Spartakus ist zurück. Es lebe Spartakus! – Revolte in Rosarno (Italien)

Am 9. und 10. Januar haben in Rosarno, einer kleinen Stadt im Süden von Italien, hunderte Migranten revoltiert. Nachdem mit einem Luftdruckgewehr auf einige Migranten geschossen wurde, haben die Aufständischen, bewaffnet mit Stöcken und Steinen, das Strassennetz blockiert, indem sie Barrikaden errichteten. Im Zentrum von Rosarno sind die Schaufenster von Läden und Geschäftern zerschlagen und Barrikaden in Brand gesteckt worden, es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei… und einem Teil der lokalen Bevölkerung, die fordert, dass “alle Schwarzen aus Rosarno ausgeschafft werden”. Einige Bürger benutzten ihre Autos, um Migranten umzufahren, andere bewaffneten sich mit Stöcken, Äxten und Gewehren, um die Revolte niederzuschlagen. Am Abend des 10. Januar ist es der Polzei und den Bürgern gelungen, die Migranten aus der Stadt zu verjagen. Mehr als 1000 Migranten sind in Internierungszentren verlegt worden, um dort ihre Ausschaffung abzuwarten, hunderte weitere sind zu Fuss, mit dem Auto oder mit dem Zug aus Rosarno geflüchtet.

Im Süden von Italien, hauptsächlich in der Landwirtschaft, werden zehntausende Migranten unter sklavenhaften Bedingungen von einem Bündnis von Mafien, lokalen Politikern und Unternehmern ausgebeutet. Der Grossteil von ihnen schläft in verlassenen Fabrikgebäuden, ohne Wasser, Heizung oder Elektrizität. Zuvor bereits hat es Revolten gegeben, die oft von den Söldnertruppen der Mafia blutig niedergeschlagen wurden.

  

 

Das folgene Flugblatt ist, neben anderen, in Genua verteilt worden:

 

 

Die Spartakus ist zurück. Es lebe Spartakus!

 

Der Sklave hört in dem Moment auf, ein solcher zu sein, in dem er versucht, seine Ketten zu durchbrechen. Und in diesem Moment, unbesorgt über die Konsequenzen seines Vorhabens, dringt die Würde, das Verlangen, die Wut und das tiefgreifende Gefühl von Ungerechtigkeit gegenüber den Bossen und jenen, die sie in die Sklaverei zwingen, wieder auf befreiende Weise hervor.

 

Die Revolte des Sklaven ist ein höchster Akt, es ist – vor allem andern – ein Akt der Liebe zu sich selbst und gegenüber der gesamten Menschheit. Die Revolte des Sklaven ist Hoffnung und  Gerechtigkeit zur Waffe geschmiedet, um konkrete Möglichkeit zur Emanzipation zu werden. Sie ist schlicht die Verfestigung des Willens nach einem anderen, vielleicht glücklichen Leben.

Die Sklaven von Rosarno haben davon gesprochen. Sie haben gesprochen, mit ihren Handlungen und ihrer Wut. Die Brandstiftung, die zerschlagenen Schaufenster, die ausgerissenen Schilder, die Stockhiebe gegen die Polizei enthalten die Poesie eines Liebenden.

 

Die Liebe ohne Berechnung, die verzweifelte Liebe, die Liebe, die zu fliegen vermag, ist vielleicht eine alte Sache. Eine ebenso alte Sache wie die Sklaverei. Vielleicht ist dies der Grund, wieso heute nur wenige die Poesie der Sklaven von Rosarno lesen können.

In diesem düsteren Italien, versunken in der Angst vor dem “Anderen” und durchtränkt von Heuchelei, regiert von Gesindel, das von noch einfältigeren Massen unterstützt wird, korrumpiert durch Hass und gewachsen aus dem Trugbild der Akkumulation und des Reichtums, schreien sie heute nach Skandal. Skandal aufgrund der Gewalt, der illegalen Migranten, der Arbeitsbedingungen, der Unsicherheit und der Verschärfung.

 

Nun gut, schockierte Herren, ehrliche Bürger, ob von der Rechten oder der Linken, ob in der christlichen Melasse klebend oder durch die Hammerschläge des Rechts zugehauen, ihr seit Kadaver.

 

Denn bloss ein “toter Geist” vermag im Schoss des Rechts und zwischen den Zeitungsseiten über die Erklärung eines Liebenden debattieren. Du nimmst sie entweder an oder du weist sie zurück.

 

Jene, die Tag für Tag das immer unerträglichere Joch des States akzeptieren; sowie jene, die Handküsse geben wenn die Mafien toben; jene, die dem Boss die Stiefel lecken – um anschliessend gegen jene zu schimpfen, die ärmer oder erfolgloser sind – ebenso wie jene, die aus dem Elend anderer Vorteile ziehen; gewiss, all diese Leute weisen die Vorstosse der Migranten von Rosarno zurück. Doch diese Leute verdienen keine Diskussionen, es sind nicht sie, zu denen wir sprechen wollen.

 

Jene, die gewiss zu höhren verstehen sind “die Freigeister”, die Geister die noch zu träumen wissen, die noch den Unterschied zwischen Leben und Überleben kennen, zwischen der Freiheit und der Sklaverei. Es sind jene, die wissen das tausend niedergebrannte Autos nicht der Freiheit und der Würde des Menschen gleich kommen.

 

Die Sklaverei wird aus Menschen und Waren, Unternehmen und Beziehungen geschaffen. Sie ist möglich, dank einer täglich fremdenfeindlicheren und klassischeren Politik und wird von uniformierten Armeen und von Mafiosi in weissen Hemden unterstützt.

 

Die Liebe zur Freiheit besteht aus Komplizenschaft und Fantasie. Die Revolte der afrikanischen Migranten in Rosarno ist eine Gabe an uns alle, nun ist liegt es an uns, etwas zurückzugeben.

 

Denn kein Mensch wird frei sein, solange nicht die letzte Kette zerrissen wurde.

 

Anarchisten und Libertäre aus Genua.

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