Das PDF für den Flyer gibts hier.
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Die Agitationen rund um den Angriff auf Konstantina Kuneva sind in Griechenland immernoch sehr präsent. Aufgrund der anhaltenden solidarischen Aktivitäten, auch auf internationaler Ebene, scheint es sinnvoll sich mit einigen Aspekten etwas tiefer auseinanderzusetzen. Der Vorfall ist mittlerweile weit bekannt und soll hier nur in einem kurzen Abriss erläutert werden. (detailliertere Infos finden sich hier)
Konstantina, als Putzfrau angestellt bei OIKOMET (griechische Temporärarbeitsagentur), wurde Ende Dezember 2008 von Unbekannten mit Säure angegriffen. Ihr Gesicht wurde dadurch verätzt, die Atemwege und ein Auge wurden stark beschädigt. Nach langer Zeit auf der Intensivstation ist eine akute gesundheitliche Gefahr überstanden, die Brandmarkung wird bleiben…
Mit ihrer rebellierenden Haltung, dem starken Willen die Verhältnisse nicht einfach hinzunehmen, war sie dem Unternehmen wohl schon länger ein Dorn im Auge, nicht so sehr als physische Präsenz, sondern vor allem durch ihre Persönlichkeit. Der Angriff beabsichtigte nicht zu töten, die Säure traff sie ins Gesicht und dies scheint alles andere als ein Zufall zu sein, man wollte sie brandmarken, degradieren und schänden. Darüber hinaus ist die Art des Angriffs, angesichts der patriarchalen Verhältnisse in dieser Gesellschaft, nicht unbedeutend. Eine Frau, die die ihr aufgedrückte Rolle nicht repräsentieren will, die versucht sich ein Gesicht zu schaffen, nicht als das, was sie “ist“, sondern als das, was sie tut, muss zurück an ihren Platz gewiesen werden. Es ist auch dieses Gesicht, dass man verwüsten wollte.
Angesichts der Tatsachen scheinen die Initianten dieser Tat naheliegend.
Trotzdem, wir klagen nicht an, dass diesem Vorfall (wohl bewusst in der Absicht ausgeführt, neben der Präsenz der Dezember-revolte unterzugehen) weder polizeilich noch medial gross nachgegangen wird, noch käme es uns in den Sinn diese Verhältnisse als “mittelalterlich“ zu bezeichnen, und Forderungen an die Instanzen zu stellen.
Wir wissen das all dies diesem System immanent ist, alltäglich, weltweit.
Solche Arbeitsbedingungen, der Angriff auf Konstantina, sind schliesslich konkrete Ausdrücke, bloss einige weitere perverse Kristallisationen dieser Ordnung, die wir tagtäglich ertragen müssen.
Daher ist es wichtig, dass solche Ereignisse international widerhallen, sei es durch die Verbreitung der Informationen oder durch die direkte Aktion. Und wir werden dabei weder syndikalistische noch juridische Forderungen stellen, nicht bloss weil uns die Ideen hinter diesen Forderungen zu wenig radikal sind, sondern weil wir kein Gegenüber akzeptieren, von dem wir zu fordern hätten.
In Griechenland wurde, als Reaktion und mit der Unterstützung vieler Anarchisten, das Verwaltungsgebäude der ISAP (Athener Verkehrsbetriebe) besetzt, in dessen Auftrag Konstantina bis zum Anschlag arbeitete. Über mehrere Tage wurden Vesammlungen abgehalten, gemeinsam Entscheidungen getroffen. Was hierbei erreicht wurde, ist die Erfahrung direkter Zusammenarbeit zwischen den Arbeitern und mit solidarischen Leuten, jenseits einer gewerkschaftlichen Organisation. Dieselbe Art von Erfahrung die wärend den Aufständen auf den Strassen erlebt wurde, in dem besetzten Gemeindehaus von ‘Agios Dimitrios‘, bei konkreten Angriffen, oder bei den Quartier-Versammlungen, die angesichts der Situation einberufen worden sind. Es haben sich Leute gefunden, um gemeinsam gegen das anzukämpfen was sie erdrückt.
Darin liegt der Sieg, und darin spriesst der Aufstand.
Überall auf der Welt sind sehr viele Leute akut betroffen von den prekären Arbeitsbedingungen, diese Stimmung trägt dazu bei, dass der Fall von K. Kuneva nicht so schnell wieder vom Tisch gewischt wird. In Griechenland wurden diverse Büros von OIKOMET, sowie auch anderer Temporärarbeitsfirmen wie MANPOWER oder ADECCO verwüstet. Auch in anderen Ländern wurden in Solidarität Firmen dieser Art angegriffen.
Das Konzept der Temporärarbeit zielt (unter anderem) ganz klar auf die bestmögliche Ausbeutung präkarisierter Menschen ab. Das Zielpublikum sind jene, denen man keine anderen Möglichkeiten lässt. Trotzdem, die Möglichkeit, die einem nicht gegeben wird, die die man sich nehmen muss, bleibt zu jeder Zeit; nämlich die der Rebellion und der direkten Selbstorganisation ausserhalb des Gegebenen. Doch Viele werden in ihrer scheinbaren Ausgesetztheit dazu gedrängt, neben dem rechtlichen Spielraum ihrer ‘Besitzer‘, auch diverse Drohungen, Nötigungen und Übergriffe über sich ergehen zu lassen. Andererseits, lassen sich nicht selten gerade diese Leute auf Jobs ein, worin sie Jenen, die eigentlich von den selben Umständen erdrückt werden, gegenüber stehen (von der Stadtsäuberung über Bewachung bis zu Gefängnisswärtern).
Das Netz der Macht verstrickt und windet sich; damit man sich ja nicht wiederfindet…
Wir wollen hiermit vor allem aufrufen, deutliche Breschen in dieses Netz zu schlagen, und klar auszudrücken, was wir wollen; diesen Kampf weiter zu tragen, doch mit unseren eigenen Ideen. In solidarität mit Jenen, die rebellieren, Jenen die sich Wege jenseits der Lohnarbeit suchen, sowie Jenen, die dafür hinter Gittern sitzen. In jedem Land stehen unzählige dieser Büros in den Strassen. Unternehmen, die die sozialen Missstände einerseits kreieren und andererseits ein Geschäft daraus machen, die unzählige Leute in ihrer vermeintlichen Abhängigkeit missbrauchen und ausbeuten.
Lasst uns diese Lokale nicht unbeschädigt lassen!
Denn, wie in einem Flyer steht, der in Bezug auf Konstantina Kuneva in den Strassen von Athen verteilt wurde, „Solidarität ist nicht ein Humanismus irgendwelcher Art. Solidarität heisst Position zu beziehen: Das Ereigniss mit den wirklichen Ursachen zu verbinden, Die Verwerfung des Lebens mit dem wahren Gesicht seiner Henker.“ Gerade weil wir das Übel in den grundlegendsten Strukturen dieser Welt sehen, mag sich die Solidarität auch in beliebigsten Formen ausdrücken, die beabsichtigen eben diese Strukturen aufzuheben.
Es geht nicht darum einen Kleinkrieg mit gewissen Firmen zu entfachen, in denen sich das Übel polarisiert, sondern unserer Wut freien Lauf zu lassen und nach unseren Bedürfnissen anzugreiffen…
Fortwährend aktualisierte Informationen über die Geschehnisse in Griechenland sowie einige Texte die in Bezug auf Konstantina Kuneva erschienen, finden sich auf: " http://www.occupiedlondon.org/blog"