Übersetzt von www.finimondo.org, publiziert am 12.7.2011
Wenn das Val Susa ruft…
…sollte man antworten, daran gibt es keinen Zweifel. Denn seit langem entwickelte sich kein derart breiter Konflikt zwischen einer ganzen Bevölkerung und dem Staat. Ein Konflikt, der seit Jahren andauert und den, angesichts der Unmöglichkeit, eine gemeinsame Lösung zu finden, bisher niemand zu schlichten vermochte. Es ist ja nicht so, dass es an Vermittlungs- und Beschwichtigsanwärtern mangeln würde, an diesen braven Leuten, die daran interessiert sind, ein Abkommen zwischen den nationalen Institutionen und den lokalen Bewohnern aufzugleisen. Es ist nur so, dass sich alle, in einem gewissen Sinne, an der unglaublichen Arroganz dieser Regierung stiessen, die sich dachte, dieses Tal zuerst mit Schlagstöcken und dann mit Tränengas befrieden zu können. Anstatt Teile der eigenen Pläne zu revidieren, auf Miteinbeziehung zu setzen und allen Zuckerbrot anzubieten – was für eine kurze Zeitspanne lang möglich war –, haben die Regierenden lieber den Schlagstock gezückt, um diesem groben Bergvolk die eigene Willkür aufzuzwingen. Das Ergebnis liegt heute vor aller Augen: Zehntausende Personen haben sich am vergangenen 3. Juli ein Gefecht mit den Ordnungskräften geliefert oder es unterstützt.
Wenn das Val Susa ruft, ist es jedoch nicht gesagt, dass die einzige Antwort, die man geben kann, ist, einen Zug nach Chiomonte zu nehmen, nachdem man sich mit Bergschuhen und Rucksack ausgerüstet hat. Mit Verlaub der kleinen und grossen Bewegungsführern, die gerne jene zählen, die ihren Aufrufen folge leisten: nicht alle haben die Möglichkeit, oder auch nur den Willen, sich mit dem bunt durchmischten NoTAV-Volk zu vereinen, das für das Gemeinwohl kämpft (wie es von einem bürgerprotestlerischen Vulgata umso grassierender, da unbestritten, obsessiv wiederholt wurde).
Für all diejenigen, die zu sehr verhindert oder zu sehr angewidert sind, um auf einen Zug aufzuspringen – und von denen gibt es mehr, als man vermuten würde –, sowie auch für all diejenigen, die denken, dass dieser Kampf aus den beschränkten geografischen Grenzen eines piemontesischen Tals hinaustreten muss, wenn er wirklich im ganzen Land ausbrechen will, gibt es andere Möglichkeiten. Und wir beziehen uns hier selbstverständlich nicht auf das für vorausgesetzt gehaltene Demonstrieren links und rechts der institutionellen Orte, sondern auf die Möglichkeit, den Hauptbrand zu nähren, indem wir anderswo neue Brandherde entfachen. Bei den doch verlassenen Peripherien zuschlagen, nicht auf das überfüllte Zentrum zielen. Es hadelt sich um eine nicht in Zahlen zu bemessende, abseits liegende, der „Wärme der Gemeinschaft“ entbehrende und dennoch entscheidende Möglichkeit. Dieser Kampf muss, um Sauerstoff zu finden, aus dem ländlichen Kontext heraustreten, an den man ihn zu oft gerne festnageln würde.
Wenn ein interessensbedingter Gedächtnisschwund nicht bereits böse Streiche spielen würde, wäre von einem Teil gerufen worden, dass der TAV überall ist, und dass man weder institutionelle Fristen abwarten, noch in umgrenzte Gebiete gelangen muss, um sich an diesem Kampf zu beteiligen.
Sowohl die Flammen, die in der Modena und in Florenz auf den TAV-Baustellen aufloderten, als auch die Eisenbahnblockaden, die in Napoli durchgeführt wurden, die Scheiben der PD (Partito Democratico), die in Teramo zerbrachen und die Proteste bei Bersani, die sich in L’Aquila abspielten, haben es bewiesen. Beispiele, deren Diversität ein Anzeichen einer Reichhaltigkeit ist, die verloren ginge, würde man sich darauf versteifen, alles an einem einzigen Ort zentralisieren zu wollen.
„Doch wer hat gesagt, dass wir gegenüber den Arbeitslosen nicht – indem wir es praktizieren – von Sabotage, von der Abschaffung des Rechts oder der Weigerung die Miete zu bezahlen sprechen können? Wer hat gesagt, dass während eines Streiks auf einem Platz die Ökonomie nicht woanders kritisiert werden kann? Das sagen, worauf der Feind nicht gefasst ist und da sein, wo er uns nicht erwartet. Dies ist die neue Poesie.“