verwendet worden.

WIR NEHMEN IHRE FANTASIEGEBILDE NICHT HIN, über imaginäre "Ulrta-linke" und "anarcho-autonome", als x-te Inländische Feind, wir schlucken ihren Dreck über diese zehn Sans-Papiers von Vincennes nicht, die im vorherein verteilt wurden, als Sündenböcke einer kollektiven Revolte. Das Verlangen nach Freiheit in einer von jeglicher Herrschaft entledigten Welt wird immer viel grösser sein, als die beschränkten Hirne der Bullen ausmalen können.

Lasst uns zerstören, was uns zerstört. Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere. Solidarität mit den Revolten der Ununterworfenen der sozialen Befriedung.
Dieser Beitrag wurde unter Worte veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.