Plagiat

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PLAGIAT

Untertitel: THE TOTALITY FOR THE KIDS – RMX

 

Comic : DIE IDEEN VERBESSERN SICH. DAS PLAGIAT IST DAZU NOTWENDIG. DER FORTSCHRITT IMPLIZIERT ES. ES HÄLT SICH DICHT AN DEN SATZ DER VERFASSERIN, BEDIENT SICH IHRER AUSDRÜCKE, IHRER IDEEN, BESEITIGT EINE UND ERSETZT SIE DURCH EINE ANDERE.

das kleingedruckte:
keinerlei rechte vorbehalten. vervielfältigung und verbreitung ausdrücklich erwünscht. samplebare .rtfs und druckbare .pdfs unter www.plagiat.biz im netz. widmet ihre produktionsmittel um und entwendet tote zeit!

 

Inhaltsverzeichnis

Prolog – Von der Liebe zum Leben

Abschnitt 01: Ware und Spektakel

Kapitel 01 – Vom schlechten Traum der Gesellschaft

Kapitel 02 – Vom Wandel der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft

Interlude – Vom Grossen Bruder und Zimmer 101

Kapitel 03 – Von der rücksichtslosen Kritik alles Bestehenden

Kapitel 04 – Von der Geschichts- und Alternativenlosigkeit

Kapitel 05 – Von der Geschichte zur geschichtlichen Aufgabe

Abschnitt 02: Wert und Emanzipation

Prelude – Von den ökonomischen Verhältnissen

Kapitel 06 – Vom Wert der Waren

Kapitel 07 – Von der Produktivkraftentwicklung

Abschnitt 03: ArbeiterInnen und Widerstand

Kapitel 08 – Von der traditionellen Linken

Interlude – Vom Ende des Schreckgespensts

Kapitel 09 – Vom Spektakel des Terrors und dem Terror des Spektakels

Abschnitt 04: Bewegung und Perspektive

Kapitel 10 – Von der Selbstkonstitution einer Bewegung

Kapitel 11 – Von der Möglichkeit

 

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Prolog – Von der Liebe zum Leben

Comic : ES WIRD SICH ZEIGEN, DASS DIE WELT LÄNGST DEN TRAUM VON EINER SACHE BESITZT, VON DER SIE NUR DAS BEWUSSTSEIN BESITZEN MUSS, UM SIE ZU VERWIRKLICHEN.

 

unser hungriger blick erkannte lange nicht, dass ein auf basis der macht und des reichtums gesichertes leben letzten endes ein auf ökonomie reduziertes leben ist. das einzige vergehen in dieser welt, das nicht gesühnt werden kann, ist die weigerung zu bezahlen. darum ist genuss ohne gegenwert das absolute ökonomische verbrechen. und auch wenn unser aller vergnügen schon längst durch waren vermittelt wird, wollen wir nicht die alten verbote durch die notwendigkeit sie zu brechen ersetzen. denn wirklich leben heisst der ökonomie entkommen, und sie durch kostenlosigkeit zerstören.

wenn der zufall einer begegnung mir deine und dir meine liebe schenkt, reduziert sich unsere begierde nicht auf einen tausch. nur verzichtbares wird ausgetauscht und keinEr muss geliebt werden um selbst zu lieben. denn wer nur gibt, wenn er/sie selbst bekommen hat, geht langsam aber sicher in richtung müdigkeit, langweile und tod.

wie kann allerdings eine gesellschaft, die jedEn und alles als ware betrachtet, bedingungslose liebe nicht als schuld ansehen? dieses schuldgefühl ist die logik einer welt, in der für alles bezahlt wird und in der mensch sich dem verpflichtet fühlt, was ihn/sie quält und letztendlich tötet. wenn die liebe zum leben mit der weigerung zu bezahlen beginnt, dann soll das endlich in der universalität des geschenks geschehen. dazu braucht es das ende des staates und die vernichtung der ware. aber das wird nicht aufgrund des zorns irgendwelcher unterdrückten, sondern vielmehr wegen unseres unwiderstehlichen verlangens nach genuss passieren.

leute die über revolution reden, ohne sich ausdrücklich auf das alltägliche leben zu beziehen, ohne zu verstehen was an der liebe subversiv und was positiv im zurückweisen von zwängen ist, sind die besten wächter der alten welt. wir wünschen uns, dass dieses heft allen verständlich ist,  denn eines tages wird aus unserem zurückweisen etwas entstehen, das direkt ins herz unserer feinde trifft. bis dahin mögen diese sätze ihre wirkung tun.

 

Abschnitt 01 – Ware und Spektakel

Kapitel 01 – Vom schlechten Traum der Gesellschaft

Comic: DAS SPEKTAKEL IST DIE SELBSTHERRSCHAFT DER ZU EINEM STATUS UNVERANTWORTLICHER SOUVERÄNITÄT GELANGTEN WARENWIRTSCHAFT UND DIE GESAMTHEIT DER REGIERUNGSTECHNIKEN DIE MIT DIESER HERRSCHAFT EINHERGEHEN.

um die bestehende gesellschaft wirklich erschüttern zu können, bedarf es einer erklärung die diese grundlegend beschreibt. zweifellos muss eine solche erklärung zunächst vermeiden, sichtbar falsch zu sein. sie darf daher nicht von den folgen der ereignisse widerlegt werden. trotzdem muss sie völlig unannehmbar sein, da sie ja die bestehende welt selbst für schlecht erklärt. nicht nur zur entrüstung all jener, die sie für gut halten, sondern auch zur entrüstung all jener, die anderen ‚kritischen’ theorien aufgesessen sind, die durch sie einfach als falsch, zu kurz gegriffen oder schlicht und einfach reaktionär entlarvt und auf die müllhalde der geschichte verbannt werden. die schriften rund um das spektakel stellen einen passenden ausgangspunkt dar.

in seiner totalität begriffen, ist das spektakel zugleich das ergebnis und die zielsetzung der bestehenden produktionsweise. es ist kein zusatz zur wirklichen welt, kein aufgesetzter zierrat, es ist das herz des irrealen der realen gesellschaft. in all seinen besonderen formen: information, propaganda, werbung oder unmittelbarer konsum, das spektakel ist das gegenwärtige modell des gesellschaftlich herrschenden lebens. es ist die allgegenwärtige behauptung der bereits getroffenen wahl in der produktion und der von ihr untrennbaren konsumtion. form und inhalt des spektakels sind identisch; die vollständige rechtfertigung der bedingungen und der ziele des bestehenden systems. das spektakel ist auch die ständige präsenz dieser rechtfertigung, als beschlagnahmung des grössten teils der ausserhalb der modernen produktion gelebten zeit.

 

KASTEN: DIFFERENZKAPITALISMUS

die analyse des differenzkapitalismus beschreibt ein stadium des kapitalismus, das noch das zu integrieren in der lage ist, was es negiert. das differenzen als innovationen bejahen kann, das begehren nicht schlicht unterdrückt, zensiert, verbietet, sondern aus moralischen, religiösen und konservativen beschränkungen freizusetzen in der lage ist – und in der folge ständig bemüht bleibt, dieses freigesetzte begehren innerhalb der logik von markt und geld zu halten. das verweist auf die schwierigkeiten, den kapitalismus zu unterlaufen. in der hochkonjunktur von popkultur zeigt sich, wie einfach das funktioniert, es wird sichtbar wie dissidenz ermöglicht wird, nur um sie im selben moment funktional zu halten. d.h. das begehren von menschen auf veränderung zu befrieden, indem ihnen aufbegehren als ware präsentiert wird, und der konsum eben dieser ware mit wirklichem aufbegehren, also wirklicher bedürfnisbefriedigung, gleichgesetzt wird.

 

das spektakel stellt sich als eine ungeheure, unbestreitbare und unerreichbare positivität dar. es sagt nicht mehr als: „was erscheint, das ist gut, und was gut ist, das erscheint.“ die durch das spektakel prinzipiell geforderte haltung ist die der passiven hinnahme, die es schon durch seine art, unwiderlegbar zu erscheinen, faktisch erwirkt hat. es ist die sonne, die nie untergeht, die die ganze oberfläche der welt bedeckt und sich endlos in ihrem eigenen schein badet. die gesellschaft, die auf der modernen warenwirtschaft beruht, ist nicht zufällig oder oberflächlich spektakulär, sie ist zutiefst spektakularistisch. im spektakel, dem bild der herrschenden wirtschaft, ist das endziel nichts, die entwicklung alles. das spektakel will es zu nichts anderem bringen als zu sich selbst.

im gegensatz dazu ist das bewusstsein der begierde und die begierde des bewusstseins jener entwurf, der die aufhebung der ware will, d.h. die unmittelbare herrschaft der menschen über alle momente ihres lebens. in der gesellschaft des spektakels hingegen regiert die ware. scheinbar jenseits jeder kritik. da überall, wo das spektakel herrscht, die einzigen organisierten kräfte jene sind, die das spektakel wollen. keine von ihnen kann somit feind dessen sein, was ist.

eine revolte gegen das spektakel muss ebenso total sein wie das spektakel selbst, denn sie ist ein protest des menschen gegen das allumfassende unmenschliche leben in dieser welt, die uns um alle vergnügungen bringt. folglich kann es auch nur darum gehen, das zu beseitigen, was uns daran hindert, das vergnügen ganz zu erleben. beides, das leben und die welt müssen neu erfunden werden.

 

Kapitel 02 – Vom Wandel der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft

Comic : DIE FALSCHE BEFRIEDIGUNG, DIE DAS SPEKTAKEL DEN MENSCHEN BEREITET, INDEM ES DAS WOHLGEFÜHL ERWECKT, DIE WELT SEI IN EBEN DER ORDNUNG DIE ES IHNEN SUGGERIEREN WILL, BETRÜGT SIE UM DAS GLÜCK DAS ES IHNEN VORSCHWINDELT.

das spektakel ist der schlechte traum der gefesselten gesellschaft, der schliesslich nur ihren wunsch zu schlafen ausdrückt: das spektakel als wächter dieses schlafes. damit aber die gesellschaft funktionierte, bevor die ware alles und jedEn in ihrer geiselhaft hielt, bedurfte es institutionen der disziplinierung. der mensch wechselte von einer in die nächste: familie, heim, schule, kaserne, fabrik, gefängnis, klinik. mensch könnte sagen, dass in der disziplinargesellschaft nie aufgehört wird, mit etwas anzufangen. es folgt ein zwang auf den nächsten und mensch fängt jedesmal von neuem an. die disziplinarmacht herrscht tatsächlich, indem sie die grenzen des denkens und handelns regelt. körper werden nutzbar gemacht, unter sanktionen für abweichendes verhalten gestellt und im produktionsapparat angeordnet. es geht um eine rationalisierung der fortpflanzung, züchtung und rassenhygiene. eine ökonomie der körper, die das am laufen halten, was sie selbst am laufen hält.

es ist keine ironie der geschichte, dass gerade durch henry ford und seine perfektionierte disziplinierung am förderband die saat zur auflösung eben dieser ganz bestimmten art von disziplinierung gesät wurde. während die disziplinargesellschaft die gesamte erste phase der kapitalistischen akkumulation kennzeichnete und durchaus noch verstärkt in der ersten hälfte des 20. jahrhunderts beobachtbar war, so war es auch der paradigmenwechsel, weg von einer neurotisch frühkapitalistischen investitionslogik hin zur konsumlogik, der durch kaufkraftentwicklung und massenproduktion den gesamten lebenszusammenhang kapitalistisch formieren konnte.

 

KASTEN: rationalisierung des produktionsprozesses

mit der zweiten industriellen revolution, die untrennbar mit henry ford und f. w. taylor verbunden ist, gelang es dem kapitalismus, den systemimmanenten widerspruch von massenproduktion und relativer unterkonsumtion mangels kaufkraft zu lösen. durch arbeitsteilung und fliessbandfertigung, die in ein umfassendes konzept der „arbeitswissenschaftlichen“ rationalisierung der produktion eingebettet waren, gelang es, die kosten drastisch zu senken. es wurde möglich, die produkte viel billiger anzubieten, gleichzeitig die löhne zu erhöhen und die arbeitszeit zu verkürzen und so die grundlagen für den massenkonsum zu schaffen.

 

aber erst unter der verselbständigten herrschaft der ware im spektakel konnte die bereits jahrzehnte früher angelegte saat aufgehen. im permanenten wechselspiel vom abbau alter grenzen und derer kontrollgesellschaftlichen reaktivierung bzw. neuerrichtung, wurden die herkömmlichen disziplinierungsapparate obsolet. an ihre stelle tritt eine figur, die als permanente kontrolle im offenen milieu bezeichnet wurde. d.h. das gewandelte auftreten der macht ist nicht länger an institutionen und orte gebunden, sondern diffuser, subtiler und dennoch omnipräsent. schule wird zu lebenslangem lernen, der/die fabrikarbeiterIn zum/r selbständigen unternehmerIn der ‚ich’-ag, usw. usf. und während mensch in der disziplinargesellschaft nie aufhörte mit etwas anzufangen, wird mensch in der kontrollgesellschaft nie mehr mit etwas fertig.

die gedankenpolizei der spektakulären demokratie ist somit viel raffinierter und auswegsloser als der zugriff aller geheimpolizisten in seiner direkten ungleich roheren durchsetzungsform. das totalitäre wesen des kapitalismus kommt nicht allein in der stetigen zunahme von ausforschungs- und kontrollmechanismen zum ausdruck, sondern noch mehr in der wechselseitigen beobachtung und kontrolle der funktionalistisch getrimmten gesellschaftsmitglieder und natürlich in der selbstkontrolle der individuen durch ihr überich: „bin ich leistungsfähig, angepasst und konkurrenzfähig genug?“ so bedeutet der übergang hin zur kontrollgesellschaft keineswegs das ende der disziplin. vielmehr dehnt sich die selbstdisziplin der subjekte immer umfassender aus. disziplin als innerer antrieb ist von unserem willen ununterscheidbar geworden.

 

Interlude – Vom Grossen Bruder und Zimmer 101

Comic : VON DEN ZUSEHERiNNEN WIRD ANGENOMMEN, DASS SIE VON NICHTS EINE AHNUNG UND AUF NICHTS EINEN ANSPRUCH HABEN. WER STETS NUR ZUSIEHT UM DIE FORTSETZUNG NICHT ZU VERPASSEN WIRD NIE HANDELN.

nach dem siegeszug des spektakels bedarf es keines grossen bruders und keines zimmers 101 mehr, um jedEn zu überzeugen, dass zwei und zwei fünf ist. denn nachdem das spektakel vermeintlich die letzten überreste von selbstständigem denken aus seiner welt getilgt hat, kann es nahezu unwidersprochen behaupten, dass terror frieden und sklaverei freiheit bedeutet.

der perfide charakter des demokratischen prozedere ist nicht zuletzt deshalb so schwer zu durchschauen, weil die menschen ihren status als arbeitskräfte eines verselbstständigten, selbstzweckhaften systemzusammenhanges schon längst verinnerlicht haben und sich eine andere, vernünftigere form der gesellschaftlichkeit gar nicht mehr vorstellen können. dazu kommt, dass das system aus sich heraus und in seinen eigenen kategorien ständig alternativen und differente möglichkeiten und verlaufsformen anbietet, die dann demokratiepolitisch bearbeitet werden dürfen. jedoch stets nur innerhalb des hermetisch geschlossenen spektakulären rahmens. verhandelt werden nur scheinalternativen, im rahmen der angeblichen gesellschaftlichen naturgesetze. diese entscheidungen folgen ungefähr dem prinzip eines multiple choice tests, bei dem eine möglichkeit aus einem eng begrenzten spektrum augewählt werden kann. alternativen jenseits des vorgegebenen sind natürlich ausgeschlossen, es bleibt die wahl zwischen pest und cholera.

Kapitel 03 – Von der rücksichtslosen Kritik alles Bestehenden

comic : DIE ABENTEUER SIND ZU ENDE, DENN IN DER TOTALEN BANALITÄT DES MARKTES GIBT ES NICHTS ZU ENTDECKEN UND NICHTS ZU ERLEBEN. SO IST ES UMSO GEWISSER WAS WIR GEGENWÄRTIG ZU VOLLBRINGEN HABEN, NÄMLICH DIE RÜCKSICHTSLOSE KRITIK ALLES BESTEHENDEN. RÜCKSICHTSLOS IN DEM SINNE, DASS SIE SICH WEDER VOR DEM KONFLIKT MIT DEM BESTEHENDEN NOCH VOR IHREN RESULTATEN FÜRCHTET.

wenn arbeit bedeutet, die welt entweder zu vernichten oder zu verfluchen, so haben sich die menschen bisher doch stets damit begnügt, sie zu verfluchen. jetzt ist es an der zeit, sie zu vernichten. und da sich die menschen angeblich nur probleme stellen, die sie auch lösen können, wollen wir hinzufügen, dass wir heute an dem punkt angelangt sind, wo es nicht mehr möglich ist, auch nur ein grundlegendes problem zu lösen, ohne dabei gleichzeitig die ursache aller probleme anzugehen (*).

(*) FUSSNOTE: wir wollen damit dem kampf gegen nationalismus/rassismus/antisemitismus/(hetero)sexismus, … nicht die daseinsberechtigung absprechen, sind aber der überzeugung, dass dieser kampf uneingebettet in eine analyse der gesellschaftlichen rahmenbedinungen, also des spektakels, zwangsläufig zu kurz greifen muss.

die gesamtheit der erkenntnisse, die sich zur zeit als denken des spektakels entwickelt, soll eine gesellschaft ohne rechtfertigung rechtfertigen. deshalb muss für uns im gegensatz zu den universitären theorieverwalterInnen gelten, dass unsere kritik in ihrem gegenstand immer den feind erblickt, den sie nicht analysieren sondern vernichten will. dieses projekt, die ökonomie zu überwinden und von der geschichte besitz zu ergreifen, kann aber nicht selbst wissenschaftlich sein, auch wenn es die wissenschaft der gesellschaft kennen und zu sich zurückführen muss. da sich die moderne sozialwissenschaft aber mit einer kritik begnügt, die das spektakel analysiert ohne es selbst in frage zu stellen, hat sie sich selbst zur spektakulären kritik reduziert und ist somit zu einer allgemeinen wissenschaft des falschen bewusstseins geworden. das ergebnis jeder analyse dieser gesellschaft kann aber nichts anderes als sein als ihre negation.

in unserer kritik vereinigen wir deshalb all das, was an emanzipatorischer kritik seit dem beginn der auflehnung der menschen gegen ihre fesseln von eben diesen formuliert wurde. denn die gesellschaft des spektakels hört in jenem moment auf zu funktionieren, in dem ihre wirklichkeit überall zur diskussion gestellt und durch eine verweigerung angegriffen wird. eine verweigerung die weder vorrübergehend noch partiell, sondern permanent und total ist.

die frage nach einer kompletten veränderung des lebens, ausgehend vom nicht mehr zurückzuhaltenden wissen über die ungeheuren möglichkeiten, ist zwar unter viel druckerschwärze und den bunten farben der werbeindustrie begraben, nicht aber erstickt worden. gerade deshalb sehen wir in ihm, dem sinnentleerten und jeder hoffnung beraubten leben, den motor, der uns antreibt. denn keine moderne kann diesen zustand des allgemeinen elends und der kulturellen betäubung abschaffen. die revolution als transformation des lebens ist untrennbar verbunden mit allen anderen veränderungen dieser welt.

innerhalb einer global entfremdeten welt finden wir uns deshalb einer globalen aufgabe gegenüber. es geht nicht um die forderung zur verbesserung von teilen des ganzen, sondern um die herstellung der vorraussetzungen für eine grundlegende veränderung. es wäre schwachsinn zu glauben, dass dies von innen heraus möglich wäre. das bestehende system durch konstruktive kritik mitzugestalten und so zu emanzipieren, ist von anbeginn zum scheitern verurteilt. wie viele radikale kritikerInnen im nachhinein erkennen mussten, akzeptiert mensch mit den politischen regeln des bestehenden systems auch gleich das system selbst. die hoffnung, dadurch die eigene radikale kritik einer grösseren öffentlichkeit bekannt und plausibel zu machen, erwies sich immer noch als trugschluss.

es wird übersehen, dass durch die vereinnahmungsfähigkeit des spektakels jede kritik, die ausschliesslich auf die verbesserung der situation der marginalisierten abzielt, nur mehr identitätspolitischen charakter hat. und während diese kritik für gewisse zeit durchaus befreiend erscheinen mag, so ändert sich in wirklichkeit doch nichts am grösseren zusammenhang. vermeintlich überwunden geglaubte ausschliessungsmechanismen werden bei genauerer betrachtung nach und nach wieder sichtbar und das spektakel integriert die kritik, ohne dass sich seine grundkategorien und ihre beziehungsweisen ändern müssten. die vermeintlich befreiten werden entlang der gewählten identität als neue konsumentInnengruppe des differenzkapitalismus bedient. gelingt das nicht, enden die marginalisierten verarmt an der peripherie oder als kollateralschaden des spektakels auf der müllhalde der geschichte.

die kritik der politischen regeln, die ursprünglich zum integralen bestandteil der inhaltlichen kritik der emanzipatorischen opposition gehörte, geht dabei verloren, und mit der vermeintlich nur formalen anpassung an das bestehende vollzieht sich gleichzeitig auch eine inhaltliche. im scheinbar endgültigen triumph des spektakels kann es also nur noch ein abenteuer geben: die überwindung alles vorhandenen jenseits partikulärer identitätspolitik oder alter staatssozialistischer ideen. danach mag eine andere geschichte beginnen.

Kapitel 04 – Von der Geschichts- und Alternativenlosigkeit

Comic : DIE GESCHICHTE GIBT ES, WEIL ES UNTERDRÜCKTE GIBT. STETS IST DEREN KAMPF – ERST GEGEN DIE NATUR UND SPÄTER GEGEN DIE VERSCHIEDENEN GESELLSCHAFTLICHEN FESSELN – ZUGLEICH KAMPF FÜR DIE MENSCHLICHE EMANZIPATION, DA DIE GESCHICHTE ‚UNTER BESTIMMTEN BEDINGUNGEN’ VON SKLAViNNEN GEGEN DIE SKLAVEREI GEMACHT WIRD, KANN SIE NUR EIN EINZIGES ZIEL VERFOLGEN: DIE VERNICHTUNG DER HERREN. DER HERR SEINERSEITS RUHT NICHT, BIS ER DER GESCHICHTE ENTKOMMT, BIS ER SIE VERMEIDET, INDEM ER DIEJENIGEN MASSAKRIERT, DIE SIE MACHEN, DIE SIE GEGEN IHN MACHEN.

wir leben in einer welt ohne gedächtnis, in der wie auf fernsehscreens ein bild unaufhörlich das nächste jagt. denn als erstes hatte es die spektakuläre herrschaft darauf abgesehen, die kenntnis der geschichte zu beseitigen. das spektakel organisiert meisterhaft die ignoranz dessen, was passiert, und unmittelbar darauf das vergessen von dem, was trotzdem hat ruchbar werden können. das ende der geschichte ist für jeden machtapparat von heute ein angenehmes ruhekissen. es garantiert ihm den erfolg all seiner unternehmungen oder zumindest die nachricht seines erfolges. die domäne der geschichte war das erinnerbare, die gesamtheit der ereignisse, deren folgen lange nachwirken würden. untrennbar davon war sie die erkenntnis die überdauern und wenigstens teilweise helfen würde zu verstehen, was neues geschehen würde. von daher war geschichte das mass der neuheit und wer alles als neuheit verkauft, dem/r ist daran gelegen, das mittel diese zu messen beiseite zu schaffen. denn der vorteil, den das spektakel aus dem verschweigen der geschichte zieht, liegt darin, dass es seine eigene geschichte verschleiert. seine jüngste landnahme wird vergessen gemacht, sodass seine macht vertraut erscheint, als ob sie schon immer da gewesen wäre.

noch keine gesellschaft in der menschlichen geschichte hat sich derart unverfroren absolut gesetzt. das spektakel färbt seine geschichte nicht nur schön sondern löst sie grösstenteils auf. der homo oeconomicus lebt quasi in einer ewigen gegenwart von tauschhandlungen. die bunt-zeitlose warenwelt verschluckt dabei jedes mass und ist folgerichtig beim absoluten markt gelandet. beim totalen relativismus in dem alles nur ein film ist. jede kritische reflexion über die historische entwicklung zu dem was ist entfällt. „es ist so und damit schluss.“ dem medialen oder ideologischen schein kommt genau soviel tatsachengehalt zu, wie dem realen sein. es scheint keinen unterschied mehr zwischen dem spektakel und der realen welt zu geben. die lüge ist genauso wahr wie ‚die wahrheit’.

 

Kapitel 05 – Von der Geschichte zur geschichtlichen Aufgabe

Comic : DIE BETRIEBSWIRTE ERKLÄREN UNS, WIE UNTER GEGEBENEN VERHÄLTNISSEN PRODUZIERT WIRD. WAS SIE UNS ABER NICHT ERKLÄREN IST, WIE DIESE VERHÄLTNISSE SELBST PRODUZIERT WERDEN, D.H. DIE HISTORISCHE BEWEGUNG DIE SIE INS LEBEN RUFT.

 

lange hat die ware ihre herrschaft über die wirtschaft verdeckt ausgeübt. erst mit dem eintreten der industriellen revolution, der arbeit in den manufakturen und der massenproduktion für den weltmarkt erscheint sie als die kraft, die das menschliche zusammenleben bestimmt. zu dieser zeit bildete sich auch die politische ökonomie als herrschende wissenschaft und als wissenschaft der herrschaft heraus. das spektakel wiederum gelangte erst in jenem moment zu sich selbst, in dem die ware zur völligen beschlagnahmung des gesellschaftlichen lebens ansetzte. das verhältnis zur ware wurde nicht nur sichtbar, sondern wir sehen mittlerweile nichts anderes mehr.

dies lässt sich durch die entkoppelung der ökonomie von den eigentlichen menschlichen bedürfnissen und ihrer kulturellen einbindung erklären. die verselbstständigte wirtschaft machte aus dem marginalen medium des geldes einen selbstzweck und verkehrte damit das verhältnis von abstraktem zu konkretem. die abstraktion ist jetzt nicht mehr ausdruck einer konkreten, sinnlichen welt, sondern umgekehrt gelten alle konkreten zusammenhänge und sinnlichen gegenstände nur noch als ausdruck einer sozialen abstraktion, die in der verdinglichten gestalt des geldes die gesellschaft beherrscht.

das drückt sich in der entfremdung jedes/r einzelnen aus. die eigenen gesten gehören nicht mehr uns, sondern anderen, die sie uns lediglich zurück verkaufen. doch je mehr wir uns in den herrschenden bildern der bedürfnisse wiederzuerkennen glauben, um so weniger verstehen wir unsere eigenen begierden. wir werden zu zuseherInnen unseres eigenen lebens und je mehr wir zusehen umso weniger leben wir. während wir also immer machtvoller alle einzelheiten unserer welt konstruieren, finden wir uns dadurch immer mehr von ihr getrennt. je mehr leben in einem produkt landet, um so mehr sind wir in wirklichkeit unserem leben entfremdet. es gibt also kein zentrum der unterdrückung mehr, denn die unterdrückung ist überall. das einzig positive einer solchen auflösung ist die tatsache, dass sich jede/r in der extremen isolierung der notwendigkeit bewusst wird, zunächst sich selbst zu retten um vom subjektiven ausgehend eine welt zu schaffen, in der mensch überall zu hause sein kann.

 

 

Abschnitt 02 – Wert und Emanzipation

Prelude – Von den ökonomischen Verhältnissen

Comic : DIE FORDERUNG AUFZUHÖREN SICH ILLUSIONEN ZU MACHEN, IST DIE FORDERUNG, EINEN ZUSTAND AUFZUGEBEN, DER DER ILLUSION BEDARF.

bedingung für ein handeln in der welt der waren ist unsere gegenseitige anerkennung als privateigentümerInnen. im austausch und produktionsprozess treten wir uns dabei als personifikation der ökonomischen verhältnisse gegenüber. durch die allgemeine anerkennung des fetischs ware wird dieser gesellschaftlich wirksam. das prinzip des tausches wird so universell, dass es menschliches handeln jenseits der tauschlogik kaum mehr geben kann.

die existenz fetischistischen bewusstseins ist in dem sinn total, als es nicht von einer klasse oder gesellschaftlichen gruppierung bewusst in die welt gesetzt wurde, sondern dass tendenziell alle menschen in den entwickelten warenproduzierenden und -tauschenden gesellschaften dieser falschen reflexion gesellschaftlicher wirklichkeit verhaftet sind. der mangel an verständnis der inneren bewegungsgesetze des kapitalismus und bewusste politische handlungen zur aufrechterhaltung seiner politischen rahmenbedingungen existieren gleichzeitig. derart kann also von einem zusammenhang zwischen blind wirkendem wertgesetz und bewusster politischer perspektivenwahl der herrschenden gesprochen werden.

 

KASTEN: ARBEIT

arbeit hat zwei aspekte, den der konkreten und den der abstrakten arbeit. konkrete arbeit ist die allen gesellschaftsformen eigene interaktion der menschen mit der natur und schafft als „nützliche“ arbeit einen gebrauchswert. das wäre zum beispiel das schreinern eines tisches, das einen gegenstand schafft, der zum darauf essen, schreiben etc. gebraucht werden kann. der zweite aspekt, der der abstrakten arbeit, drückt sich im gegensatz zur konkreten arbeit nicht im verhältnis des menschen zur natur aus, sondern erst im tauschprozess, in dem an sich miteinander unvergleichbare gegenstände auf ihren gemeinsamen charakter, den der menschlichen arbeit, reduziert und somit zu vergleich- und austauschbaren waren gemacht werden. abstrakte arbeit ist somit dem kapitalismus eigen. es ist eine fremdbestimmte, jenseits der eigenen bedürfnisse und ausserhalb der eigenen kontrolle liegende tätigkeit und als solche ausdruck eines bestimmten gesellschaftsverhältnisses. deshalb kann mensch einer ware zwar stets die wirkung der konkreten arbeit, aber niemals die wirkung der abstrakten arbeit ansehen. um beim beispiel des tisches zu bleiben: ein zweiter tisch wird gegen vier sessel getauscht, d.h. die arbeit, die in das schreinern vierer sessel ging, wird mit der arbeit an einem tisch gleichgesetzt. getauscht wird natürlich auch gegen einen anzug – das schreinern und das schneidern haben tatsächlich nichts mehr gemeinsam, durch den tausch werden sie aber gleichgesetzt, was wiederum voraussetzung ist um waren erst austauschbar zu machen.

 

KASTEN: ENTFREMDUNG:

entfremdung ist ein prozess, in dessen verlauf der mensch seine beziehung zur arbeit, zum eigenen leben und zur gesellschaft verliert. wer in dieser gesellschaft geld verdienen will, muss sich selbst fremd werden, meist ohne es am ende noch zu bemerken. grund dafür sind die kapitalistischen rahmenbedingungen, die sowohl den lohnarbeiterInnen als auch dem management jegliche selbstbestimmung über das zweck-mittel-verhältnis ihrer tätigkeit entziehen. das passiert durch das auseinanderfallen von produktion und konsumtion. also arbeit als anonyme tätigkeit für einen anonymen markt ohne bewusste verständigung über den inhaltlichen sinn und zweck, mit der konsequenz, dass die tätigkeiten aller zur entfremdeten arbeit werden.

 

KASTEN: FETISCH

fetisch ist die zuschreibung von eigenschaften, unabhängig von der realen beschaffenheit einer sache. so wie der wert, zu dem waren getauscht werden, ihnen schon immer anzuhaften scheint. aber damit ein gegenstand den wert eines anderen gegenstandes ausdrücken kann, muss er erst zur ware werden. dabei werden ihm ‚natürliche’ eigenschaften zugeschrieben, die er in wirklichkeit nur aufgrund eines bestimmten gesellschaftlichen verhältnisses hat. durch die allgegenwärtigkeit der tauschprozesse schreibt sich der wert aber täglich aufs neue ins bewußtsein der menschen ein. somit wird er von einer zuschreibung zu einem fakt, im tauschprozess täglich aufs neue bestätigt.

 

 

Kapitel 06 – Vom Wert der Waren

 

Comic: DAS GEHEIMNISVOLLE DER WARENFORM BESTEHT ALSO DARIN, DASS SIE DEN MENSCHEN DIE GESELLSCHAFTLICHEN EIGENSCHAFTEN IHRER EIGENEN ARBEIT ALS GEGENSTÄNDLICHE EIGENSCHAFTEN DER ARBEITSPRODUKTE SELBST ZURÜCKSPIEGELT. DURCH DIESE VERTAUSCHUNG DER ABHÄNGIGKEITEN WERDEN DIE ARBEITSPRODUKTE WAREN, SINNLICH ÜBERSINNLICHE ODER GESELLSCHAFTLICHE DINGE – DER MENSCH HAT NICHT LÄNGER MACHT ÜBER DIE SACHE, SONDERN DIE SACHE HAT MACHT ÜBER DEN MENSCH.

 

um das im vorigen kapitel angesprochene wertgesetz verstehen zu können, ist eine weitere betrachtung der ware nötig. jede ware hat zwei eigenschaften, ihren gebrauchswert und ihre funktion als wertgegenstand. wobei der bezug auf die gegenständlichkeit der zweiteren irreführend ist, denn der wert ist ja nichts natürlich gewachsenes, sondern etwas rein gesellschaftliches. er wird zwar in der produktion geschaffen, aber dort allein kann er noch nicht existieren. er braucht zu seiner verwirklichung noch die sichtbarmachung im austausch. das heisst, der wert wird zwar vor dem austausch geschaffen, kann aber nur im austausch, in form des tauschwertes, existieren. diesem doppelcharakter von gebrauchs- und tauschwert entspricht der von konkreter und abstrakter arbeit.

der tauschwert konnte sich historisch gesehen zwar nur durch die existenz des gebrauchswerts bilden, ist aber mittlerweile durch sein quasi-monopol zur befriedigung menschlicher bedürfnisse dazu gekommen, die bedürfnisse selbst zu steuern. der tauschprozess hat sich in jedem vorstellbaren gebrauch festgeschrieben, weshalb sich die waren als tauschwerte realisieren müssen, bevor sie das als gebrauchswerte tun können.

indem wir unsere verschiedenen produkte im tausch gleichsetzen, setzen wir unsere verschiedenen arbeiten als menschliche arbeit gleich. unabhängig davon, ob wir uns dessen bewusst sind, tun wir es doch täglich aufs neue. zusätzlich wird dieser zusammenhang noch durch das geld verschleiert. denn wir tauschen unsere waren ja nicht mehr gegen andere waren sondern gegen geld. und obwohl geld selbst auch nur eine ware ist, so verdeckt es doch die gesellschaftlichen zusammenhänge des warentausches.

womit wir nahtlos beim fetischhaften charakter des obigen tauschprozesses anschliessen können. denn der preis einer ware ist ausdruck ihres tausch- und nicht ihres gebrauchswertes. der preis ist nichts anderes als der geldname der in der ware vergegenständlichten arbeit. als solches ist er, wie der wert selbst, lediglich gesellschaftlich geschaffen. der wert von weizen oder stahl existiert zwar in diesen dingen selbst, er wird vorgestellt durch ihre gleichheit mit geld, eine beziehung zum geld, die allerdings nur in unseren köpfen spukt. nicht zuletzt deshalb wird dem geld eine besondere macht über uns menschen zugeschrieben. dabei vergessen wir, dass geld keine übermenschliche macht hat, sondern es eben ein gesellschaftliches produkt unseres warenverkehrs ist.

geld hat also die funktion eines zirkulationsmittels. warenbesitzerInnen veräussern ihre waren gegen geld und kaufen damit andere waren. auch wenn diese zirkulationsform täglich im kapitalismus vollzogen wird, so ist sie noch nicht die bewegungsform des kapitals. geld wird zu kapital, wenn es mit der absicht in den zirkulationsprozess eingeht, am ende als mehr geld wieder hervorzukommen. dabei werden die geldbesitzerInnen zu kapitalistInnen. sie kaufen mit ihrem geld waren, um sie später mit profit zu verkaufen. dazwischen liegt die produktion, in der den waren durch verausgabung von arbeit wert zugesetzt wird. geleistet wird diese arbeit durch die vom kapital für die produktion gekauften arbeitskräfte. damit die kapitalistInnen am ende mehr geld herausbekommen als sie investiert haben, müssen die arbeitskräfte den waren mehr wert zusetzen, als sie selbst wert sind. der mehrwert ist das von der ware arbeitskraft in der mehrarbeitszeit (*) erwirtschaftete produkt.

FUSSNOTE (*) der ursprung des mehrwerts liegt in der differenz des wertes der arbeitskraft und jenem wert, der durch den einsatz dieser arbeitskraft im produktionsprozess geschaffen wird. einfach gesagt lässt sich der arbeitstag in zwei bestandteile zerlegen. ein teil umfasst die zeit, während der die/der arbeiterIn den wert der eigenen arbeitskraft reproduziert, der rest des arbeitstages – die darüber hinausgehende zeit – stellt die mehrarbeitszeit dar.

kurz gesagt: grundzweck des kapitals ist es sich selbst zu verwerten. daher muss als solches eingesetztes kapital einen kreislauf (geld – ware – geld’) durchmachen, indem menschliche arbeit vernutzt wird und dadurch am ende mehr produktwert vorhanden ist als zuvor. dies wird durch die besonderheit der ware arbeitskraft möglich, denn nur die arbeit kann mehr wert erzeugen als zu ihrer erhaltung notwendig ist (*).

FUSSNOTE (*) eine selbstvermehrung durch tausch ist nicht möglich. einE einzelnEr produzentIn mag zwar über dem preis am markt verkaufen. das wird aber dadurch ausgeglichen, dass sein/ihr gegenüber dann auch über preis kaufen muss. in der summe kann das kapital so nicht anwachsen. der wert wird lediglich umverteilt. nach dem tausch hat der/die eine verhältnismäßig mehr, der/die andere verhältnismäßig weniger geld als zuvor. in summe ist aber alles gleich geblieben.

 

Kapitel 07 – Von der Produktivkraftentwicklung

Comic : BEVOR WIR NICHT ALLES ZERSTÖREN, WIRD ES NUR RUINEN GEBEN!

es ist wichtig im auge zu behalten, dass „das kapital“ aus vielen einzelkapitalen mit widersprüchlichen interessen besteht. all diese einzelkapitale unterliegen dem zwang zur verwertung (schaffung von mehrwert und realisierung auf dem markt), die am besten durch konsequente entwicklung der produktivkraft der arbeit geschieht. durch die kostengünstigere produktion und den einsatz von besseren maschinen bzw. automatisierung haben die produzierten waren eine geringere wertmasse (anteil an abstrakter menschlicher arbeit) als im gesellschaftlichen durchschnitt. beim verkauf der waren zu ihrem gesellschaftlichen wert wird also ein – wenn auch wegen der wirkung der konkurrenz nur zeitweiliger – zusatzprofit realisiert. d.h. das kapital, das die wertmasse am umfassendsten verringert, kann dadurch den grössten profit erzielen.

im zuge unternehmerischer rationalisierungsschritte nimmt also der anteil menschlicher arbeit an den produkten ab. sie wird durch vergegenständlichte arbeit(*) ersetzt. im gegensatz zur lebendigen arbeit schafft vergegenständlichte arbeit jedoch keinen neuen wert. sie kann bestenfalls bereits vorhandenen wert auf ein produkt übertragen. ersetzt der/die kapitalistIn menschen durch maschinen, dann kauft diesEr mit der maschine eine menge x an bereits vorhandenem wert ein, den die maschine im laufe ihres einsatzes an die produkte ‚abgibt’. es handelt sich also wieder nur um eine umverteilung des wertes. letzten endes resultiert daraus der widerspruch, dass kapital einerseits versuchen muss, die zur produktion einer ware notwendige arbeitskraft auf ein minimum zu reduzieren um den am markt realisierbaren profit zu maximieren, andererseits aber ein möglichst grosses quantum menschlicher arbeit anzuwenden, da jedem produkt nur so wert zugeführt werden kann.

FUSSNOTE (*) vergegenständlichte, oder auch tote arbeit ist das resultat von menschlicher, oder auch lebendiger arbeit ‚in’ einem produkt, z.b. einer maschine, die durch den einsatz menschlicher arbeit produziert wurde, nun aber ohne menschliches zutun arbeit leistet.

der innere widerspruch des kapitalismus resultiert also gerade aus dem gepriesenen konkurrenzmechanismus, der die kapitalistische dynamik antreibt. dieser von der vermittlung über anonyme märkte erzeugte wettstreit der einzelnen betriebswirtschaftlichen marktteilnehmerInnen erzwingt eine permanente steigerung der produktivität, die auf dauer nur zu erreichen ist, indem menschliche arbeitskraft durch den einsatz von technologie ersetzt wird. das bedeutet, dass die einzelne ware logischerweise immer weniger wert ist, weil sie immer weniger arbeitssubstanz darstellen kann.

wenn sich die kapitalistische produktionsweise trotz dieses logischen selbstwiderspruches reproduzieren kann, so durch ihre beständige expansion. je weniger wert/arbeitssubstanz die einzelne ware darstellt, desto mehr waren müssen produziert und verkauft werden. solange sich die menge der produzierten waren schneller ausdehnt als sich die arbeits- und wertsubstanz vermindert, steigt der profit. es gilt also, die welt mit waren zuzuschütten und die menschen dazu zu bringen, ihr leben in der form einer unaufhörlichen warenproduktion und eines ständig steigenden warenkonsums zu organisieren. doch wenn die zugrundeliegende steigerung der produktion von wertsubstanz durch den erreichten grad der verwissenschaftlichung nicht mehr in einem gesellschaftlich nennenswerten ausmass möglich ist, wird der verfall der wertsubstanz irreversibel. aus einem relativen fall der profitrate wird ein absoluter fall der profitmasse, was an der stilllegung funktionierender produktionen und einer dauerhaften massenarbeitslosigkeit sichtbar wird. unter beibehaltung der kapitalistischen rahmenbedingungen kann also die absurde situation entstehen, dass der grossteil der gesellschaft verarmt, obwohl alle materiellen faktoren der reichtumsproduktion zur verfügung stehen.

nirgends wird das absurde des warenproduzierenden systems deutlicher sichtbar als darin, dass die steigerung der produktionskräfte (zb. durch neue maschinen) massenhaft menschen ins elend stürzt. obwohl durch die dritte industrielle revolution (*) die kapazitäten der produktion sprunghaft gesteigert wurden, nimmt das materielle lebensniveau der menschen in den zentren zunehmend ab. noch schlimmer ist es an der peripherie, wo nach dem scheitern der nachholenden modernisierung (**) ein landstrich nach dem anderen der absoluten verelendung anheimfällt.

FUSSNOTE (*) der hauptinhalt der ersten industriellen revolution bestand darin, menschliche muskelkraft durch maschinenkraft zu ersetzen, zum beispiel durch den einsatz von dampfmaschinen. das charakteristikum der zweiten industriellen revolution war es, die im maschinensystem tätige arbeitskraft zu rationalisieren, zum beispiel durch den einsatz von fliessbändern. das merkmal der dritten industriellen revolution ist es, die menschlich arbeitskraft im produktionsprozess durch automatisierung überhaupt überflüssig zu machen.
FUSSNOTE (**) die durchsetzung des kapitalismus ging zuerst von einigen westeuropäischen zentren aus. als dort die entsprechenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen strukturen für erfolgreiche geldvermehrung eingerichtet waren, wurden die weltteile, die diesem austausch angegliedert aber nicht gewachsen waren, immer weiter ‚an den rand’ gedrängt. so war die nachholende modernisierung der versuch der an die peripherie gedrängten länder sich mit staatskapitalistischen methoden sowjetischer prägung (wie zb. in den osteuropäischen ländern, aber auch in vielen ehemaligen westeuropäischen kolonien) an die kapitalistisch weiterenwickelten zentren heranzuwirtschaften.

 

KASTEN: „EMERGING MARKETS“

die neoliberale antwort auf die fallende profitrate ist globale outputmaximierung und folgt der logik, dass der weltmarkt unbegrenzt absatzmöglichkeiten bietet. im wettlauf um die exporte werden die einzelnen staaten in einen standortwettbewerb versetzt, um global agierenden konzernen die besten betriebswirtschaftlichen rahmenbedingungen zu bieten, d.h. in den zentren werden einkommen gesenkt und sozialleistungen gekürzt. was übersehen wird, ist die tatsache, dass jede kostensenkung nur einen kurzfristigen standortvorteil bringt, da durch den globalen wettbewerb andere standorte nachziehen ‚müssen’. so führt die weltweit gleichförmige ‚standortoptimierung’ zur senkung der lebensstandards und damit einhergehend zum absinken der globalen nachfrage im verhältnis zur produktionskapazität.

 

dem entgegen wirkte in den letzten jahren die expansion des kapitals in die zentral- und osteuropäischen länder, sowie die öffnung ehemals geschlossener volkswirtschaften wie jenen von china oder indien. was sich zumindest kurzfristig als doppelter nutzen für unternehmen herausstellte: einerseits boten sich neue absatzmärkte, andererseits immer neue outsourcing- bzw. direktinvestitionsdestinationen, in denen immer weniger lohn bezahlt und somit die produktivität noch weiter gesteigert werden konnte. profitieren können die so genannten emerging markets jedoch nur bedingt, neben einer hand voll gewinnerInnen müssen die menschen letztendlich auf wohlstand verzichten. denn steigende löhne und lebensstandards würden die jeweiligen staaten um die standortvorteile bringen, und die ehemals damit gelockten unternehmen in noch billigere regionen der welt abwandern. gleichzeitig verzichten unternehmen in den zentren aufgrund konkurrenzlos billiger importe auf weitere investitionen, wodurch das absinken der lebensstandards – um doch noch einmal konkurrenzfähig zu werden – nur noch beschleunigt wird.

besonders deutlich wird das am beispiel chinas. wie kaum ein anderes land steht es für die dynamik und perspektiven von neoliberalismus und der globalisierung. auf der einen seite steht die nachholende modernisierung. die in riesigen mengen vorhandenen arbeitskräfte und natürlichen ressourcen (rohstoffe bei nicht existenten umweltauflagen) werden bedingungslos ausgebeutet, was real zu jahrelangem wirtschaftswachstum um die 10 % geführt hat. auf der anderen seite trifft dieses wachstum und chinas grösse auf die ungeheuren mengen an verfügbarem kapital, die in unserer globalisierten welt nach einer möglichkeit suchen, sich selbst zu verwerten. mit steigenden lebensstandards der gewinnerInnenschichten wird china aucht als absatzmarkt interessant – dass hunderte millionen unter frühkapitalistischen bedingungen leben und arbeiten müssen, tut dem keinen abbruch. ganz im gegenteil ist es nämlich garant, dass trotz ständig sinkender lebensstandards in den zentren nicht einmal ansatzweise konkurrenzfähigkeit mit china erreicht werden kann. für die massen ist es sowohl hüben wie drüben eine aussichtslose situation, denn sollten in china die lebensstandards merkbar steigen, werden wir beobachten können, wie das kapital abzieht um seine politik der verbrannten erde woanders fortzusetzen. zumindestens für das spektakel ist es jedoch eine möglichkeit, sich kurzfristig über die runden zu retten.

so scheint es, als ob das warenproduzierende system irgendwann an seine historische grenze stossen müsste. zwar ist seine dynamik noch nicht komplett erloschen, doch kann die expansionsbewegung des kapitals den aus der zunehmenden automatisation der produktion resultierenden rückgang der wertproduktion immer weniger ausgleichen. in diesem stadium des kapitalismus, das endgültig kein heilsversprechen mehr zu bieten hat, ist gegenwehr, ohne das kapitalistische system selbst in frage zu stellen, aussichtslos. gewerkschaften werden obsolet, da gewerkschaftliche solidarität und aktionsfähigkeit bei gleichzeitiger akzeptanz der systemgrundlagen unmöglich werden. und politische programme sind innerhalb der systemimmanenten schranken aus ermangelung an alternativen ohnehin längst austauschbar geworden.

wenn wir uns hier also mit einer analyse der krisen und systemwidersprüche des kapitalismus befasst haben, dann soll uns das helfen zu verstehen, was gerade passiert und noch passieren wird. die fakten sollten uns nicht länger überraschen, sondern vielmehr unsere eigenen theorien bestätigen. nichtsdestotrotz wäre es ein fehler, die selbstwidersprüche des kapitalismus als ausschlaggebendes argument für eine ablehnung alles bestehenden heranzuziehen. ebenso unsinnig wäre es, die abstrakte arbeit schlicht und einfach abzulehnen, weil sie uns ausgehen könnte. selbst wenn das spektakel tausend jahre währen, der kapitalismus sich problemlos reproduzieren und das überleben aller garantieren könnte, müssten wir ihn beseitigen. eben weil er uns um die möglichkeit zu leben bringt. denn wer will schon eine welt, in der die garantie, nicht zu verhungern, durch die gefahr, an langeweile zu sterben, erkauft wird.

 

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