An die Waisen des Existierenden

Ein paar technische Informationen:

 – Diese Seite ist seit Anfangs Dezember 2009 online, die Berichterstattung reicht bis Anfang 2009 zurück.

 – Alle veröffentlichten Beiträge wurden anderen Quellen entnommen.

 – Um Quellenhinweise zu interessanten Aktionen oder Texten sind wir natürlich froh, ebenso um Leute die an Übersetzungen interessiert sind. Für dies und anderes schreibt an: orphelin@riseup.net

 – Das Archiev an "Materialien" soll sich noch vergrössern, wer also digitalisierte Brochueren besitzt, bitte melden.

 – Dies ist eine Informationsplattform, die weder eine Ideologie verfolgt noch Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es handelt sich um eine Selektion von Beiträgen zum bestehenden sozialen Krieg, der auch hier in der Schweiz, unter der trügerischen Oberfläche von Befriedung und Abwesenheit am brodeln ist. Das Kriterium, nach welchem Artikel Publiziert werden, ist schlicht das Ausmass, indem sich die Betreiber in den jeweiligen Handlungen und Ideen wiederfinden, bzw. sie als interessant erachten. Die Konturen werden sich abzeichnen…

 

 

Dieser Text befindet sich als Flyer im Umlauf

Das PDF dazu befindet sich hier.

 

Die Idee dieser Seite entstand aus dem Verlangen, der gegenwärtig vorherrschenden Vagheit, was revolutionäre Ideen und deren mögliche Auslebung betrifft, entgegenzuwirken. Hier sollen neben Texten, die zu einer Kritik an der Totalität des Bestehenden beitragen, vor allem auch jene Akte der Revolte Publizität finden, in welchen sich diese Kritik manifestiert. Da das Werk der Entfremdung darin besteht, die Form vom Inhalt zu trennen, ist es für uns als Revolutionäre umso wichtiger, klar auszudrücken, was wir wollen und unseren Inhalten Formen zu geben. Wenn also die Ideen wieder gefährlich werden sollen, dann müssen es auch die Taten werden. Aber auch umgekehrt. Vor allem in einer Zeit, in der die Gewaltausbrüche der Ausgebeuteten weltweit zunehmen, während sie nur selten ein positives Projekt in sich tragen, das sich gegen alles richtet, was sie beherrscht und unterdrückt. Eine revolutionäre Perspektive wird aus der Spannung zwischen Worten und Taten geboren, aus einer lebhaften Dynamik zwischen greifbaren Ideen und diffusen Widerständen. Und wenn wir die Passivität durchbrechen wollen, die Kontemplation und die Delegation, dann ist es notwendig, dass der Ursprung der Revolte in den Individuen selbst liegt; um auf dieser Basis die Selbstorganisation eines gemeinsamen Kampfes anzugehen, der sich allen Formen der Herrschaft entgegenstellt.
                                      
Diese Welt der verfaulten Ideologien, des heuchlerischen Schwindels und der autoritären Logik hat uns längst nichts mehr zu bieten. All diese noch so extravaganten Angebote der Waren­gesellschaft hinterlassen bloss das dumpfe Gefühl, hintergangen worden zu sein. All die Pseudo-Feste und falschen Befriedigungen, all die verzweifelt verteidigten Werte haben stets den faden Nachgeschmack der Leere. Es drängt sich tagtäglich auf: das Leben muss wo anders sein…

Ein Grossteil dessen, was sich gegenwärtig als Opposition präsentiert,  hat uns leider genausowenig zu bieten. So wird   von Freiheit geredet, während man sich erneut einer Ideologie unterwirft, in deren Namen man spricht und handelt. So trennen die Aktivisten das Leben von der Subversion und geben – ange­heuert von ihrer Vernunft und sich aufopf­ernd  für die Menschheit – die Freude für den Kampf hin, anstatt das Leben zu subvertieren und die Freude zu bewaffnen. Und so vergessen jene, die in schwindelerregenden intellektuellen Höhen schwebend alles zu beachten, alles zu berechnen versuchen, dass der Ausbruch noch immer bei uns selbst beginnt, in dem Moment, wo wir uns für die Revolte entscheiden. Denn aller Komplexität dieser Welt zum Trotz existiert die Möglichkeit des Aufstands, ebenso wie jede andere, hier und jetzt, in jeder Situation, ausgehend von jedem Individuum. Wenn wir das Bewusstsein über diese Möglichkeit und vorallem ihr gemeinsames Ausleben verbreiten wollen, dann können Politik  und Parteien, Arbeit und Syndikate, Aktivismus und formelle Organisation nur Hindernisse sein…

Die bestehende Ordnung bietet uns also nichts als die Möglichkeit zu kämpfen. Da die Herrschaft des Kapitals und der Waren allgegenwärtig ist, finden wir uns in einer Welt wieder, in der wir uns in nichts wiederfinden – ausser in dem, was sie negiert. Als Waisen des Existierenden versuchen wir uns von all dem loszureissen, was danach strebt, uns zu bestimmen. Nur in der Subversion der sozialen Beziehungen, angefangen bei unserem eigenen Leben, lassen sich Wege finden, die sich der allgemeinen Entfremdung entziehen. Keine Ideologie und kein Programm wird uns einer Welt näher bringen, in der jedes Individuum unmittelbar über die Gesamtheit seines Lebens verfügt; einer Welt, die alle Schranken hinter sich lässt, um das Unbekannte, das zeitlose Abenteuer der Freiheit zu wagen.

Von der alten Welt gibt es nichts zu bewahren; alles muss neu erfunden werden. Als Waisen bedienen wir uns dessen, was uns gefällt. Die Ideen müssen aus ihrem fixen Kontext gerissen und zu unseren eigenen gemacht, die Handlungen der Geschichte entwendet und mit unseren Situationen neu verflochten werden… Denn alles andere trägt zur Arbeit der verallgemeinerten Trennung bei, die unser Leben in seine Reprä­sentationen unterteilt.
Es geht gewiss nicht darum, der wenig erstrebenswerten Illusion zu verfallen, sich vom sozialen Kontext und der Geschichte, die uns durchdringen, isolieren zu können. Überall und seit jeher gibt es Leute, die Herrschaft und Ausbeutung bekämpfen. Wir befinden uns inmitten eines sozialen Krieges, der – manchmal unterschwelliger, manchmal eklatanter – auf der ganzen Welt tobt. Doch als Waisen des Existierenden ist es uns möglich, Mittel zu finden, die bereits eine neue Welt in sich tragen; um in der Subversion des Alltags den Raum und die Zeit zum experimentieren zurückzuerobern, die man uns entsagt. Ein solcher Kampf darf nicht bürokratisch, sondern muss leidenschaftlich sein. Das revolutionäre Projekt einer ganz anderen Welt ist noch längst nicht begraben doch es bedarf einiges an Enthusiasmus, um es wieder herzurichten.
Daher sei hier bekräftigt, dass es keine Grenzen gibt, ausser unsere eigenen, und dass in jeder und jedem die Möglichkeit ruht, alles zu sein und alles zu tun…

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