17.10.2009 – Quartierentwertung in Basel

Offensich kam es in letzter Zeit in Basel des
öfteren zu Sachbeschädigungen. Wie aus dem Artikel der "Basler Zeitung"
hervorgeht, wurden die Scheiben des Büros der Architekten "Herzog &
de Meuron", einer Galerie und verschiedener Läden im Quartier St.
Johann eingeschlagen. In anderen Zeitungen ist auch von kaputten
Scheiben und "Schmierereien" in Kleinbasel die rede. Die Angriffe
scheinen im Kontext einer Quartieraufwertung zu stehen.
 

 

hier der Artikel aus der BAZ:

„Kultur ist
Scheisse“

Schmierereien beschädigen Basler Kultur- und
Ladenlokale, die Spuren weisen ins linksradikale Milieu

Wie in der Basler Zeitung gemeldet, kam es in
der Nacht auf Montag erneut zu offenbar gezielten Vandalenakten: Nach den Büros
von Herzog & de Meuron letzte Woche sind nun eine Galerie und Läden im
Kleinbasel betroffen.

In einer Installation zitiert der Basler Künstler
Peter Z. Herzog des Stendhal-Syndrom: den krankhaften Zwang, sich an
Kunstwerken zu vergehen. In Basel machen zurzeit Patienten mit einem ähnlichen
Krankheitsbild die Rund: Sie haben es auf die Räumlihckeiten der
Kreativwirtschaft abgesehen. Sonntagnacht haben sie gezielt die Schaufenster
von Kleinbasler Lokalen beschädigt, die zur Kunst- und Designinitiative „REH4“
gehören. Bei einem ersten Zwischenfall letzte Woche war eine Scheibe der Büros
von Herzog & de Meuron im St. Johann zu Bruch gegangen.

Die in diesem Zusammenhang gesprayten Parolen
wie „Kunschtis raus“ grenzen das Spektrum möglicher Täter ein. Kunstschulabgänger
gehören nicht zu den Lieblingsfeinden des rechtsextremen Lagers. Und ein
randalierender Einzeltäter hätte kaum mit einer solchen Zielsicherheit
Kulturlokale angegriffen.

Den betroffenen Galeristen Guillaume Daeppen
haben diese Tatsachen veranlasst, den Vorfall nicht persönlich zu nehmen: „Ich
könnte mir vorstellen, dass jemand die Kunst- und Designszene als Vorbote einer
Gentrifizierung des Quartiers versteht und auf diese Art kritisieren will.“

VERDRÄNGUNG. Unter Gentrifizierung versteht man
ein urbanes Phänomen: Wenige beliebte, einst industriell genutzte Stadtteile
werden von finanzschwächeren Bewohnern wie Künstlern genutzt – und dadurch hip
gemacht. Galerien und Rastaurants ziehen ein, mir ihnen finanzstärkere Mieter,
die bereit sind, höhere Mieten zu bezahlen und die ursprünglichen Bewohner
verdrängen.

So geschehen im heiss diskutierten Zürcher
Seefeldquartier, wo reihenweise Häuser umgebaut und so für viele zu teuer werden.
„Mir war nicht bewusst, dass das im Kleinbasel ein akutes Problem ist.
Kommentare im Internet auf die Veröffentlichung von Fotos der Schäden wie
`Kultur ist Scheisse`zeigen aber, das das Klima sehr gereizt ist“, sagt
Daeppen.

Tatsächlich deutet der gezielte Anschlag auf
die Räume von Herzog & de Meuron ebenfalls auf gentrifizierungskritische,
linksradikale Täter hin. Obwohl das Büro dazu keine Stellung nehmen will, ist
klar: Nicht nur verfügen die Stararchitekten über die Fähigkeit und Möglichkeit,
mit einem repräsentativen Bau ein Quartier im Alleingang aufzuwerten und also
auch zu verteuern. Ihre Rolle und ihr Einfluss bei der urbanistischen
Entwicklung Basels stösst auch immer wieder auf Kritik. So störte sich die „Wochenzeitung“
in einer Rezension des unter der Ägide von Herzog & de Meuron publizierten
Comics „MetroBasel“ an den Forderungen an ein weltoffenes, shoppingorientiertes
Basel: Kleine Kreativinitiativen werden darin als Vorbereiter einer solchen
Aufwertung dargestellt.

Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären,
dass nicht Ableger globaler Ketten betroffen sind, sondern nicht
gewinnorientierte Lokalitäten wie das Kleinbasler Kulturbüro: Hier wird
schlicht Kulturschaffenden ein Kopiergerät und ähnliche Infrastruktur zur Verfügung
gestellt. Damit unterstützt das Büro aber den von den Vandalen verteufelten
Kreativsektor.

Peter Jezler, Direktor der Schule für
Gestaltung und Kunst, die in Schmierereien wie „HGK fuck off“ direkt
angefeindetz wird, ist ratlos: „Wir können uns nicht erklären, weshalb die
Schule als Eindringling im Quartier wahrgenommen wird, wie das die Sprayereien
suggerieren. Bekanntlich liegt unsere Zukunft im Dreispitzareal.“

Christian Vontobel vom Neutralen Quartierverein
Unteres Kleinbasel kann zudem nicht bestätigen, dass die Angst vor steigenden
Mieten in letzter Zeit zu einer Häufung von Reklamationen geführt hätten: „Wir
haben hier noch öange keine Zürcher Zustände. Als Verein begrüssen wir es, dass
Kreative ins Quartier gezogen sind.“

 

VERDAMMUNG. Dass die für die Schäden
Verantwortlichen das nicht tun, ist nun hinreichend klar geworden. Bedenklich
ist, dass in deren Logik die betroffenen Kreativinitiativen verantwortlich gemacht
werden für Gentrifizierungstendenzen, obwohl sie sicher nicht der aktivste Teil
eines viel grösseren Phänomens sind. Die Täterschaft hätte „MetroBasel“ besser
etwas kritischer gelesen, dann würde sie nun nicht nur im Analogieschluss blind
verdammen, was Herzog & de Meuron darin begrüssen.

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