Die Leidenschaft Für die Freiheit
Eine weitere Episode in den Chroniken der Repression ist mittlerweile allen wohl bekannt: Alfredo Bonanno (aus Italien) und Christos Stratigopoulos (aus Griechenland), zwei Anarchisten, die bereits einige Male von der Repression getroffen wurden, sind am 1. Oktober 2009 nach einem Überfall in Griechenland verhaftet und in der kleinen Stadt Amfissa ins Gefängnis gesteckt worden. Wir haben nicht die Absicht ihre Tat zu kommentieren, die nichtsdestotrotz unsere volle Sympathie hat, ebensowenig werden wir uns den Details bezüglich der Verhaftung der Gefährten widmen, die in Flyern und Communiqués bereits reichlich dargelegt wurden.
Im Gegenteil, wozu wir hier ein starkes Verlangen verspühren, ist allen Gefährten, die diese Zeilen lesen, in Erinnerung zu rufen, dass Christos und Alfredo noch immer in dem Konzentrationslager von Amfissa festgehalten werden, und dass es Zeit ist, mit einer grösseren Entschlossenheit darüber nachzudenken.
Jeder weiss nun über die Haftbedingungen in Amfissa bescheid. Kein lebendes Wesen sollte an einem solch höllischen Ort abgesetzt werden. Wir wollen darum ein für alle mal seine Zerstörung, ebenso wie die jedes Gefängnisses und jeder Haftanstalt dieser Welt, ein Verlangen, das wir und viele andere Gefährten immer wieder duch Worte und manchmal (wir befürchten viel zu wenig) durch Taten betont haben. Wir stimmen alle mit viel diskutierten Punkten überein, mit dem Angriff auf dieses Ausbeutungssystem, das Gefängnisse baut und jegliche Form von Rebellion unterdrückt, ebenso wie mit der vollständigen Zerstörung von allen Gefängnissen. Wir erkennen auch, das den gefangenen Gefährten Unterstützung und Solidarität gegeben werden sollte. Wir wollen all unsere Gefährten draussen sehen, gemeinsam mit jedem Rebell, der gegenwärtig in den Kerkern egal welchen Staates festgehalten wird. Unser eigenes Konzept für soziale Abrechung habend, sind wir gegen das Gefängnis, selbst für unsere Feinde.
In diesem Kontext wollen wir den spezifischen Fall von Alfredo betonen, dessen Alter und Gesundheitszustand – leider – auch ein Teil der Chronik geworden sind. Es ist ziemlich offensichtlich, dass seine weitere Haft unter den gegenwärtigen Bedignungen eine präzise politische Wahl ist, abgestützt vom Gesetz – wo die Macht zum höchsten Grad seiner Rache an einem anarchistischen Revolutionär gelangt, der stets ein eingeschworener Feind der Autorität in all ihren Formen war.
Es ist Zeit zu handeln, in Anbetracht von Alfredos Situation, die dabei ist äusserst ernsthaft zu werden, ebenso, wie zum denunzieren der weit verbreiteten barbarischen Verhältnisse, die trotz eines von tausenden Gefangenen unternommenen Hungerstreiks im vergangenen Jahr weiterhin in den griechischen Gefängnissen vorherrschen.
Solikonzerte und Gegeninformation können wichtige Initiativen sein. Verstreute Aktionen gegen die Symbole der Macht sind schöne Solidaritätsakte. Doch all dies bleibt isoliert in der Abwesenheit eines verbreiteten und permanenten Angriffs auf den Staat und das Kapital als Ganzes, was das Arbeiten an der Verbreitung des Kampfes beinhaltet, um die Ausgebeuteten innerhalb und ausserhalb der schändlichen Mauern zu involvieren. Dies ist ein notwendiger Weg, auf welchem spezifische Aktionen zu entwickeln sind, einschliesslich jener, die zu Ziel haben, die Gefährten und Individuen, die sich unter spezifischen Bedingungen in den Händen des Feindes befinden, nicht zu verlassen.
Lasst uns jetzt handeln, um den Kampf gegen alle Formen von Gefängnissen lebendig und wirksam zu erhalten, bis alle Gefangenen frei und alle Gefängnisse zerstört sind, vorallem die unsichtbaren Mauern, die die Geister und Körper in den alltäglichen Gewohnheiten und den bedingungslosen Zustimmungsritualen einschliessen.
Lasst uns den vom Staat zur Geisel genommenen Gefährten zeigen, das wir mit ihnen sind in dem lodernden Kampf für das Leben und die Würde, das die Leidenschaft für die Freiheit nicht bloss eine Parole ist, sondern eine fürchterliche Flut von Liebe und Zerstörung.
FEUER UND FLAMMEN DEN GEFÄNGNISSEN
Wer den beiden inhaftierten Schreiben will:
Alfredo Bonanno
Christos Stratigopoulos
Tzamala 27
33100 Amfissa
Griechenland
Geld zur unterstützung der Gefährten könnt ihr senden an:
Postkonto nr. 23852353,
gerichtet an: A. Medeot – C.P. 3431 – Trieste (Italien),
mit dem Text:
“sottoscrizione arresti in Grecia”
Hintergrundinformationen und Artikel (englisch):
http://www.aftertrikala.blogspot.com
Texte und Brochüren von Alfredo Bonanno (englisch):
http://pantagruel-provocatione.blogspot.com
Solidaritätsposter in verschiedenen Sprachen:
http://arobberyingreece.blogspot.com
folgend zwei weitere Texte auf englisch:
aktualisiert -> folgend der Text "Leben, nicht Geschichtsschreibung" der vom ABC Berlin übersetzt wurde:
Leben, nicht Geschichtsschreibung
Hier
sind wir wieder mit dem Problem des Raubüberfalls konfrontiert, das
uns, herausgerissen und als ganzes von der Realität isoliert,
hingeworfen wird – als eine beständige Bewegung, die einer Logik der
Zergliederung und des Historizismus trotzt – und jeder fühlt sich, als
müsse sie/er unbedingt etwas über das Subjekt aussagen.
Der Fokus
liegt auf ein paar Anarchisten nach einem Bankraub und von diesem
Moment legt sich die Zeit über diejenigen, die an diesem Tag einfach
rausgegangen sind, ihre eigenen Gründe hatten – ohne zuvor
Gesetzestexte zu konsultieren oder irgendjemand nach ihrem/seinen
Einverständnis gefragt zu haben. Und hier beginnt die Verwandlung in
ein Symbol, in Geschichte in Verdinglichung.
Wenn das freie Handeln
von der Gegenseite vereitelt wird und die Gesetze sich aufzwängen
gereicht das bürgerliche Bewusstsein dem Individuum und seinen Träumen
zum Nachteil egal wie konfus oder unterdrückt diese auch sein mögen.
Wer sind die Männer und Frauen, die in jeder/jedem begierigen Bürger_in
lauern um regelrecht abzuurteilen? Vielleicht nicht der Raub an sich,
sondern sein Misslingen? Wer freut sich nicht wenn anonyme Räuber_innen
es schaffen eine Bank auszurauben, einen Sicherheitstransporter zu
erleichtern oder ein Juweliergeschäft seiner Beute zu berauben? Ohne
Blutvergießen und wieso eigentlich nicht auch mit ein bisschen Stil? In
letzter Analyse unterstützt ein_e jede_r die Gewinner_innen. Wir fühlen
uns auf eine Art und Weise für die Verletzungen entschädigt, die wir
unsere Leben lang erlebt haben. Auf der anderen Seite aber kommt die
Logik des Beurteilens dann ins Spiel, wenn solche Versuche
fehlschlagen. Und könnte das nicht das gleiche sein, was auch innerhalb
der anarchistischen Bewegung passiert? Alle Anarchist_innen sprechen
sich für gewisse Dinge aus – theoretisch jedenfalls. Solange sich alles
innerhalb des anonymen Flusses des Lebens abspielt sind wir
einverstanden, dass Chef_innen Dieb_innen sind, Richter_innen Mörder,
Journalist_innen Lügner_innen und Menschen, die Bilder für spektakuläre
Darstellungen liefern. Was zählt ist, dass alles diskret über die Bühne
geht ohne großes Aufsehen zu erregen.
Aber was wenn Genoss_innen
mit der Notwendigkeit konfrontiert sind öffentlich Stellung beziehen zu
müssen, weil sie von einem spezifischen Ereignis dazu gezwungen werden,
einem, dass versagt hat einen Vorteil zu erbringen? Und wer kann sagen,
dass hinter dem Schweigen, der offenen Beurteilung oder dem Klatsch
nicht die gleichen Dinge passieren? Wären diese Menschen etwas
diskreter gewesen hätten sie sicher machen können was ihnen am liebsten
gewesen wäre….Schließlich ist die Enteignung ein Teil unserer
Geschichte… aber sie hätten mindestens so dabei wegkommen können ohne
dabei auf die Füße anderer zu treten, ohne der noblen Geschichte der
Bewegung zu schaden.
Jede_r, die/der die Kristallisation von Teilen
der Realität akzeptiert, tut dies so weil dies der Weg ist den sie
selbst leben und als Realität empfinden. Und eine real vereitelter
Bankraub hier und da macht es, dass die Dinge beginnen hart zu werden
für diejenigen, die an der Geschichtsschreibung der Bewegung arbeiten.
Aber wo bleiben die Helden der Vergangenheit? Arme Anarchie! Das
gleiche kann aber auch auf der Gegenseite passieren. Durch
Mystifizierung des bewaffneten Raubs als solchen. Und dann enden wir in
der Logik von Unterstützer_innen – die einen dafür und die anderen
dagegen.
Auf der anderen Seite fürchten oder besser erkennen
diejenigen, die nicht an Geschichte sondern das eigene Projekt Leben
innerhalb der Bewegung glauben, Begriffe wie Fehlschlag oder Misslingen
nicht. Sie erkennen die Individualität der Genoss_innen innerhalb des
Projektrahmens an. Sie sehen deren Versuche als Bestätigung von
Individualität. Sie arbeiten mit ihnen um zu verhindern das es
beeinträchtigt wird, indem sie neue, unterschiedliche Momente für
dessen Ausdruck eröffnen. Sie setzen ihr Handeln gegen den Feind fort,
womit sie wieder ihre eigene Individualität bestätigen und somit einen
weiteren Grund dafür haben dies zu tun. Jeder auf ihre/seine eigene Art
mit den eigenen Methoden, nicht für die Geschichtsschreibung, sondern
gegen das Bestehende.
In Freiheit, für die Freiheit.
Die Raub an sich ist ein falsches Problem.
Eine Flugblatt mit deutschen Texten über die Situation von Alfredo und Christos findet sich hier
auf englisch:
Life, not history
Here we are again with the problem of robbery thrown in our faces as we suddenly find ourselves confronted with a problem that has been isolated from reality as a whole—which as continual movement defies the logic of dissection and historicism—and everyone feels obliged to express themselves on the subject.
The lens of judgement focuses on a couple of anarchists following a bank robbery, and from that moment on time imposes itself on those who had simply gone out that day for their own reasons, without consulting law books or asking anyone for their approval. And so begins a transformation in symbol, in history, a transformation in thing.
And when free activity is obstructed by the counterpart and the law imposes itself, civic consciousness is re-enforced to the detriment of the individual and their dreams and desires, no matter how confused and repressed these might be. What are the man and woman lurking in every zealous citizen really condemning? Perhaps not the robbery as such, but its failure? Who does not rejoice in their heart of hearts when anonymous robbers succeed in sackaging a bank, emptying a security van or lightening a jeweller of some of his booty? Without loss of blood and, why not, with a bit of style? In the last analysis everyone backs a winner. We feel recompensed in some way for the injury suffered throughout the whole of our lives. On the contrary, when such attempts fail, the logic of judgement takes over.
And could it not be that the same thing happens in the anarchist movement? All anarchists are in favour of certain things, in theory. So long as everything remains within the anonymous flux of life, we all agree that the bosses are thieves, judges assassins, journalists liars and fabricators of images for spectacular representation. What matters is that everything proceed discreetly without creating any fuss.
But when comrades feel they are confronted with the need to openly take sides, obliged to do so by a specific event—one that has failed to boot—the turgid waters of opinionism divide. And who knows whether behind some of the silence, the outright condemnation or the gossip, the same thing does not happen. Couldn’t these guys have been more discreet… of course they could have done what they liked… After all expropriation is part of our History… but they might at least have got away with it, without stepping on other people’s toes, without defiling the noble History of the movement.
Anyone who accepts the crystallisation of parts of reality does so because that is the way they themselves live and perceive reality. And a foiled robbery here, a foiled robbery there, things begin to get heavy for those who work for the History of the movement. But where are the heroes of yesteryear? Poor Anarchy!
The same thing can happen in the opposite direction, through a mythisisation of armed robbery as thing in itself. And so we end up with the logic of supporters—those for, and those against.
On the other hand, anyone who does not believe in history and has their own projectuality as life in movement, does not fear, or rather does not recognise, the concept of failure. They recognise comrades’ individuality in a projectual context. They see their attempts as an affirmation of this individuality. They work with them to prevent it from being impaired, opening up new, different moments for its expression.
They continue to act against the enemy, thus reaffirming their own individuality, with one more reason for doing so. Each according to their own choices and methods, not for History, but against the existent.
In freedom, for freedom.
The robbery itself is a false problem.
Fair Play
Christos dared, but didn’t get away. Alfredo was in the wrong place at the wrong time and also lost his freedom. Fair play, some have exclaimed. And who more than an anarchist accepts individual responsibility for his or her actions. Who more than an anarchist can look the enemy and above all his comrades in the eyes and claim the ethical premise of his choices. If something goes wrong and he finds himself in the hands of the enemy, he doesn’t cry scandal, he knows that capital’s acolytes and guard dogs are always ready to denounce, arrest and imprison anyone caught transgressing the code of submission and obedience. However, the moral and physical strength that comrades muster when they find themselves suffering at the hands of the hangmen of repression does not come from an old-boys’ concept of ‘fair play’, which implies a logical basis of equality and impartiality such as the playing fields of Eton or a friendly match between Oxford and Cambridge. Old Christian teachings such as ‘an eye for an eye…’ are hard to die, but they don’t fit into the context of freedom and revolution anywhere at all. The seeming objectivity of the law: a (the crime) = b (the punishment) only exists in the daydreams of the bourgeois. Accountancy is comforting, it induces sleep.
For the professional bank robber some level of calculation might exist: yes, robbing banks can also be a job, one where the risk factor can be more easily calculated than days on end enduring boring slave-labour, being slowly poisoned by toxic substances, risking falling from a building under construction or having one’s hand cut off by a circular saw. He can use the law (nothing to do with ‘justice’ in the real sense of the word) to estimate his potential losses and gains in terms of dignity, free time and quality of life. So long as he is discreet, doesn’t start wanting too much, become extrovert and disdainful of capital and the State, or shoot a cop. Then the balance swings and he must defend his freedom at all costs. In the case of the contrary the best he can hope for is a volley of bullets, the worst, decades behind bars in segregation units. Power must defend itself against folk heroes too, and once the media have done their dirty work, the rest is easy.
For the anarchist the discourse is different. He or she who refuses to exploit others or to be exploited in exchange for a wage has put themselves in another logic to that of capital in order to be better equipped – in terms of time and and a mind free from the burden of compromise and self-loathing – to enter the qualitative versant of reality. Money loses its godlike omnipresence to become a mere expedient, which is often reduced to a minimum. The comrade doesn’t save money, nor does he save himself. Liberated from the logic of exchange work, study, play and attack intertwine as components of a revolutionary projectuality that overflows without measure. In that dimension, in a consciously chosen life without guarantees, the need for money is not eliminated but it is removed from the pivotal position that it holds under capital. Not that one can live outside capital. But one can have a different, unsuccumbing relation to it, the better to fight it. Freed from the brutalisation of work, one’s thinking and powers of observation become more acute. For the revolutionary, lack of money is never an excuse for not facing up to one’s responsibilities in life and in the struggle. When it becomes a necessity in order to move forward, one can also decide to look around, take stock, observe the workings of the enemy and also, why not, to find the means necessary to confront some concrete necessity. This is not so difficult once the ‘moral split’ imposed upon us since birth has been healed and we are at one with our conscience.
A comrade becomes a real danger to capital and a target for its guard dogs and good citizens from the moment in which he stops selling his strength, ingenuity and intellect to a boss in exchange for a wage and turns them against the whole system of exploitation and plunder, aka capitalism and the State. It’s not a failed robbery to give him the status of public enemy – so much flaunted by the Greek media in the case of Alfredo following his arrest, – but the fact that he has had the affront to turn his knowledge and ideas against the State and capital and, even more perverse, to share them with others in a dimension of complicity.
Because the anarchist does not conceal his knowledge in secrecy in order to raise its quota on the shelves of the grocer’s shop of Academia but spends hours, days, nights over books, malfunctioning printers, improvised collating tables, interminable post office queues, to disseminate versions that any comrade can have access to. That’s the last straw. Confirmation of a diabolical mind that must be destroyed at any cost. And this destruction mustn’t come about in a open dazzling manner. … Please. We are civilised! We are against the death penalty. The Junta were overthrown on November 17 1973 by our brave students and worthy citizens, a fact that we celebrate every year on that day, peacefully of course… don’t believe what you read in the press about police beating up hundreds of young people mercilessly. We are a democracy… No, we are the home of democracy, the foundation of civilisation..
So, what was that story about the giant and the fly? How many fleas and lice does it take to drive a man insane? How many men can you lock up in a cell before they all go crazy? How low do sanitary conditions have to go before all succumb to sickness and disease? What did you say? Concentration camp? Crematorium? Who do you think I am, Hitler? We are socialists and we have a social war on our hands…
No, here we are not facing objectivity, equality, impartiality. We are facing the enemy, the servants and structures of a murderous system based on the submission and exploitation of millions of people all over the planet.
All of our imprisoned comrades, no matter where they are and under what circumstances they were arrested, are being held hostage not for the ‘crime’ on the arrest warrant, but for their real crime, the crime of freedom, the crime of being anarchists, rebels and revolutionaries. And that is why we must not abandon them.