Das Gewicht der Erinnerung
Die libertäre Bewegung hat eine Vergangenheit, die so schwer mit Ereignissen und Konsequenzen beladen ist, dass es schon immer ein Problem war, mit ihr fertig zu werden. Nicht alles sind Siege, Erfolge und Heldentaten gewesen. Es hat Fehler, Verrat und vor allem Niederlagen gegeben. Erstere machen keine Schwierigkeiten, aber letztere sind schwer zu verdauen. Die Bürde der Verantwortung, die die Vergangenheit mit sich schleppt, lässt die Libertären praktisch K.O. Das schlechteste, was man in diesem Fall tun kann, ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Man kann nicht jedes Mal den Blick abwenden, wenn eine zweifelhafte Tat oder ein ungünstiger Fakt ans Licht kommt. Das Gericht der Geschichte hat die Bewegung bereits verurteilt und die Bilanz gezogen, während es die Helden und die Verräter, die Authentischen und die Zufälligen in letzter Instanz aufzeigte. Es geht also nicht darum, eine Orthodoxie festzulegen und ausgehend von dieser Diplome des Anarchismus zu verteilen. Es geht um etwas viel schwierigeres: die Vergangenheit in die Gegenwart zu tragen, um ihr Sinn zu geben. Die Erinnerung zurückzuerlangen, aber nicht um es wie früher zu tun, sondern um die heutige Zeit zu verstehen. Wer seine Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verurteilt, ihre Fehler zu wiederholen; die Erinnerung ist das einzige, was die Besiegten nicht entbehren können. Sie ist die wichtigste Waffe, manchmal die einzige, die ihnen bleibt.
Die franquistische Pseudo-Opposition verschloss die Augen im Namen eines Paktes mit der Kirche und dem Staatsapparat, mit dem Segen der Führenden der herrschenden Klasse der Generation, die den Krieg nicht führte. Der Bürgerkrieg war nicht mehr ein Klassenkrieg und wurde zu einem “unnützen Blutbad unter Brüdern“, zu etwas beklagenswertem, an dem alle ihren Teil Schuld trugen. Die sogenannte Versöhnung liess ein sich selbst als demokratisch bezeichnendes Regime an den Tag treten, in dem es zwar keine bekennenden Faschisten gibt, in dem jedoch alle etwas von Faschisten haben. Es gibt keine Demokratie, sondern einen sanften Faschismus: Die Formen sagen etwas, doch die emotionale Pest, die Justiz und die Gefängnisse sagen etwas anderes.
Wir müssen anmerken, dass es auch unter den Libertären Anhänger des Vergessens gab und, dass dies die Bewegung in eine Dynamik von Reformismus und Bürokratie zog, die sie die historische Gelegenheit verpassen liess, auf die sozialen Kämpfe der sechziger Jahre, auf die letzte Periode des Klassenkampfes Einfluss zu nehmen. Das Bild einer auf eine CNT ohne Schwachstellen zentrierten Vergangenheit ist falsch und ist es schon immer gewesen. Das Vergessen kann ein Balsam auf den Wunden der Vergangenheit sein, denn zuviel Wissen führt zu Schlussfolgerungen, die emotional schwer zu ertragen sind; die Erinnerung lässt uns an unserer Überzeugung festhalten, doch sie kann uns an sentimentalen Punkten treffen und eine Ablehnung provozieren. Eine solche Haltung ist bei den alten Kämpfern verständlich, jedoch nicht bei jenen, die nicht von den grausamen Entscheidungen vergangener Kämpfe verschlungen wurden. Das Vergessen ist heute eine vergiftete Frucht der Herrschaft, an das Ende der autonomen Aktion des Proletariats gebunden. Es begleitet den Reformismus und die Unterwerfung im Schoss der heutigen soziopolitischen Verhältnisse. Dies ist, weshalb die Brücken der Erinnerung in den sozialen Kämpfen so wichtig sind.
Die Rebellen ohne Erinnerung sind entwaffnete Rebellen. Sie werden den Ereignissen nicht vorangehen, im Gegenteil, es sind die Ereignisse, die sie mitreissen werden. Die Erinnerung festigt die neuen sozialen Kollektive, sie ist das, was ihren Kämpfen und Streben Inhalt gibt, das, was verhindert, dass sich die Individuen alleine fühlen und sich in sich selbst zurückziehen, das, was sie der Welt die Stirn bieten und sie verändern lässt. Die heutige libertäre Bewegung kann der Erinnerung keinen Schlusspunkt setzen, ihre Vergangenheit mystifizieren und sich mit anderen Sachen beschäftigen. Ihre Zukunft und jene der aktuellen sozialen Kämpfe hängen davon ab, dass sie ihr Geschichte wiederergreifen und nützlich verwendet. Es gibt keine andere Wahl als auf ihrer Laufbahn weiterzugehen und die revolutionäre Option der Epoche zu werden, oder, sich zu entstellen, indem man sich am spektakulären Spiel der Herrschaft beteiligt. Angst erwecken oder Mitleid erwecken. Es stimmt, dass sich zweifelhafte Leute Anarchisten nannten, dass im Namen des Anarchismus schändliche Dinge getan wurden, und auch immer noch getan werden; doch die überwiegende Mehrheit der Realisierungen sind unleugbare soziale Erfolge. Die spanische Revolution war die einzige, gänzlich proletarische, soziale Revolution und jedes revolutionäre Projekt wird sich zwangsläufig von ihr inspirieren müssen. Das Erbe ist folglich positiv. Das bedeutet, dass es eine andere Form des Vergessens gibt: Die Auflösung der Erinnerung durch die Idealisierung der Vergangenheit. Dies dient bloss dazu, den Narzissmus rückständiger, sich von Träumen ernährender Sektoren zu befriedigen. Ausserdem regte die Idealisierung der republikanischen Phase der bourgeoisen Ordnung bei der ohnmächtigen, den Parteien gehorchenden Bevölkerung Machtfantasien an. Die Idealisierung ist eine sanfte Art und Weise die Vergangenheit zu beseitigen und sie in ein Propagandainstrument zu verwandeln.
Die Eigenart der politischen Szene in Spanien machte, dass ein Teil – die “Linke“ – die Existenz einer libertären Revolution negiert, um dem anderen Teil – der “Rechten“ – die Legitimierung wegzunehmen, die sie auf der Notwendigkeit ihrer blutigen Niederschlagung zu gründen versucht. Dieser Antagonismus konnte dank dem Pakt des Vergessens der “Übergangsphase“ überschritten werden, welcher letztendlich nur dazu diente, die Rückkehr der franquistischen Mythen und den Auftrieb der reaktionärsten Geschichtsschreibung (Sogar noch reaktionärer als jene von Fontana 1) zu begünstigen. Deshalb ist die heutige Demokratie ein System von an Amnesie leidenden. Das Vergessen trägt zur Desorientierung bei, erhöht das Unsicherheitsgefühl der Individuen, indem es ihre historischen Wurzeln zerstört und ihre Autonomie ruiniert. Der Subjektivitätsverlust macht sie unfähig, die Lage, die sie umgibt, zu kontrollieren und zu beherrschen; die Identifizierung mit vom Spektakel angebotenen Modellen setzt sich also aus Mangel durch. Die Libertären dürfen nichts vergessen; sie sind die einzigen, die ihre Sache in der Erinnerung finden. Die Erinnerung wird ihnen helfen, die Widersprüche zu überschreiten und eine wirkliche Gegenwart zu haben.
Die franquistische Pseudo-Opposition verschloss die Augen im Namen eines Paktes mit der Kirche und dem Staatsapparat, mit dem Segen der Führenden der herrschenden Klasse der Generation, die den Krieg nicht führte. Der Bürgerkrieg war nicht mehr ein Klassenkrieg und wurde zu einem “unnützen Blutbad unter Brüdern“, zu etwas beklagenswertem, an dem alle ihren Teil Schuld trugen. Die sogenannte Versöhnung liess ein sich selbst als demokratisch bezeichnendes Regime an den Tag treten, in dem es zwar keine bekennenden Faschisten gibt, in dem jedoch alle etwas von Faschisten haben. Es gibt keine Demokratie, sondern einen sanften Faschismus: Die Formen sagen etwas, doch die emotionale Pest, die Justiz und die Gefängnisse sagen etwas anderes.
Wir müssen anmerken, dass es auch unter den Libertären Anhänger des Vergessens gab und, dass dies die Bewegung in eine Dynamik von Reformismus und Bürokratie zog, die sie die historische Gelegenheit verpassen liess, auf die sozialen Kämpfe der sechziger Jahre, auf die letzte Periode des Klassenkampfes Einfluss zu nehmen. Das Bild einer auf eine CNT ohne Schwachstellen zentrierten Vergangenheit ist falsch und ist es schon immer gewesen. Das Vergessen kann ein Balsam auf den Wunden der Vergangenheit sein, denn zuviel Wissen führt zu Schlussfolgerungen, die emotional schwer zu ertragen sind; die Erinnerung lässt uns an unserer Überzeugung festhalten, doch sie kann uns an sentimentalen Punkten treffen und eine Ablehnung provozieren. Eine solche Haltung ist bei den alten Kämpfern verständlich, jedoch nicht bei jenen, die nicht von den grausamen Entscheidungen vergangener Kämpfe verschlungen wurden. Das Vergessen ist heute eine vergiftete Frucht der Herrschaft, an das Ende der autonomen Aktion des Proletariats gebunden. Es begleitet den Reformismus und die Unterwerfung im Schoss der heutigen soziopolitischen Verhältnisse. Dies ist, weshalb die Brücken der Erinnerung in den sozialen Kämpfen so wichtig sind.
Die Rebellen ohne Erinnerung sind entwaffnete Rebellen. Sie werden den Ereignissen nicht vorangehen, im Gegenteil, es sind die Ereignisse, die sie mitreissen werden. Die Erinnerung festigt die neuen sozialen Kollektive, sie ist das, was ihren Kämpfen und Streben Inhalt gibt, das, was verhindert, dass sich die Individuen alleine fühlen und sich in sich selbst zurückziehen, das, was sie der Welt die Stirn bieten und sie verändern lässt. Die heutige libertäre Bewegung kann der Erinnerung keinen Schlusspunkt setzen, ihre Vergangenheit mystifizieren und sich mit anderen Sachen beschäftigen. Ihre Zukunft und jene der aktuellen sozialen Kämpfe hängen davon ab, dass sie ihr Geschichte wiederergreifen und nützlich verwendet. Es gibt keine andere Wahl als auf ihrer Laufbahn weiterzugehen und die revolutionäre Option der Epoche zu werden, oder, sich zu entstellen, indem man sich am spektakulären Spiel der Herrschaft beteiligt. Angst erwecken oder Mitleid erwecken. Es stimmt, dass sich zweifelhafte Leute Anarchisten nannten, dass im Namen des Anarchismus schändliche Dinge getan wurden, und auch immer noch getan werden; doch die überwiegende Mehrheit der Realisierungen sind unleugbare soziale Erfolge. Die spanische Revolution war die einzige, gänzlich proletarische, soziale Revolution und jedes revolutionäre Projekt wird sich zwangsläufig von ihr inspirieren müssen. Das Erbe ist folglich positiv. Das bedeutet, dass es eine andere Form des Vergessens gibt: Die Auflösung der Erinnerung durch die Idealisierung der Vergangenheit. Dies dient bloss dazu, den Narzissmus rückständiger, sich von Träumen ernährender Sektoren zu befriedigen. Ausserdem regte die Idealisierung der republikanischen Phase der bourgeoisen Ordnung bei der ohnmächtigen, den Parteien gehorchenden Bevölkerung Machtfantasien an. Die Idealisierung ist eine sanfte Art und Weise die Vergangenheit zu beseitigen und sie in ein Propagandainstrument zu verwandeln.
Die Eigenart der politischen Szene in Spanien machte, dass ein Teil – die “Linke“ – die Existenz einer libertären Revolution negiert, um dem anderen Teil – der “Rechten“ – die Legitimierung wegzunehmen, die sie auf der Notwendigkeit ihrer blutigen Niederschlagung zu gründen versucht. Dieser Antagonismus konnte dank dem Pakt des Vergessens der “Übergangsphase“ überschritten werden, welcher letztendlich nur dazu diente, die Rückkehr der franquistischen Mythen und den Auftrieb der reaktionärsten Geschichtsschreibung (Sogar noch reaktionärer als jene von Fontana 1) zu begünstigen. Deshalb ist die heutige Demokratie ein System von an Amnesie leidenden. Das Vergessen trägt zur Desorientierung bei, erhöht das Unsicherheitsgefühl der Individuen, indem es ihre historischen Wurzeln zerstört und ihre Autonomie ruiniert. Der Subjektivitätsverlust macht sie unfähig, die Lage, die sie umgibt, zu kontrollieren und zu beherrschen; die Identifizierung mit vom Spektakel angebotenen Modellen setzt sich also aus Mangel durch. Die Libertären dürfen nichts vergessen; sie sind die einzigen, die ihre Sache in der Erinnerung finden. Die Erinnerung wird ihnen helfen, die Widersprüche zu überschreiten und eine wirkliche Gegenwart zu haben.
Anmerkungen
1 universitärer stalinistischer Historiker