Ein Hoch auf den bösen Weg

Dieser Text ist übersetzt in der Zeitschrift "Entfesselt" vom März/April erschienen:

 

Ein Hoch auf den bösen Weg

(Anm.d.Ü.: In Anlehnung an „mauvaise intension“ –
böse Absichten, der Name einer zweimal erschienen
Solidaritätsbroschüre über die ersten „depaneusse“ wie auch „tarnac“
Fälle)


Im Januar 2008 hat die französische Regierung der
sog. Anarcho-autonomen Bewegung den Krieg erklärt. Einer nicht wirklich
identifizierten – wie sich am Namen, der ihr gegeben wurde schon zeigt
– „Vereinigung von Übeltäter_innen“ die ihre Zeit damit verbringt
„terroristische Aktionen“ durchzuführen.
Seit Anfang der
Repressionswelle bis zum Sommer wurden verschieden Genoss_innen
verhaftet und verschiedener Taten beschuldigt: Von „Besitz von
Sprengstoff“ bis zu „versuchtem Brandanschlag“ auf ein Polizeiauto, das
vor einer Polizeiwache eines wohlbekannten Stadtteils Paris geparkt
war, Demonstrationen gegen Abschiebeknäste bis hin zum Besitz eines
Original-Bauplans eines sich in Bau befindlichen Jugendknasts.
Zur
Zeit sind noch zwei Genoss_innen – Juan und Damien – im Knast, drei
weitere, Ivan, Farid und Isa stehen unter richterlicher Kontrolle.
Bruno befindet sich auf der Flucht, weil er sich jeglicher Form von
Kontrolle entziehen wollte. Am 08.11.08 wurden Sabotageaktionen gegen
das Hochgeschwindigkeitszugnetz verübt: Das Zerreißen einiger
Hochleitungen blockierte 160 Züge und erzeugte ein riesen Chaos im
gesamten französischen Bahnsystem. Drei Tage später beginnt eine groß
angelegte Operation mit dem Ziel die vermeintlichen Schuldigen zu
verhaften die laut der Innenministerin sowieso zur „anarcho-autonomen
Bewegung“ gehören. Zehn werden verhaftet, neun davon auch angeklagt und
fünf – unter ihnen der sog. „Anführer“ – werden im Knast landen. Von
da an wird eine peinliche Trennung zwischen guten und bösen, schuldigen
und unschuldigen, denjenigen, die Solidarität verdienen und denen,
denen keine zusteht aufgemacht. Während die zu erst verhafteten keine
Aussagen machen, weder ihre DNA noch ihre Fingerabdrücke abgeben
wollen bezeichnen sich die verhafteten von November, die sog. Tarnac9 –
denen sich fast die gesamte Unterstützung der Soligruppen, die sich
gegründet haben, widmet – als gute Jungen und Mädchen in Tat und
Gedanken, Philosoph_innen, Leute mit Kultur, Bäuer_innen,
Händler_innen, die den Feinkostladen des Dorfes, tarnac, in dem sie
beschlossen hatten zu leben, aufgemacht haben. Oder sie lassen eben
diese aus sich machen.
Es sind nicht nur die Anwohner_inne des
Dorfes, die Freund_innen und Angehörigen, die sie verteidigen sondern
auch berühmte Vertreter_innen aus akademischen kreisen und der
institutionellen Kulturlandschaft Frankreichs aber auch darüber
hinaus. Auch diejenigen, die diese nicht als Feinde einstufen würden
sollten wenigstens über deren Rolle bezüglich der Aufrechterhaltung
der Herrschaft, die sie in der Gesellschaft einnehmen, nachdenken und
verstehen dass sie auf der Liste der Feinde, die mensch vorhat zu
bekämpfen stehen: Dem Staat. Als ob das noch nicht genug wäre gehen ein
Großteil der „tarnac9“ auf dem Laufsteg der Medien, geben Interviews,
reden mit Politiker_innen über sich. Der Weg, den sie ausgewählt haben
das bestehende zu kritisieren ist ein guter Weg. Wir haben keinen Grund
das anzuzweifeln. Dagegen ist uns wie auch aus Sicht der Repression
klar, dass die, die einen anderen Weg gehen böse sind. Es sind vor
allem diese „anderen“ zu denen wir Nähe spüren und denen gegenüber
wir unsere Gefühle und Solidarität ausdrücken. Diesen Rebell_innen,
die wir als nichts anderes als Genoss_innen empfinden können, weil auch
wir uns auf diesem „bösen Weg“ befinden“ und selbst wenn wir sie auf
diesem noch nicht getroffen haben wissen, dass wir die gleiche Richtung
gehen. Genauso wie auf das gleiche Ziel hin.


Anarchist_innen aus dem Salento

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